Michael Hansen betreut seit fast 20 Jahren die letzten Schaubahnen in den großen Bahnhöfen, darunter auch in Köln und Düsseldorf.
Eine der letzten ihrer ArtEr ist der Meister der Modell-Eisenbahn im Kölner Hauptbahnhof
Die gute Nachricht ist, dass es weitergehen wird. Selbst wenn Michael Hansen eines Tages die Münzeinwurf-Schlitze nicht mehr von zerknickten Fahrscheinen und hölzernen Pommes-Gabeln befreit, die einen geordneten Bahnbetrieb in dem Glaskasten in der wuseligen E-Passage des Kölner Hauptbahnhofs unmöglich machen.
Die Ein-Euro-Münzen plumpsen in einen klobigen Plastikbehälter
Hansen schaut sich um, dass ihm kein gestresster Pendler in die Quere kommt. Vorsichtig klappt er die schwere Glasscheibe der Schauanlage auf, fischt eine Metallschiene aus dem Automatenbauch gleich neben dem klobigen Plastikbehälter, in den die Ein-Euro-Münzen plumpsen. Jetzt steht sie offen, die Eisenbahnwelt, und Hansen macht das, worum ihn auf den Bahnsteigen unter der mächtigen Bahnhofskuppel eine Etage über ihm alle beneiden, die schon seit einer halben Stunde auf den ICE nach Basel warten.
Der Automatentechniker gibt dem Regionalexpress einen Schubs und schon fährt er wieder. Er poliert den Stromschleifer des ICE, reinigt die Gleise mit einem in Waschbenzin getränkten Lappen, tauscht das defekte Birnchen eines Signals, das mit einem Dioden-Stecker in die Grundplatte eingelassen ist, wie man sie von Kassettenrecorder-Kabeln aus 80er Jahren kennt. Das alles dauert nur ein paar Minuten und schon läuft alles wieder wie am Schnürchen.
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Er ist der einzige Techniker, der sich zurechtfindet
Alle acht bis zehn Tage macht der gelernte Maschinenschlosser seine Runde. Düsseldorf, Duisburg, Krefeld, Köln. Fünf Schauanlagen gibt es noch in Nordrhein-Westfalen, insgesamt 20 stehen in ganz Deutschland. Und nur noch ihn, den einzigen Techniker, der sich in ihrem Dickicht aus Kabeln, Relais und Transformatoren zurechtfindet.
Sie alle stammen aus den 1970er Jahren, aufgestellt von der Werner Ehret & Co KG aus Düsseldorf, deren Chef, erzählt Hansen, es damals durch gute Kontakte zur Deutschen Bundesbahn gelungen sei, das Spielautomatenmonopol für alle Bahnhofskneipen in den Bahnhöfen an Land zu ziehen. „Das war wie ein Lottogewinn und schon ein Coup von Ehret Senior.“
Die Schaubahnen seien hinzugekommen, auf dem Höhepunkt seien es 36 gewesen. „Den alten Ehret habe ich gar nicht mehr kennengelernt“, sagt Hansen. 19 Jahre hat er für die Firma Ehret gearbeitet, ist mit seinem Mercedes und einem Kollegen kreuz und quer durch Deutschland gefahren, um Ehrets Bahnwelt am Laufen zu halten. Die Rückbank und den Kofferraum des Mercedes immer rappelvoll mit Ersatzteilen.
Die rote Diesellok hat mehr als 30 Jahre auf dem Buckel
„Wir hatten rund 600 Lokomotiven. Jede einzelne davon habe ich repariert. Allein im Osten hatte ich elf Schaubahnen zu machen. Wenn ich von meiner Tour zurückkam, hatte ich immer 60 oder 70 Loks dabei, die nicht mehr sauber liefen, die neue Schleifer, neue Achsen oder neue Antriebe brauchten.“ Dazu Taster, Drehregel, Trafos und Relais und einen umgebauten Staubsauger, um den gröbsten Staub von der Anlage zu pusten.
Hansen hebt die rote Diesellok von Gleisen, die auf der Anlage mit drei Kesselwagen im Schlepptau unverdrossen ihre Kreise zieht. Mehr als 30 Jahre hat sie auf dem Buckel und fährt immer noch. Das Metallgehäuse lässt sich mit einer Schraube lösen, schon liegt das Innenleben frei. Das sei noch Qualität, sagt Hansen. Unkaputtbar, weil alles reparabel.
Wie viele Eisenbahnwelten er in deutschen Bahnhöfen in den vergangenen Jahren erschaffen und modernisiert hat, kann er nicht mehr sagen. Der Gleisplan ist immer gleich. Ein Hauptbahnhof, vier Strecken, die sich nicht kreuzen, mit einer Brückenschleife, dazu eine Kleinstadt, ein Gewerbegebiet. „Wir haben die 27 Platten immer wieder überholt, das alte Grün runter, die Gleise neu geschottert, die Häuser abgestaubt.“
Wo früher das Einfamilienhaus stand, dreht sich jetzt ein Windrad
Und immer mal wieder neue Akzente gesetzt. Wo früher eine Einfamilienhaus-Siedlung stand, dreht sich seit ein paar Jahren ein Windrad. „Wenn es nach mir ginge, stünde das nicht hier“, sagt Hansen. „Ich hasse Windräder. Sie verschandeln die Landschaft und natürlich auch die Eisenbahn. Aber man muss ja mit der Zeit gehen. Die Räder sind halt ein Hingucker, wenn sich die Flügel drehen. Deshalb haben wir sie auch leuchtend rot lackiert.“ Dagegen wirkt der Metallkran von Märklin, ein Klassiker, der auf keiner Modellbahn fehlen darf, wie aus der Zeit gefallen.
Eigentlich müsste die Kölner Schaubahnwelt auch mal wieder gründlich gesaugt oder besser frei geblasen werden. Auf Bahnsteig 1 im Hauptbahnhof sind ein paar Reisende umgefallen, als habe sie der Sog des Regionalzugs einfach mitgerissen. Die Feuerwehr löscht den Dachstuhlbrand mitten in der Stadt schon weit mehr als zehn Jahre, eine Staubschicht hat sich auf die Einsatzfahrzeuge gelegt. „Wenn ein Haus brennt, können sich die Rettungskräfte doch nicht um eine gestürzte Dame kümmern“, sagt Hansen und schmunzelt. „Die haben Wichtigeres zu tun.“ Szenerien wie diese habe er immer frei Schnauze und den ein oder anderen Gimmick eingebaut. Nur die Züge fahren ihre immer gleichen Wege.
Ein Bahn-Manager hat die Wimmelbahn GmbH gegründet
Doch wozu nochmal den ganzen Staub aufwirbeln? Die Figuren aufrichten und ein paar Häuschen auswechseln? Seit 30. Juni ist die Werner Ehret & Co KG Geschichte und Hansen Rentner. Die letzte Tour hatte er schon hinter sich. Dachte er zumindest. Doch dann hat sich doch jemand gefunden und 20 Automaten gekauft. Matthias Hartmann (44), seit elf Jahren bei der echten Deutschen Bahn im mittleren Management. Er glaubt an die Zukunft der Schaubahnen, hat die Wimmelbahn GmbH gegründet und Hansen als neuen Mitarbeiter angeheuert.
Ein Glücksfall für beide Seiten. „Jetzt mache ich nur noch NRW und bessere meine Rente auf“, sagt Hansen. „Und der Chef weiß, was er an mir hat.“
Die Anlagen sollen modernisiert werden – ganz behutsam. Neue Fahrregler, neue Kabel. Schritt für Schritt. Einen Fehler habe der Neue schon gemacht, sagt Hansen und hebt die E-Lok des Regionalexpress von Gleis. „Das hier ist China-Schrott“, sagt er. Den Namen des Herstellers verrät er lieber nicht. „Das war mal ein angesehenes Unternehmen.“ Vier davon habe Hartmann gekauft, nur eine hat den Dauerbetrieb durchgehalten. „Die Loks sind zwar nur halb so teuer wie von Märklin. Dafür sind die Gehäuse aus Plastik, voll verklebt. Da kannst Du nichts reparieren. Die kannst Du nur wegschmeißen.“ Aber auch das werde der Neue noch lernen. Qualität habe nun mal ihren Preis.
Digitale Technik wie bei der großen Bahn im Stockwerk drüber komme bei der Wimmelbahn in der E-Passage nicht infrage. Zu kompliziert, zu störanfällig. „Wenn wir damit anfangen, kann ich gleich unter der Anlage pennen“, sagt Hansen und setzt seinen Lieblingszug aufs Gleis. Das mache er immer im Dezember – einen in Köln, einen in Düsseldorf.
Hansens Lieblingszug ist der Adler, der am 7. Dezember 1835 mit der ersten Fahrt zwischen Nürnberg und Fürth das Zeitalter der Eisenbahn in Deutschland begründete. Zwei davon hat er sich privat gekauft. „Der Adler ist genial, das ist richtig Nostalgie“, sagt er und schließt das schwere Glasfenster. Bis zur nächsten Tour.