Braunsfeld – Mit erhobener Faust beschimpfte ein vorbeifahrender SUV-Fahrer die Menschengruppe, die mit Schildern bewaffnet die rechte Spur der Aachener Straße in Richtung Innenstadt blockierte. Mit der Demo wollten Braunsfelder Geschäftsleute und Anwohner zeigen, welche Auswirkungen es hat, wenn die Stadt wie geplant in beide Fahrtrichtungen in der Hauptverkehrszeit jeweils eine Spur auf der Verkehrsachse für Expressbusse reserviert. Wenige Stunden später beschloss der Verkehrsausschuss das kritisierte Vorhaben trotzdem. Es handelt sich um eine Interimslösung, die allerdings eine ganze Weile bestehen wird. Der Bus soll den Öffentlichen Nahverkehr auf der Ost-West-Achse stärken, bis sie durch einen Umbau ertüchtigt werden kann. Die Linie 1 ist häufig überlastet.
Wie sollen die neuen Expressbuslinien fahren?
Nach den Plänen der Stadt sollen zwei neue Buslinien von Widdersdorf und Weiden kommend auf der Aachener Straße verkehren und jeweils in der Zeit zwischen 9 und 7 und 15 und 19 Uhr eine eigene Spur erhalten. Eine Linie 172 soll von der Haltestelle „Zur Abtei“ in Widdersdorf und über den heutigen Linienweg der Linien 149 und 145 zum Bahnhof Lövenich fahren, von dort über die Strecke der Linie 141 führen und dann vom Brauweilerweg auf die Aachener Straße einbiegen, wo sie im Mischverkehr bis zum Alten Militärring geführt wird. Ab dort soll sie in den Hauptverkehrszeiten auf der Expressbusspur verkehren. Die südliche Expressbuslinie 173 soll mit kleinen Abweichungen, die durch neue Haltestellen ermöglicht werden, entlang des Linienwegs der Linie 143 verlaufen. Ab der Haltestelle „Eichenstraße“ wird sie dann über die Junkersdorfer Straße und die Miltärringstraße bis zum Beginn des Bussonderfahrstreifens auf der Aachener Straße geführt. Was kritisieren die Bürger? Die Geschäftsleute befürchten starke Auswirkungen auf den Einzelhandel, wenn die Spur, auf der bisher Fahrzeuge halten, die die Geschäfte beliefern, dem Busverkehr geopfert wird. Die Änderung bedrohe viele Geschäfte in ihrer Existenz, kritisierte Ines Buschmann, Vorstandsvorsitzende der Interessengemeinschaft Braunsfelder Geschäftsleute. „Morgens trifft es vor allem die Bäckereien, die es glücklicherweise in Braunsfeld noch gibt. Nachmittags viele andere. Mir haben etliche Ladenbesitzer gesagt, dass sie dann gleich dicht machen können.“ Auch Kunden machen sich Sorgen um den Einzelhandel. Hildegard Jahn-Schnelle vom Bürgerverein Müngersdorf schildert die Befürchtungen vieler Menschen aus ihrem Viertel: „Müngersdorf gehört im Hinblick auf Güter des täglichen Bedarfs zu den unterversorgten Stadtteilen und ist auf den funktionierenden Einzelhandel im unmittelbar benachbarten Braunsfeld in hohem Maße angewiesen.“ Für die Müngersdorfer wäre es eine Katastrophe, wenn die nahe Einkaufsmeile stirbt. Anwohner beklagen, dass die sowieso stark vom Verkehr belastete Aachener Straße nun auch noch mit einer Expressbusspur ausgestattet wird. Auch die Bezirksvertretung Lindenthal hat in ihrer vergangenen Sitzung dem Verkehrsausschuss per Beschluss Änderungen in der Planung empfohlen, die dazu führen sollen, dass auf die eigene Busspur auf der Aachener Straße verzichtet werden kann. Wie sieht das alternative Verkehrskonzept der Lindenthaler Politiker aus? Danach soll der Takt der Linie1 zwischen Junkersdorf und Weiden-West möglichst schnell erhöht werden. Roland Schüler (Grüne), Lindenthals stellvertretender Bezirksbürgermeister, erläuterte die Forderung. „Die KVB hat zuletzt argumentiert, dafür keine Wagen zur Verfügung zu haben. Es handelt sich um zwei Doppeltraktionszüge, also insgesamt vier Fahrzeuge, die sie mehr braucht, um den Takt zu verdichten“, so Schüler. „Wir brauchen sie jetzt. Wir können nicht bis 2024 warten, bis neue Fahrzeuge geliefert werden.“ Die KVB solle überlegen, welche Möglichkeiten sie durch Optimierung von Wartung und Pflege der Wagen habe.
Auf die südliche Expressbuslinie 173 könne man verzichten und stattdessen die Strecke der Linie 149 von Lövenich über Weiden-Süd, Junkersdorf-Süd über die Dürener Straße bis nach Hohenlind und zu Schulzeiten bis Karl-Schwering-Platz verlängern, sagt Schüler. So verbliebe nur der Expressbus 172. Er könne auf einer schnelleren Strecke von Widdersdorf über den Lise-Meitner- und den Gregor-Mendelring auf den Militärring zur Aachener Straße geführt werden und dort auf einer der beiden Autospuren fahren. Die Verwaltung könne dafür sorgen, dass er dort schneller unterwegs ist, wenn sie die Ursache für den Stau beseitigt, der sich alltäglich in Braunsfeld bildet. „Die Ampelanlage Kreuzung Aachener Straße, Kitschburger Straße Maarweg hat eine verkürzte Grünphase. Wenn diese Grünphase für den Verkehr, der auf der Aachener Straße fließt, verlängert würde, würde sich der Stau auflösen und der Bus könne auf einer der beiden vorhandenen Spuren fahren und wäre ebenso schnell wie auf einer eigenen Spur.“ Wird der Vorschlag der BV Lindenthal bei der Planung berücksichtigt? Roland Schüler hat wenig Hoffnung, dass das Lindenthaler Alternativkonzept bei der Planung berücksichtigt wird. „Mir haben Ratsmitglieder versichert, dass sie unsere Vorstellungen beachten. Leider sind sie nun aber nicht im Beschluss des Verkehrsausschusses enthalten“, sagt er. „Der Rat hat sie also wohl nur als Empfehlung an die Verwaltung weitergegeben. Die nimmt aber Empfehlungen der Bezirksvertretungen nicht ernst.“ Die Verwaltung kann aber noch keine Aussagen dazu machen, ob und inwieweit die Vorschläge aufgegriffen werden: „Die Verwaltung kann erst dann etwas in Betracht ziehen, wenn etwas auf Realisierbarkeit etcetera überprüft worden ist“, erklärt Nicole Trum, Pressesprecherin der Stadt, und sagt weiter: „Das Verkehrsdezernat hat dem Verkehrsausschuss in der Sondersitzung mündlich mitgeteilt, dass alle abweichenden BV-Beschlüsse geprüft und im Paket dem Verkehrsausschuss im zweiten Halbjahr vorliegen werden.“
Roland Schüler, stellvertretender Bezirksbürgermeister