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Kölner Wohnkonzern GAG„Die Stadt muss uns in die Lage versetzen, zu bauen“

Lesezeit 6 Minuten
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Die Doppelspitze der GAG: Anne Keilholz (l.) und Kathrin Möller.

  1. 1000 neue Wohnungen pro Jahr sind nicht mehr zu schaffen, 600 das neue Ziel.
  2. Vorstände und Aufsichtsrat schlagen Alarm: Wir brauchen baureife Grundstücke.
  3. Für den Klimaschutz müssen 600 GAG-Wohnungen im Jahr modernisiert werden.

Köln – Mit 45000 Wohnungen ist die GAG die mit Abstand größte Vermieterin in Köln. Im Kampf gegen die Wohnungsnot, für das Erreichen der Klimaziele, die Energiewende vor Augen, hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft mit dem Aufsichtsrat ein Strategiepapier bis zum Jahr 2035 erarbeitet, das im Mai mit dem Aufsichtsrat diskutiert und verabschiedet werden soll. Kann Köln den Wohnungsmangel in den Griff kriegen oder ist dieser Zug längst abgefahren?

Ein Gespräch mit den Vorständen Kathrin Möller und Anne Keilholz und dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden und SPD-Ratsmitglied Mike Homann.

Der jahrelange Streit mit den Kleinaktionären über den Ankauf der Hochhäuser in Chorweiler, die sonst einer Heuschrecke zum Opfer gefallen wären, ist beigelegt, die Sonderprüfung beendet. Was bedeutet das für die GAG?

Kathrin Möller: Eine ungeheure Entlastung. Es war alles rechtens. Wir hatten über viele Jahre kein Schmuseverhältnis zu unseren Kleinaktionären, aber schon ein wertschätzendes auf beiden Seiten. Da müssen wir wieder hinkommen.

Ein Übernahmeangebot wird es also nicht geben.

Mike Homann: Nein. Damit wären erhebliche Kosten verbunden und wir hätten ein Steuerproblem. Die GAG ist in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit in der jetzigen Eigentümerstruktur keineswegs eingeschränkt.

Anne Keilholz: In ganz Deutschland werden Bestände wie in Chorweiler verkauft. Die GAG hat sich verhalten wie jedes professionelle Unternehmen. Sie hat gekauft, weil das Geschäft wirtschaftlich darstellbar war. Mit der Sonderprüfung ist uns bestätigt worden, dass wir auch einen sozialen Auftrag haben. Wir müssen für bezahlbaren Wohnraum sorgen.

Ließen sich andere problematische Großsiedlungen wie Finkenberg und Kölnberg nach dem Chorweiler-Vorbild in den Griff kriegen?

Homann: Nein. Beim Kölnberg mit der zersplitterten Eigentümerstruktur schon mal gar nicht. Es gibt leider Eigentümer, denen der Zustand ihrer Immobilien relativ egal ist, solange das Geld fließt. Natürlich würde man sich für den Kölnberg und Finkenberg ein Wohnungsunternehmen wünschen, das wie die GAG auch einen sozialen Auftrag hat. Aber das ist bei der bestehenden Eigentümerstruktur reines Wunschdenken.

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Diese Wohnblöcke in Chorweiler gehören seit 2016 der GAG

Heißt das, die Stadt muss diesen Zustand einfach hinnehmen?

Möller: Wenn die Eigentümer ihren Pflichten nicht nachkommen, muss es an die Mieteinnahmen gehen. Sonst bewegt sich nichts.

Homann: Die Stadt muss ordnungspolitisch vorgehen, der Druck auf die Eigentümer ist zu gering. Die Stadt muss die Mieter bei der Anzeige von Mietmängeln mehr unterstützen. Wenn es gelänge, die Mieten aufgrund von Mängeln beispielsweise um 50 Prozent zu mindern, würde man Änderungen erwirken.

Was kann die GAG noch tun, um die Wohnungsnot zu lindern?

Möller: Unsere bisherigen Programme sind nahezu ausgereizt. Im Bestand tun wir alles, was möglich ist. Wir verdichten, wir reißen ab, wir stocken auf, wir modernisieren. Das reicht aber nicht. Für unsere geplanten Neubauzielzahlen brauchen wir die großen Flächen. Da müssen wir gemeinsam mit dem Aufsichtsrat auf die Stadt einwirken und der Verwaltung begreiflich machen: Ihr müsst uns als Partner für eure Stadtentwicklungsprojekte nutzen. Wenn ich an Projekte wie die Parkstadt Süd oder Kreuzfeld denke, müssten wir der geborene Partner sein. Die Stadt muss uns in die Lage versetzen, zu bauen.

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Die Naumannsiedlung in Riehl wurde sichtbar aufgewertet.

Warum ist das nicht so?

Möller: Das müssen der Liegenschaftsausschuss und der Stadtvorstand beantworten. Bei den zuständigen Dezernenten finden wir inzwischen Gehör. Natürlich gibt es widerstreitende Interessen. Private Bauträger, die auch bauen wollen. Wenn ein Projektentwickler in Ehrenfeld einem Schrotthändler für eine Fläche einen derart hohen Preis zahlen kann, bei dem sich geförderter Wohnungsbau nicht mehr rechnet, sind wir raus.

Keilholz: Ich bin erst seit einem halben Jahr in Köln, kann die Vergangenheit nicht beurteilen. Ich nehme aber wahr, dass die GAG bei der Stadt bisher nicht der erste Ansprechpartner für geförderten Wohnungsbau war. Das wundert mich sehr. Das müsste doch automatisch passieren. Aber die GAG wurde von der Stadt bisher offenbar als einer von vielen Playern auf dem Markt gesehen. Sollte sich das ändern, würde mich das freuen.

Gibt es dafür Signale?

Keilholz: Ja. Seit etwa vier Monaten kommt man auf uns zu. Ich finde es richtig, dass die Kommune möglichst keine Grundstücke mehr verkauft, sondern nur auf Erbpachtbasis vergibt.

Das wird doch schon so lange diskutiert. Jetzt wird der Stadtrat am 17. März darüber abstimmen.

Möller: Ich wünsche mir von der Politik mehr Mut, solche Entscheidungen zu fällen. Natürlich stößt man wie beim kooperativen Baulandmodell sofort auf den Widerstand der großen Projektentwickler, weil deren Geschäftsmodell dann nicht mehr funktioniert. Wenn ich den Boden der Spekulation nicht mehr preisgeben will, muss ich diese Entscheidung treffen, die dann im Umkehrschluss die bestandshaltenden Gesellschaften und Genossenschaften stärkt.

Wer stand denn bisher auf der Bremse?

Homann: Das Thema Wohnungsbau steht nicht bei allen Parteien an erster Stelle. Da sind andere Dinge wichtiger. Das ist in der Spitze der Verwaltung so – und bei manchen Parteien im Stadtrat ebenfalls. Natürlich müssen wir mit den vorhandenen Freiflächen sorgsam umgehen, aber wenn wir keine Flächen mehr versiegeln dürfen, werden die dringend benötigten Wohnungen nicht gebaut werden können.

Wie viele Wohnungen könnte die GAG pro Jahr bauen, wenn es Flächen gäbe?

Möller: Damit greifen Sie einer Diskussion vor, die wir mit dem Aufsichtsrat im Mai über unsere neue Strategie führen wollen. Wir müssen, um 2035 die Klimaziele zu erfüllen, bei unserem Bestand erheblich in die Modernisierung investieren. Wir haben schon viel gemacht, aber die Investitionen in unsere Gebäude und Heizungsanlagen sind immens. Das wird uns Kraft kosten.

Was heißt das konkret?

Möller: Wir brauchen pro Jahr eine Modernisierungsquote von mindestens 500, besser aber 600 Wohnungen. Das hat zur Folge, dass wir nicht zeitgleich tausende neue Wohnungen bauen können. Dann wären wir schnell wirtschaftlich nicht mehr handlungsfähig. Zurzeit schaffen wir immerhin zwischen 500 und 1000 Wohnungen pro Jahr. Das ist künftig nicht mehr zu leisten. Aber 600 werden wir versuchen. Das setzt aber baureife Grundstücke voraus.

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Wo sollen die herkommen?

Homann: Die Bevorratungspolitik der Stadt war in der Vergangenheit nicht gerade optimal. Wohnungsbau ohne zusätzliche Flächen geht aber nun mal nicht. Natürlich ist das Mikroklima sehr wichtig. Das kann man durch ökologisches Bauen aber miteinander verbinden. Die Stadt muss endlich Flächen identifizieren und sehr schnell Baugebiete ausweisen.

Möller: Bei unserer Strategie 2035 geht es um den Dreiklang von Klimaschutz, Wohnungsneubau und sozialer Verantwortung, unterlegt mit ganz konkreten Umsetzungsvorschlägen, die auch wirtschaftliche Auswirkungen haben. Nach unserer Klausurtagung mit dem Aufsichtsrat zur neuen Strategie im Mai werden wir mit dem Ergebnis in den Stadtvorstand und in jede der demokratischen Fraktionen gehen und sagen: „Da wollen wir bis 2035 hin. Das erwarten wir von der Stadt.“ Dann wird man sehen, wie groß die Bereitschaft ist, uns zu unterstützen.

Etwas konkreter bitte.

Möller: Es wird nicht nur um die Neubau- und die Sanierungsquote gehen. Wir reden über Dachbegrünung, über den flächendeckenden Einsatz von erneuerbaren Energien wie der Photovoltaik. Wir erwarten, dass der Wohnungsbau nicht länger ideologisiert wird, dass die Politik die Widerstände gewichtet, die vor Ort gegen das Bauen kommen. Ist es nur „Not in my backyard“, weil ich meine Hundewiese behalten möchte, oder sprechen wirklich stadtökologische oder soziale Bedenken gegen eine Bebauung? Für den neuen Regionalplan hat die Politik einen Katalog von Flächen für den Wohnungsbau vorgelegt. Als der die Bezirksvertretungen durchlaufen hatte, war noch ein Drittel davon übrig. Ich erwarte, dass man nicht jedem Bürgerprotest für jede Hundewiese nachgibt.