Feministische Bewegung3500 Menschen demonstrieren gegen Sexismus und Rassismus
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Ein großes Bündins aus Antirassismusgruppen, Flüchtlingsinitiativen, Wissenschaftler, Politikern und Frauenvereinen demonstrierte gegen Sexismus.
Die Demonstration verlief weitgehend friedlich und ausgelassen. Einige Demonstranten werfen Farbbeutel auf das Haus der Bezirksregierung.
Köln – Am Rande des Roncalliplatzes hat es sich Saskia Henschel bequem gemacht. Die 24-Jährige sitzt im Schneidersitz auf dem Boden. Ihr blau gefärbtes Haar verdeckt das rechte Auge, das linke blinzelt. Ihre Finger formen das sogenannte Friedenszeichen, das sie gen Himmel richtet, während sie sagt: „Es ist wichtig ein Zeichen zu setzen. Und zwar gegen die Instrumentalisierung feministischer Themen.“ Es ist Samstagmittag, gegen 12:30 Uhr.
Anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März rief am Samstag ein breites Bündnis aus etwa 20 autonomen und migrantischen Frauenorganisationen sowie feministischen Initiativen und antifaschistischen Vereinen zur bundesweiten Demonstration auf. Im Fokus standen die von Saskia Henschel angedeuteten Themen: Sexismus und Rassismus. Unter dem Motto „Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism!“ zogen rund 5000 Teilnehmer durch die Kölner Innenstadt.
12:45 Uhr. Aus den Lautsprechern dröhnen die Textzeilen der britischen Popsängerin Lily Allen: „You´re just some racist who can´t tie my laces, your point of view is medieval“ (zu Deutsch: „Du bist einfach nur ein Rassist, der mir nicht das Wasser reichen kann, dein Standpunkt ist mittelalterlich“). Der Titel dazu: „Fuck you.“ Nach und nach rollen angemietete Busse unter anderem aus Berlin, Hamburg und Saarbrücken an. Die Köpfe der ankommenden Menschen sind so vielfältig wie die feministischen Perspektiven, die heute von den Organisatoren vertreten werden: Es gebe nicht den einen Feminismus. „Vielmehr geht es um ganz unterschiedliche Positionen, die wir heute zusammenbringen und miteinander vernetzen möchten“, betont Pressesprecherin des Bündnisses Daniela Antons und ergänzt: „Wir alle wollen schlussendlich ein starkes Zeichen setzen. Sexuelle Übergriffe sind ein grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft – und nicht emigriert.“ Damit spielt Daniela Antons auf die Ereignisse in der Sylvesternacht an. Sexualisierte Gewalt sei nach den Vorfällen zur rassistischen Hetze instrumentalisiert worden. Es habe eine Personifikation von Tätern mit Migrationshintergrund gegeben. Das Stichwort: Intersektionalität. Meint: Die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen.
„Das Problem heißt Sexismus“ steht an anderer Stelle in großen Lettern auf einem noch größeren Plakat geschrieben. Schwenkende Fahnen rahmen die Botschaft ein. Die Musik verstummt. Um 13:30 Uhr geht es endlich los.
Die Begrüßung fällt mehrsprachig aus. Ihr folgt eine kurze Eröffnungsrede des Bündnisses: „Und obwohl der Feminismus nicht mehr in den Anfängen steckt, sind die Ziele Jahrzehnte später dieselben geblieben.“ Kurz gefasst: Es geht um Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, die Freiheit und Privatsphäre der Frau. Zaghafter Jubel bricht aus. Nach und nach werden die Stimmen greller und mit ihnen der Applaus lauter. Unter den jubelnden Zuhörern Hannah Becker (32), die sich selbst als Feministin bezeichnet: „Die Unterdrückung der Frau findet aktuell auf mehreren Ebenen statt.“ Dennis H. (37), der direkt neben ihr steht, fügt hinzu: „Ich habe schon häufig ein typisches Machtgefälle beobachtet.“ Das Problem seien immer noch die sozialen Rollen, die unabhängig vom biologischen Geschlecht zugewiesen werden. Sexualisierte Gewalt fordere starke politische Antworten.
Nach einer Schweigeminute und weiteren Redebeiträgen geht es vom Roncalliplatz in Richtung Rudolfplatz und weiter zum Alten Markt. Insgesamt kommen 16 Rednerinnen unter anderem aus dem Kölner Frauenhaus und dem Iranisch-Deutschen Verein zu Wort. Es geht um feministische Handlungsperspektiven. Vor allem aber um Kritik am bestehenden Sexualstrafrecht. Beinahe elegisch zieht die bunte Masse durch die Straßen, während die Polizeipräsenz auf den letzten Metern immer weiter zunimmt. Daniela Antons auf der Abschlusskundgebung: „Zum Glück haben sich die meisten nicht irritieren lassen. Wir konnten heute die Stadt einnehmen und Frauenstimmen auf die Straßen bringen.“
Die Demo verläuft weitgehend ruhig. Einige Demonstranten werfen Farbbeutel auf das Haus der Bezirksregierung in der Zeughausstraße und die SPD-Parteizentrale. Am Bahnhofsvorplatz entzünden Unbekannte nachmittags einen Rauchtopf.