Köln – „Ich glaube denen nichts mehr, kein einziges Wort.“ Am anderen Ende der Telefonleitung ist die pure Enttäuschung zu hören. „Krankenschwester ungeimpft“, hat die 37-Jährige aus Bonn auf dem Anzeigenportal Ebay geschrieben: „Intensiv-und Anästhesie-Fachkraft sucht ab März einen neuen Job.“ Es sei immer ihr Traum gewesen, in den Pflegeberuf zu gehen, sagt sie. Sie klingt erschöpft, aber umsichtig. Sie liebe die Arbeit, aber vertraue „der Politik“ nicht mehr.
Denn die Bettkapazitäten seien in der Corona-Pandemie nie das Problem gewesen. Sondern chronisch überarbeitetes Personal und Personalmangel, der sich durch die Kündigung von ungeimpftem Personal noch verschlimmern werde.
Zweimal sei sie bereits an Covid-19 erkrankt, beide Male mit mildem Verlauf. Eine Impfung, wenn überhaupt, helfe nur Menschen über 60, glaubt sie. „Aber jetzt die Impfpflicht für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen - das mache ich nicht mehr mit.“ Sie überlege, in die Schweiz zu ziehen, weil man dort auch ohne Corona-Schutzimpfung arbeiten könne.
Seit Mitte Dezember ist eine Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen beschlossene Sache. Am 16. März soll sie in Kraft treten. Auf Ebay und in einigen ost- und süddeutschen Tageszeitungen wurden zahlreiche Anzeigen von angeblichen Fachkräften aus Gesundheits- und Pflegeberufen geschaltet, die ungeimpft seien.
Wie viele der Jobsuchen echt sind, ist schwer zu sagen. Bei der Überprüfung der Anzeigen in einer ostdeutschen Zeitung kam heraus, dass viele der angegebenen Telefonnummern nicht vergeben waren.
Krankenpfleger-Kleinanzeigen
Auf Ebay finden sich auch zahlreiche Suchen nach einem neuen Arbeitsplatz in Nordrhein-Westfalen. „Pflegeassistent ungeimpft“, aus Bergheim beispielsweise sucht eine Beschäftigung im Radius von 20 Kilometern. Er habe in einem Heim gearbeitet, wegen des neuen Infektionsschutzgesetztes sei dies aber nicht mehr möglich.
„Ergotherapeutin (30J.), ungeimpft, sucht zum 15.03.22 einen Job“, ist eine Anzeige aus Hürth überschrieben. „Ich bin verantwortungsvoll, gut organisiert und motiviert, in einem neuen Beruf Fuß zu fassen“, heißt es. Und ein laut Anzeige „netter Krankenpfleger“ aus Köln schreibt: „Ich suchen einen neuen Job, da ich aufgrund des Beschlusses der Regierung ab dem 16.03.22 nicht mehr arbeiten darf. Das schmerzt sehr, aber ich sehe nicht ein, dass ich mich impfen lassen muss. Er sei flexibel: „Von Köln, Düsseldorf bis Dortmund.“
90 Prozent des medizinischen Personals geimpft
Etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland haben noch keine Corona-Impfung erhalten, teilte das Robert-Koch-Institut auf Anfrage mit. Wie es in den medizinischen und pflegereichen Berufen aussieht, dazu gebe es nur Schätzungen. Demnach seien Ende vergangenen Jahres etwa 89 Prozent des Personals in Pflegeinrichtungen und 90 Prozent des medizinischen Personals geimpft gewesen.
Droht nun einzutreten, was der ausgeschiedene Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befürchtet hatte, nämlich eine Kündigungswelle im ohnehin schon angeschlagenen Pflegesektor?
„Personaldecke ist seit Jahren auf Kante genäht“
Eher nicht, sagt Burkhardt Zieger, NRW-Sprecher vom „Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe“ (DBfK). „Großflächig kann ich mir das nicht vorstellen, würde das erst einmal ganz gelassen abwarten.“ Im Einzelfall jedoch könne es durchaus zu Problemen in der Versorgung kommen.
„Die Personaldecke ist halt schon seit Jahren so auf Kante genäht, wenn dann nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitenden sagt, wir gehen, kann das in einzelnen Einrichtungen zu erheblichen Engpässen führen.“
Schon vor Corona seien die Wartezeiten für einen Platz im Altenheim oder für den ambulanten Pflegedienst schließlich sehr lang gewesen. Die Diskussion über die Impfpflicht im medizinischen Bereich sei „unsäglich“, so Zieger.
„Waren schon vor der Pandemie am Ende“
„Weil man nicht den Mut hat, eine allgemeine Impfpflicht durchzudrücken, wird die Verantwortung für die Pandemieentwicklung ausgerechnet bei der Berufsgruppe verortet, die sich in den letzten zwei Jahren in besonderer Weise engagiert hat.“ Das könne nicht richtig sein. „Unsere Kolleginnen und Kollegen waren schon vor der Pandemie ziemlich am Ende, jetzt das noch on Top: Das ist ganz großer Mist, da verliert man langsam das Vertrauen.“
„Pflegefachkräfte gesucht! (ungeimpft)“
Neben Angeboten aus der Schweiz finden sich seit kurzem auch Gesuche eines Personaldienstleisters aus Nordrhein-Westfalen auf Ebay, die mit sicheren Arbeitsstellen für ungeimpfte Pflegefachkräfte werben. Ein explizites Einsatzfeld wird in den Anzeigen nicht genannt. Aus einem Telefonat mit dem Personaldienstleister ging hervor, dass es sich dabei hauptsächlich um verwaltende Tätigkeiten beispielsweise aus dem Homeoffice heraus handeln soll.