AboAbonnieren

Fabios Abschied macht das Veedel traurig

Lesezeit 4 Minuten

Sülz – Das italienische Restaurant spielte im Weyertal die gleiche Rolle wie das griechische Lokal „Akropolis“ in der Fernsehserie „Lindenstraße“. „Da Siro“ war Veedelstreff und zweites Wohnzimmer für viele Anwohner. Wirt Fabio Tiozzo war ihr Lieblingskoch und Kumpel, feste Konstante beim täglichen Mittagstisch, Ratgeber bei familiären Festessen, Beichtvater und Kummerkasten. Entsprechend dramatische Szenen spielten sich in den vergangenen Tagen in dem gemütlichen Restaurant ab. Innige Umarmungen und Schluchzen begleitet den Besuch manchen Stammgasts. Denn Tiozzo hat Schluss gemacht. Das Lokal ist geschlossen, nachdem es fast 35 Jahre lang eine feste Anlaufstelle im Viertel war.

Die Reaktion seiner Stammgäste, sagt der Wirt, berühre ihn schon sehr. „Die Gäste werde ich vermissen.“ Da ist er sich sicher. „Sonst aber gar nichts.“ Er spricht klare Worte. „Elf Jahre lang habe ich hier von morgens um zehn Uhr bis Mitternacht, oft auch bis ein, zwei Uhr morgens gestanden.“ Jetzt macht er erst einmal Urlaub bis März, besucht seine Eltern in Turin.

Die harte Arbeit hat Tiozzo zermürbt, spürbar. Entlastung war nicht in Sicht. Das passende Personal dafür zu finden, sei einfach zu schwierig, schildert er. „Ich hatte bis Ende August, Anfang September noch einige Mitarbeiter. Einer davon hat in einer Fabrik angefangen, ein anderer ist ständig krank und ein weiterer ist in Vaterschaftsurlaub.“ Ab dem Sommer lief es schlecht. Auf Stellenanzeigen meldeten sich Interessenten, die dann gar nicht auftauchten. „Es gibt keine Profis mehr in der Gastronomie“, ärgert sich Tiozzo. „Die meisten möchten schnell Geld verdienen. Die machen zwei Jahre Spüler, zwei Jahre Küchenhilfe, werden dann eines Tages wach und meinen, sie sind Koch.“

Alles zum Thema Aachener Straße (Köln)

Die Leute seien nicht mehr bereit zu lernen, kritisiert der Restaurant- und Küchenchef. „Sie wollen nicht lernen zu laufen. Sie möchten gleich fliegen.“ Viele verstünden das Handwerk nicht, wüssten nicht, was eine richtige Brühe ist, ein Demi-Glace oder ein Jus.

Tiozzo fürchtet, dass das kein gutes Ende nehmen wird: „Wenn meine Generation in Rente geht, dann machen ganz viele Restaurants zu.“ Am Weyertal jedenfalls ist es vorbei mit seinen fein gerührten Risotti, edler Seezunge mit Salbei, rosa gebratenen Lammkoteletts und sardischen Spaghetti mit frischen Sardinen.

Tiozzos Kochkunst fußt auf einem soliden Fundament mit glamourösem Aufbau: Nachdem er in Italien seine Kochausbildung und den Militärdienst absolviert hatte, zog der junge Koch aus Turin in die Welt hinaus, um Erfahrungen zu sammeln.

Es verschlug ihn zum Nobelitaliener Rino Casati, der in den 80er Jahren am Ebertplatz die Kölner Prominenz genauso bekochte wie seinen berühmten Landsmann Luciano Pavarotti.

„Das war eine goldene Zeit für die Gastronomie“, erinnert sich Tiozzo. „Unbürokratischer.“

Das Geld verdiente sich leichter. In den folgenden Jahren sammelte er viel Erfahrung im „Le Chateau“ an der „Aachener Straße“, bei Amato Mio an der Benesisstraße, in der Bar Tabac an der Aachener Straße, im Romeo Matto an der Pfeilstraße. Er blieb dann bei Siro, zunächst als Angestellter. Es war schwieriger geworden in seiner Branche: „Kein Restaurant wollte mehr einen Koch bezahlen“, erzählt er.

Die Kosten seien gestiegen, die Abgaben, der Strom, die Miete. Die Lebensmittel seien immer teurer geworden, besonders qualitativ hochwertige. Seitdem Siro nach Italien verschwand, um dort Oldtimer zu verkaufen, und Tiozzo den Laden selbst übernahm, weiß er, wieviel man verdienen muss, um ihn zu schmeißen. Jahrelang stand er selbst am Herd, mit Leidenschaft: „Ich liebe es zu kochen“, schwärmt er. „Mir kribbeln die Finger, wenn ich einkaufen gehe und die Ware sehe.“

Tiozzo hatte Erfolg. Der Laden brummte. Prominenz kehrte auch gerne am Weyertal ein: Götz Alsmann, Pedro Geromel, der ehemalige Fußballspieler des FC, der Kabarettist Robert Griess. Samantha Cristoforetti, die erste Italienerin, die 200 Tage im All war, kam mit dem italienischen Botschafter und Konsul essen.

Sie blieben nicht unentdeckt – dank der restauranteigenen Gesichtskontrolle: „Ich hatte einen Kunden, der war jeden Mittag da und hat Zeitung gelesen“, erzählt Tiozzo. „Wenn ich aus der Küche kam, blickte er von der Zeitung auf und sagte: »heute Prominenz«.“ Ihn selbst interessiere eigentlich gar nicht so sehr, wer bei ihm isst. Er koche für jeden gleich.

Das wird er jetzt künftig aber als Angestellter tun, in einem Großhandel, der vom Großmarkt an die Vogelsanger Straße zieht und dort Mittagstisch anbietet. „Dort gehe ich dann nachmittags um 16 Uhr nach Hause“, betont Fabio.

Oder er schaut auf einen Sprung in seinem ehemaligen Lokal im Weyertal vorbei. Das übernehmen nun Bekannte von ihm, zwei Italiener mit einem deutschen Partner.

Und obwohl es dann nicht mehr „Da Siro“ heißt, wird Fabio Tiozzos guter Geist immer noch über das Restaurant wachen. Denn mit dem einen oder anderen Tipp hilft er dort noch aus – oder plauscht mit einem ehemaligen Stammkunden.

Fabio Tiozzo

Fabio Tiozzo