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Familienunternehmen RimowaDer Koffer-König aus Köln

Lesezeit 5 Minuten

Firmenchef Dieter Morszeck in der Kölner Produktionshalle

Köln – Wie schafft man es, ein landesweites Branchensterben zu überleben, sich als Familienunternehmen aus einer winzigen Nische herauszuwagen und schließlich ein globaler Player zu werden, der dazu auch noch das schafft, woran sich Marketing-Strategen täglich abmühen – nämlich, dass das Produkt ein weltweit hochbegehrtes Statussymbol wird? Vielleicht, weil man sich genau auf das konzentriert, was man kann. Und seine Fähigkeiten mit großem Tüftler-Geist, Beharrlichkeit, hohen Qualitätsansprüchen und einem feinen Sinn für Ästhetik kontinuierlich weiterentwickelt. Das zumindest ist das Erfolgsrezept des Kölner Unternehmens Rimowa – der Name gilt heute als weltweit bekannte Premium-Marke.

Das Kölner Unternehmen hat sich mit seinem unverwechselbaren Rillen-Koffer auf einem Markt durchgesetzt, auf dem ansonsten nur noch große Platzhirsche wie etwa Samsonite oder die preiswerte Konkurrenz aus Fernost existieren können. In den vergangenen Jahren verzeichnete der Kölner Koffer-Bauer Wachstumszahlen, von denen die meisten Unternehmen nur träumen können. Lag der Umsatz um die Jahrtausendwende noch bei rund 10 Millionen Euro, kletterte er bis 2010 auf 100 Millionen und im vergangenen Jahr auf stolze 260 Millionen Euro.

Angefangen hat alles im Jahr 1898: In der Gilbachstraße in der Kölner Innenstadt gründet Paul Morszeck seine Manufaktur für Reisegepäck. Sein Sohn, Richard Morszeck, entwickelt 1937 den ersten Koffer aus Leichtmetall. Im Gegensatz zu Koffern aus den damals gängigen Materialien Holz und Leder war er deutlich leichter und enorm stabil. Morszeck war es auch, der dem Unternehmen seinen Namen gab – „Richard Morszeck Warenzeichen“, kurz „Rimowa“. Die charakteristischen Rillen, heute das Markenzeichen des Unternehmens, bekamen die Koffer ab 1950. Auch um die Stabilität zu erhöhen, entschied sich Richard Morszeck, das Aluminium mit Rillen zu versehen, die an die Außenhaut des Flugzeug-Oldtimers Ju 52 erinnern. „Wir haben das Design seitdem nicht mehr grundlegend verändert“, sagt Sohn Dieter Morszeck, der das Unternehmen in dritter Generation führt. Heute sieht sogar die Fassade der Firmenzentrale in Ossendorf aus wie ein riesiger Alu-Rillen-Koffer – das Gebäude bekam 1987 den Deutschen Architekturpreis.

1972 steigt Dieter Morszeck in das Familienunternehmen ein. Der damals 21-Jährige, der weder eine klassische Ausbildung oder ein Studium absolviert hat und sich selbst als Tüftler bezeichnet, will die Produkte im väterlichen Betrieb weiterentwickeln. Und so baut der begeisterte Hobby-Fotograf den ersten wasserdichten Fotokoffer der Welt. Die Erfindung ist ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte und macht Rimowa nicht nur bei berühmten Fotografen weltweit bekannt, sondern auch bei vielen Trendsettern.

„Im Jahr 2000 ist uns dann der Durchbruch mit der Einführung des Polycarbonats gelungen“, sagt Morszeck, der die meiste Zeit des Jahres weltweit unterwegs ist. Bei einem Lieferanten entdeckt er den Kunststoff, der unter anderem zum Bau von Flugzeugfenstern verwendet wird. „Schlag mal mit dem Hammer drauf“, sagte der Zulieferer. Morszeck schlug zu, erst leicht, dann fest. Nichts passierte. Kein Kratzer blieb zurück. Schließlich sprang er auf die millimeterdünne Platte. „Es machte nur »Plopp«, und die entstandenen Dellen sprangen wieder heraus“, so Morszeck. „Ich wusste: Das ist die Zukunft.“ Denn das Material ist nicht nur nahezu unzerstörbar, sondern auch extrem leicht.

Billiglohnländer kommen nie infrage

Drei Jahre dauert die Entwicklung des weltweit ersten Polycarbonat-Koffers. Die Innovation aus Köln bringt nicht nur Rimowa auf steilen Wachstumskurs, sondern sorgt weltweit für eine Revolution auf dem Gepäckmarkt. Der Hartschalenkoffer kehrt zurück. Große Unternehmen wie Samsonite ziehen nach und machen heute ebenso wie die Anbieter aus Asien einen Großteil ihres Umsatzes mit leichten Kunststoff-Koffern.

„Das war die größte Idee in meinem Leben, vergleichbar mit einem Royal Flush im Poker“, so Morszeck. Rimowa expandiert und baut ein Werk in Tschechien. Mittlerweile gibt es auch Fertigungsstätten in Kanada und Brasilien. Mehr als 2000 Mitarbeiter arbeiten weltweit für das Unternehmen, davon rund 600 am Standort Ossendorf. Jedes Stück wird in weiten Teilen noch in Handarbeit gefertigt. In der Produktionshalle – Fotografieren ist hier streng verboten – kann man die 200 Arbeitsschritte beobachten, die es braucht, bis aus einer Aluminium- oder Polycarbonat-Platte ein Koffer mit Rillen wird. Nach jedem Produktionsschritt wird kontrolliert: Ist alles gut verschraubt, passen die beiden Hälften genau ineinander, greift das Schloss perfekt, und drehen sich die patentierten Rollen geschmeidig? Im Schnitt dauert es zwei Stunden, bis ein Koffer fertig ist.

Eine Verlagerung der Produktion etwa in Billiglohnländer Asiens kam für Morszeck nie infrage. Er könne dort nicht garantieren, dass die Qualität stimmt. Und so fangen Rimowa-Koffer auch preislich dort an, wo die Produkte vieler großen Konkurrenten enden: im mittleren dreistelligen Bereich.

Da Rimowa in 65 Ländern rund um den Globus ausschließlich über den Fachhandel und wenige ausgewählte Warenhäuser verkauft, gibt es auch kaum größere Preisnachlässe oder gar Rabattschlachten. Zudem verfolgt das Unternehmen seit einigen Jahren die Strategie, sich mit eigenen Geschäften weltweit als Premium-Marke zu etablieren. Mittlerweile gibt es sogenannte „Flagship-Stores“ in Peking, Schanghai, Hongkong, New York, seit kurzem auch in Miami. Im Kölner Geschäft in der Nähe des Doms hat Rimowa zudem ein eigenes Museum eröffnet. Kooperationen gibt es mit Lufthansa und Porsche: Der Kunde kann sich etwa den farblich passenden Koffer zum Sportwagen bestellen. In Sachen Werbung ist Rimowa ansonsten ziemlich zurückhaltend. Das Unternehmen setzt unter anderem auf Produktplatzierung in großen Kinoproduktionen. Und so tauchten die Rillen-Koffer aus Köln schon in mehr als 250 Hollywood-Filmen auf, etwa in „Wall Street 2“, „Men in Black“, „Minority Report“ und „Ocean’s Twelve“.

Blickt man auf die Firmenhistorie, so scheint es stets bergauf gegangen zu sein. Keine Fehler, keine Rückschritte? „Natürlich hat nicht alles immer sofort so funktioniert, wie wir es geplant hatten, aber wir sehen das als ständigen Prozess an, in dem wir uns nur verbessern können“, gibt sich Morszeck bescheiden.

Und wann sind die Grenzen erreicht? „Bei unserem Wachstum sehe ich keine Grenzen. Es muss sich nur um ein gesundes Wachstum handeln, dann ist alles möglich.“