Köln – Plötzlich ist die Sicht weg. Gut, dass der Tauchpartner einen zwar modisch bedenklichen, aber weithin sichtbaren Neoprenanzug mit neongelb glühenden Armen gewählt hat für den Ausflug in die Tiefen des Fühlinger Sees. Denn ein Grundsatz des Sporttauchens lautet: Verliere niemals, niemals, niemals deinen Partner.Schatten tauchen aus dem Nebel auf, und der Taucher wundert sich. Dass es Fische zu sehen geben würde, damit war zu rechnen. Aber in dieser Größe? Es sind Karpfen, jeder mehr als einen halben Meter lang. Sie haben auf der Suche nach Nahrung den Grund umgegraben wie eine Rotte Wildschweine den schlammigen Waldboden. Nun schwimmen sie davon, verschwinden in der Tiefe des Sees.
Als Taucher bleibt man lieber in Ufernähe, irgendwo zwischen zwei und sieben Meter Tiefe. Der Fühlinger See ist bis zu 15 Meter tief, doch selbst bei Sonnenschein wird es jenseits von fünf Metern Tiefe recht finster – und bald auch ziemlich kalt, selbst mit einer sieben Millimeter dicken Neoprenschicht auf der Haut und einer Haube auf dem Kopf. Doch an diesem Samstagmorgen zeigt sich der See von seiner lichten Seite. Wenn gerade in der Nähe keine Karpfen im Schlamm wühlen, ist die Sicht bemerkenswert gut, und weil sogar die Sonne scheint, ist die Atmosphäre hellgrün und leicht.
Es gibt jede Menge Leben zu sehen. Gleich nach dem Sprung vom Steg am Wassersportzentrum beäugen Flussbarsche die Taucher, folgen ihnen, schwimmen neugierig heran. Es geht hinab bis auf sieben Meter, überraschend viel Vegetation wächst hier, ganze Pflanzenwälder gilt es zu umschwimmen. Jenseits von acht Meter Tiefe sieht man allerdings, wo man hier taucht: In einer ehemaligen Kiesgrube. Der Grund erinnert an eine Geröllhalde. Tiefenjäger, die den Erfolg eines Tauchgangs davon abhängig machen, wie viel Wasser sie über dem Kopf haben, kommen im Fühlinger See nur bedingt auf ihre Kosten.
Schon nach wenigen Minuten taucht einer der Könige des Sees auf. Esox Lucius, der einheimische Hecht, steht ruhig im Wasser, den Kopf leicht nach unten gerichtet, hält er Ausschau nach Beute. Der Hecht lässt den Taucher nah herankommen. Am oberen Ende der Nahrungskette kennt man keine Furcht. Seine grüne Tarnfärbung lässt ihn mit dem Untergrund verschwimmen. Aus nächster Nähe sieht man die goldenen Sprenkel auf dem Rücken des Jägers. Ein beeindruckendes Tier, das nicht selten ist im Fühlinger See – Angler können das bestätigen.
Angler wissen auch um die scharfen Zähne des Fischs, daher binden sie ein sogenanntes Stahlvorfach zwischen das Ende ihrer Angelschnur und den Köder, sonst könnte der Hecht den Köder schlucken und die Schnur einfach abbeißen. Was passiert, wenn ein Angler zu faul ist, ein Vorfach zu montieren, ist in der Nähe des Einstiegs zu besichtigen: Ein Hecht hat dort sein Revier, in dessen Mundwinkel ein Kunstköder samt Drillingshaken hängt – womöglich für den Rest seines Lebens.
Zunächst ohne Resultat bleibt die Suche nach einem Dackel-fressenden Killerwels. Angler und Taucher berichten von Exemplaren um zwei Meter Größe, gewaltige Raubfische sind das, die durchaus in der Lage sind, Entenküken von der Wasseroberfläche zu verschlingen. Dass sie auch badende Hunde jagen, ist dagegen wohl ein Sommermärchen.