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Geisterderby in Kölner Kneipen„Der 1. FC Köln ist wichtiger als Corona“

Lesezeit 3 Minuten
FC-Fans Kneipe Derby

FC-Anhänger am Mittwochabend im Gaffel am Dom

  1. Der 1. FC Köln verliert das Geister-Derby bei Borussia Mönchengladbach.
  2. Weil keine Zuschauer im Stadion zugelassen waren, waren viele Brauhäuser und Kneipen voller. Wir haben uns unter FC-Fans umgehört.
  3. Bei Wirten herrscht durchaus Sorge, dass die Folgen des Coronavirus auch auf ihre Geschäft nachhaltig Schaden nehmen – unabhängig vom FC.

Köln – René (39) aus Longerich sitzt mit seinen drei Kumpels schon viereinhalb Stunden vor dem Anpfiff der Party seines FC in Mönchengladbach im Gaffel am Dom und hat Position bezogen. Er hat ein nicht mehr brauchbares, aber denkwürdiges Ticket für 37,50 Euro gekauft: In Block 7, Reihe 36, auf Platz 2 hätte er gesessen, wenn das Coronavirus nicht so brutal reingegrätscht hätte. „Wir sollen das Geld für die Tickets zurückbekommen“, meint René und ist sich mit den Freunden einig: „Das Geisterspiel schadet eher den Gladbachern. Die müssen auf ihre gewohnte Heimkulisse verzichten.“

Youseff Choumani vom Gaffel am Dom hofft durch das Zuschauerverbot im Stadion auf einen noch größeren Andrang als sonst. Es gebe 600 Sitzplätze. Das in NRW verfügte Verbot von Veranstaltungen mit über 1000 Personen tangiere das „Gaffel am Dom“ also glücklicherweise nicht. Ab 14.30 Uhr liefen die fünf Fernseher und eine Leinwand im Brauhaus, zunächst mit Zweitligafußball aus der Konserve und auch zu Spielbeginn noch überschaubarem Andrang.

Janina Losen: „Die Stimmung ist furchtbar“

Einer, der auf den 600 Sitzplätzen im Brauhaus zeitig Platz genommen hatte, war der aus Bad Kreuznach stammende FC-Fan Matthias (43). Erst aß er mit seiner Freundin einen Flammkuchen, dann genoss er die Vorfreude auf das ungewöhnliche Spiel und war gespannt, welche Atmosphäre bei der Live-Übertragung vom Derby ohne Zuschauer rüberkommen würde.

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„Die Stimmung ist furchtbar, und die Vorstellung, dass das bis zum Saisonende so bleibt, macht es nicht besser“, sagt Janina Losen. Sie ist beim Fan-Projekt für die Tickets der Auswärtsspiele zuständig. „Die nächsten Spiele waren ausverkauft. Wir erstatten natürlich alles zurück.“

„Es gibt viel ungares Zeug“

„Es gibt im Moment viel ungares Zeug“, sagt Markus, Kellner von der Lotta Bar in der Südstadt. „Wir halten die Hygieneordnung ein, es gibt genug Seife und Handtücher. Vielleicht arbeiten wir irgendwann mit einem Einlassstopp, aber so weit ist es noch nicht. Die Leute sind zum Glück entspannt, am Wochenende war die Hütte voll.“ Und zum Derby ist es genauso.

Derweil viele Wirte durchaus über ausbleibende Gäste klagen, scheint der Fußballfan nicht zur Panik zu neigen. „Ich achte auf die Händehygiene, niese in die Armbeuge und werde vielleicht niemanden umarmen, wenn der FC ein Tor schießt“, sagt Oliver, der mit seinem Sohn das Spiel guckt. „Aber ich gucke das Spiel trotzdem in der Kneipe.“ Mit einem Augenzwinkern fügt er politisch nicht ganz korrekt hinzu: „Der 1. FC Köln ist wichtiger als Corona.“

„Die Panikmache zeigt Wirkung“

„Ich habe unfassbar viele Absagen für Firmen- und Geschäftsessen bis in den Mai hinein“, stöhnt Heiko Hörnecke, Wirt des Rodenkirchener Brauhauses „Quetsch“. Auch die FC-Übertragung stünde unter schlechten Vorzeichen. Bei Derby-Übertragungen sei er normalerweise schon lange vorher ausgebucht, „heute gibt es noch freie Plätze“. Aus seiner Sicht sei es schon sehr bedenklich, was da passiere. „Die Panikmache zeigt Wirkung“, sagt Hörnecke, der sich fragt, ob sich mancher Politiker im Klaren darüber sei, welche wirtschaftlichen Folgen die Veranstaltungsverbote nach sich ziehen würden.

Gottfried „Hennes“ Knapp feiert im Gaffel seinen Geburtstag. „Normalerweise wäre ich heute im Stadion“, sagt er. Dass die Spiele ohne Zuschauer stattfinden, sei ok. „Nur die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht“, findet Knapp. „Wenn der FC heute gewinnt, schüttelte ich morgen beim Training jedem Spieler die Hand“, feixt er vor dem Spiel. Dazu wird es nicht kommen. Der FC verliert das Derby 1:2.