- AnnenMayKantereit befinden sich aufgrund der Corona-Krise in einer Zwangspause. Wie viele andere Künstler auch.
- Die vier Musiker der Kölner Band nutzen diese Zeit, um gemeinsam an ihrer Musik zu arbeiten, virtuell mit Freunden zu sprechen – und sich für Geflüchtete einzusetzen.
- Im Interview hat Gitarrist Christopher Annen mit uns über die aktuelle Flüchtlingssituation, das Musikmachen in der Corona-Zeit und seine Verbundenheit zu Köln gesprochen.
Herr Annen, seit Tagen kursiert ein Video mit den Mitgliedern Ihrer Band AnnenMayKantereit und anderen Kölner Prominenten im Netz: Sie wenden sich an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und bitten um Solidarität für die Geflüchteten auf Lesbos. Wie lange beschäftigt Sie das Thema schon und wie kam das Video zustande?
Malte und Henning haben vor allem die Leute angeschrieben und das organisiert. Wir beschäftigen uns schon sehr lange mit der Flüchtlingsthematik, eigentlich ist das seit 2015 sehr präsent bei uns. Wir haben uns als Band immer wieder darüber ausgetauscht und über einen längeren Zeitraum Organisationen unterstützt: wie etwa SOS Meditaranee, die Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer haben, Refuges Law Clinic und Pro Asyl. Jetzt in der Corona-Krise war es an der Zeit, sich mit so einem Video zu melden, weil es so akut in Moria geworden ist, wo 20.000 Menschen zusammengepfercht leben müssen.
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OB Reker hat sogar prompt reagiert, aber auf das Land NRW verwiesen. Nun will Deutschland 50 Flüchtlinge aufnehmen…
Das ist eine absolut traurige und lächerliche Zahl.
Von September bis Februar haben Sie eine Pause eingelegt, im März hat die Tour zumindest begonnen, in Köln musste das Konzert aber schon Corona-bedingt ausfallen. Wie groß war da der Frust?
Die Enttäuschung war im ersten Moment ziemlich groß, aber wurde dann schnell relativiert, weil dadurch ja auch viele Menschen geschützt werden. Daher war keiner der Crew – wir sind ja mit 50 Leuten unterwegs – sauer, sondern es war klar, dass das jetzt einfach sein muss. Und dann kann man das auch besser akzeptieren.
Zur Person
Christopher Annen (30) ist der Gitarrist der Kölner Pop-Rock-Band AnnenMayKantereit. Die Band gründete sich 2011 am Schiller-Gymnasium in Sülz. Henning May, Severin Kantereit und Annen waren zunächst als Straßenmusiker in Köln unterwegs. 2014 stieß der E-Gitarrist Malte Huck hinzu und der Trompeter Ferdinand Schwarz begleitet die Band seit 2014 auf Tourneen. Das Hauptmerkmal der Band ist die tiefe, raue Stimme von May. Das Video zu „Barfuss am Klavier“ wurde zum viralen Hit, ihr erstes offizielles Album „Alles nix Konkretes“ verkaufte sich 300.000 Mal.
Gibt es konkrete Pläne für ein neues Album?
Mal schauen. Dafür muss man sehr viel geschrieben haben und da sitzen wir gerade dran. Wir haben gerade eine kreative Phase, in der neue Sachen entstehen, und denen muss man viel Zeit einräumen.
Seit Februar gibt es das neue Lied „Ausgehen“. Das Ausgehen fällt ja nun flach... Was machen Sie außer Musik zurzeit?
Ich telefoniere deutlich mehr und habe auch tatsächlich Gefallen an Videokonferenzen gefunden. Ich habe jetzt schon oft mit Freundinnen und Freunden so einen Zoom-Chat geöffnet, jeder ist zuhause und man quatscht und trinkt dabei ein Bierchen. Das ist lustig. Ich freue mich natürlich sehr darauf, Leute persönlich vor mir zu haben, aber irgendwie dachte ich, dass mir das schwerer fallen würde. Viele Leute sind aber gerade einsam und das muss man stark auf dem Schirm haben. Aus meiner privilegierten Position heraus hat das auf jeden Fall etwas Entschleunigendes, und das genieße ich. Ich habe mir aber vorgenommen, nicht in einen Urlaubsmodus zu kommen. Ich will nicht chillen, sondern produktiv sein. Ich stehe früher auf, kann auch zum Glück in den Proberaum fahren, da bin ich dann ganz allein. Und mache da bis nachmittags, frühen Abend Musik, was mir eine Struktur gibt. Da bin ich froh drum.
Im Video zum neuen Song sind alle Bandmitglieder an unterschiedlichen Orten, die Szenen wurden dann zusammengeschnitten. Ein wenig so, wie viele das jetzt machen, wenn sie per Videokonferenz Musik machen. Wie gut klappt die Kommunikation mit Ihrer Band?
Ja, da haben wir schon was vorweggenommen – wie der Wettertrend (lacht). Unsere Kommunikation klappt sehr gut, weil wir alle Lust haben, uns viel auszutauschen und die Musik weiterzubringen. Und das geht nur, wenn man viel telefoniert. Sonst wären ich und Malte nach Berlin gefahren oder Henning und Severin nach Köln gekommen, um zu arbeiten.
Wie ist das generell, wenn man als Band so aufgedröselt lebt, der eine hier, der andere dort?
Generell klappt das gut. Berlin-Köln ist heutzutage ja keine große Distanz, ich setze mich morgens in den Zug und bin vormittags da. Ansonsten finde ich das cool. Ich habe das Gefühl, dass wir alle gerade darauf schauen, worauf wir Lust haben.
Sie wohnen weiterhin in Köln. Haben Sie da schon einmal an Wegzug gedacht?
Ich kann das immer nur für den Moment sagen. Gerade fühle ich mich sehr wohl in Köln und bin sehr verwurzelt. Ich habe sehr viele Freundinnen und Freunde hier und meine Familie. Ich sage nicht, dass ich niemals hier wegziehen würde, aber gerade ist das kein Thema. In Sülz sind Henning, Severin und ich großgeworden und haben die ersten 20,25 Jahre hier gewohnt. Das ist ein sehr schönes Umfeld, um aufzuwachsen. Auch das Schiller-Gymnasium, wo wir uns gegründet haben, ist eine super Schule, wo wir gerne hingegangen sind.
Gerade werden sämtliche Konzerte ins Netz verlagert, auch Clubs und DJs streamen live. Schauen Sie sich sowas auch an?
Ich habe mal bei Club-Quarantäne reingeschaut. Das fand ich eine coole Idee. Aber ich muss sagen, dass ich bisher auch nicht viel feiern war und ich werde jetzt auch nicht mehr feiern, wo man nicht mehr rausgehen kann. Aber Konzerte schaue ich gerne an, zum Beispiel das von Francesco Wilking (Singer-Songwriter von der Berliner Band Höchste Eisenbahn, Anm. d. Red.). Das fand ich total schön.
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Die Fans mögen Ihre Band, weil Sie so bodenständig wirken. Sie haben mit Straßenmusik angefangen, sind längst in den großen Hallen unterwegs. Wie hat Sie der Erfolg persönlich verändert und haben Sie sich längst dran gewöhnt?
Mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt, schätze das aber immer noch sehr wert, wenn ich auf der Straße angesprochen werde und jemand sagt, dass er unsere Musik sehr schön findet. Mit der Situation, dass man eine sehr große Aufmerksamkeit bekommt, kommen wir inzwischen gut klar. Das war zunächst eine große Umstellung, auch für unser Umfeld, aber jetzt machen wir das ja auch schon ein paar Jahre, auch auf dem Level, das hat sich also mittlerweile gesetzt. Und wir schätzen es trotzdem sehr wert, dass das unser Beruf sein kann, auch in Zukunft, denn wir haben alle nicht studiert.
Mit welcher Bühne in Köln fühlen Sie sich ganz besonders verbunden und blicken Sie auch schon einmal nostalgisch auf die Schulbühne zurück?
Ich bin jetzt nicht der nostalgische Typ. Dass ich da jetzt stundenlang sitze und über früher sinniere, passiert nicht. Aber es gibt schon Locations, an die ich sehr gern zurückdenke. Zum Stadtgarten haben wir als Band eine sehr enge Verbindung und das Gloria ist eine unfassbar schöne Location.