Markus Krämer, Vorstand der Logistiksparte der Häfen und Güterverkehr Köln, fordert die Stadt auf, diese Zustände nicht länger hinzunehmen. Die neuen EU-Regeln werden frühestens ab 2026 greifen.
Fernfahrer stranden„Abfälle, laufende Motoren, Gestank – die Kölner bekommen das Problem hautnah mit“
Die katastrophalen Bedingungen, unter denen Hunderte von Fernfahrern vornehmlich aus Osteuropa in den Gewerbegebieten vor allem im Kölner Norden oder rund um den Niehler Hafen in ihren Trucks ihre Wochenenden verbringen müssen, will Markus Krämer nicht länger hinnehmen. Der Vorsitzende der Logistik und Intermodal-Sparte der Häfen und Güterverkehr Köln (HGK) sieht auch die Stadt, die regionale Wirtschaft und die Aufsichtsbehörden in der Pflicht. Man könne nicht einfach abwarten, bis das Lieferkettengesetz in Deutschland und die neuen rechtlichen Regelungen der Europäischen Union greifen, sagt er beim Blick aus dem Fenster des neuen Verwaltungsgebäudes der HGK auf den Niehler Hafen.
Herr Krämer, was kümmern Sie die Probleme unterbezahlter Fernfahrer, die jedes Wochenende in Köln stranden? Der Lkw-Fernverkehr gehört doch gar nicht zu Ihren Geschäftsfeldern?
Das stimmt. Wir sind kein Unternehmen, das auf den Fernverkehr mit dem Lkw setzt, sondern stehen für die Verkehrsverlagerung ein. Wir sind der Überzeugung, dass die Güter ab einem gewissen Kilometerzyklus nicht auf die Straße, sondern auf die Schiene oder das Binnenschiff gehören. Aber bei der letzten Meile sind wir immer noch betroffen. Im Nahverkehr nutzen auch wir den Lkw.
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Dann könnte Ihnen der Preiskampf im Fernverkehr auf Deutschlands Straßen doch egal sein.
Eben nicht. Wir brauchen in Deutschland und Europa wieder wettbewerbsfähige Transportstrukturen. Es kann nicht sein, dass der Straßengüterverkehr wegen des Lohndumpings und der schlechten Arbeitsbedingungen dermaßen hohe Kostenvorteile hat, dass es äußerst schwierig ist, Güter auf die Schiene zu verlagern. Da gibt es trotz aller Mängel bei der Infrastruktur durchaus Kapazitäten für den kombinierten Verkehr. Der Lkw hat immer noch einen Marktanteil von 72 Prozent am Güteraufkommen in Deutschland.
Zu welchen Bedingungen beschäftigen Sie Ihre Fahrer, die für Sie im Nahverkehr auf der letzten Meile unterwegs sind?
Wir zahlen die Fahrer über den Tariflöhnen. Sie sind nach der Arbeit in der Regel zuhause. Wir halten uns an alle Sozialstandards. Dennoch ist es schwer, Fachkräfte zu finden. Den deutschen Lkw-Fahrer haben wir nicht mehr. Die Internationalisierung des Arbeitsmarktes schreitet immer weiter voran. 2022 war das Schwellenjahr. Seither haben wir mehr ausländische Kraftfahrer. Das hat eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Das ist zunächst in einem europäischen Binnenmarkt nicht zu kritisieren.
Aber?
Diese Internationalisierung hat ihren Preis. Weniger Lohn bei höherer Arbeitsbelastung, Sozial- und Arbeitsstandards, die nicht beachtet werden, undurchsichtige Firmengeflechte mit Subsubsub-Unternehmen. Das sind alles externe Kostenfaktoren. Müssten die von allen berücksichtigt werden, wäre die Schiene durchaus konkurrenzfähig. Die Praktiken der Logistikbranche und das Marktverständnis osteuropäischer Spediteure – das sind unsere Themen. Sie haben den Markt überschwemmt mit diesen Angeboten.
Seit 1. Januar 2024 gibt es in Deutschland das Lieferkettengesetz. Wird sich dadurch etwas ändern?
Irgendwann wird das sicherlich greifen. Das Problem muss auf europäischer Ebene gelöst werden. Im Sommer hat die Europäische Union eine EU-weite Lieferkettenrichtlinie verabschiedet, die auf dem deutschen Gesetz aufbaut. Dadurch werden große europäische und ausländische Unternehmen EU-weit verpflichtet, sich für die Einhaltung bestimmter Umwelt- und Menschenrechtsstandards in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten einzusetzen.
Schafft die EU damit nicht nur ein weiteres Bürokratiemonster?
Diese Befürchtung besteht immer. Aber immerhin haben wir jetzt eine verschärfte europäische Gesetzeslage. Die Strafe für Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, kann bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes betragen. Das kann richtig weh tun. Und das gilt nicht nur für die Transportbranche, sondern für alle Unternehmen, die an einer Transportkette beteiligt sind. Die Richtlinie muss bis Ende Juli 2026 in allen EU-Staaten in nationales Recht umgesetzt sein. Danach wird sie bis 2029 stufenweise eingeführt, je nach Größe und Umsatz des Unternehmens. Erst die Großen, dann die Kleinen.
Bis dahin werden noch viele Wochenenden Lkw-Fahrer aus Osteuropa im Kölner Norden unter freiem Himmel in ihren Fahrzeugen verbringen müssen.
Wollen wir ernsthaft so lange warten? Ich sage nein. Wir brauchen in Köln endlich eine öffentliche Debatte über diese Themen. Vor allem die Menschen im Kölner Norden bekommen das Problem hautnah mit. Die Abfälle, die laufenden Motoren, der Gestank. Die Fahrer parken ja nicht dort, um Anwohner zu ärgern, sondern weil sie keine Alternativen haben. Das Ordnungsamt und die Abfallwirtschaftsbetriebe tun ihr Bestes, aber bezahlen müssen das die Bürger.
Was schlagen Sie vor?
Schärfere Kontrollen müssen sein. Auch wenn es damit allein nicht getan ist: In Belgien hat das schon zu Erfolgen geführt. Dort werden bei Kontrollen der Autobahnpolizei auch die Dateien aus dem Massenspeicher des Lkw gesichert und eine Sprach-App als Übersetzungshilfe eingesetzt. Ich will die Mitarbeitenden des Bundesamts für Logistik und Mobilität nicht kritisieren. Aber da ist noch deutlich Luft nach oben. Auch Köln kann mehr tun. Neben der Stadtverwaltung müssten sich auch die Wirtschaftsförderung und die IHK einschalten. Köln ist ein Drehkreuz des Westens. Wir müssen mehr Öffentlichkeit herstellen und unsere regionale Wirtschaft sollte Vorreiter bei diesem Thema werden.
Mit welchem Ziel?
Es geht gar nicht darum, ausländischen Lkw-Fahrer hier bei uns das Leben schwer zu machen. Wenn sie in Deutschland arbeiten, muss das zu vernünftigen Bedingungen und nach den deutschen Sicherheitsvorschriften geschehen. Stattdessen werden ihre Arbeitsbedingungen immer prekärer, die Subunternehmer-Struktur immer undurchsichtiger. Es gibt mittlerweile schon Anwerbungsversuche in der Mongolei und auf den Philippinen. Die Wirtschaft in der Region steht in der Verantwortung. Sie sollte bei ihren Logistikdienstleistern darauf bestehen, dass diese ihre Fernfahrer fair und menschenwürdig behandeln.
Zur Person
Markus Krämer ist seit November 2020 Mitglied der Geschäftsführung der HGK Logistics and Intermodal GmbH. Er wurde im Oktober 2021 zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der Gesellschaft berufen.
Zuvor hatte er verschiedene Führungspositionen in der HGK-Gruppe inne, so als Prokurist für das Beteiligungsmanagement sowie als Vertriebsleiter bei Rhein-Cargo, an der die HGK beteiligt ist. Mit dem Schwerpunkt „Marketing & Sales“ hat er sein Studium an der Hochschule für Ökonomie und Management als Master of Arts abgeschlossen.