AboAbonnieren

Neues KonzeptKölner Kalkfest zwischen Demonstration, unschönen Bildern und versöhnlichem Sonnenuntergang

Lesezeit 3 Minuten
Menschen sitzen im Sonnenuntergang vor dem Panorama Kölns.

Ausnahmsweise durften Besucher auf den Kalkberg.

Das neu aufgelegte Kalkfest fand am Wochenende zum ersten Mal dezentralisiert statt. Das war für einige ein Erfolg – andere kamen etwas kurz.

Vor der Apotheke an der Kalker Hauptstraße 215 hebt Dr. Fritz Bilz den rechten Arm zum Hitlergruß – und fragt schelmisch: „Es et am rähne?“ Eine Nummer von Karl Küpper, dem Karnevalisten, der die Nazis verhöhnt hatte und nach ’45 exakt hier eine Kneipe betrieb. Dann ein rasanter Stimmungswechsel, auf den Vortrag des Historikers folgt ein Auftritt der Hausband von „Fatal Banal“, der alternativen Karnevalssitzung: „Wir sind die mit dem Lamm-Pollunder, meistens haben wir nichts drunter.“

Kalkfest erlebt Relaunch mit neuem Konzept

Karl Küppers‘ ehemalige Wirkungsstätte sei ein optimaler Ort, um sich im Rahmen des Kalkfests vorzustellen, erklärte Monika Stupp von „Fatal Banal“: „So widerborstig wollen wir auch sein.“ In der vergangenen Session hatte die Truppe ihre Sitzungen erstmals in den Abenteuerhallen präsentiert. „Das soll auch so bleiben“, sagte Schupp.

Ein gern gesehener Neuzugang im Veedel, der sich beim Relaunch des Kalkfests nach Corona allerdings neben 56 anderen Programmpunkten behaupten musste. Denn die Sozialraumkoordinatoren Maria Schweizer-May und Alexander Tschechowski hatten auf Vorschlag der Stadtteilkonferenz ein neues Konzept entwickelt. Einen Nachmittag lang sollten nicht mehr, wie zuvor, nur Einrichtungen aus dem Bereich Sozialarbeit an einem gemeinsamen Ort über ihre Aktivitäten informieren. Unter dem Motto „Zeig mir deine Welt“ konnten diesmal auch die zahlreichen lokalen Initiativen und Vereine mitmachen, und zwar dezentral, an einem Ort ihrer Wahl.

Alles zum Thema Demonstration Köln

Dezentrales Fest in Kalk hat „großes Potenzial“

„Ein kraftvolles Zeichen für die Lebendigkeit unseres Stadtteils“, freute sich Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer in ihrem Grußwort an der Kalker Post über die Vielfalt der Aktionen. Unter den „Hotspots“ waren natürlich die vom Kinderschutzbund organisierten Spiele auf dem Ottmar-Pohl-Platz, „Ping Pong, Beats und Prickelbrause“ im Bürgerhaus oder das ökumenische Fest bei der evangelischen Gemeinde. Doch auch weniger bekannte Gruppen wie die indonesischen, marokkanischen, tamilischen und türkischen Frauen, die auf dem Vorplatz der Post kulinarische Spezialitäten anboten, standen plötzlich im Mittelpunkt: „Das Essen war schon nach drei Stunden komplett weg, da müssen wir nächstes Jahr nachbessern“, so Tschechowski.

Menschen liegen in Liegestühlen auf dem Vorplatz.

Entspannen auf dem Vorplatz der Kalker Post.

Auch die auf dem Vorplatz startenden Führungen der Geschichtswerkstatt sowie der Dokumentationsstätte Kalter Krieg – letztere zum Atom-Bunker unter der U-Bahn-Station – seien stets ausgebucht gewesen. Die Einladung zum Chillen auf dem Platz, mit DJ, Liegestühlen, Sitzkissen und Strandkörben, sei ebenfalls gern angenommen worden: „Der dezentrale Charakter hat großes Potenzial, das sollten wir wiederholen.“

Selbstverständlich hatten es einige Orte schwerer, die Fachberatung Wohnungsnot der Diakonie Michaelshoven etwa, deren Räume abgelegen an der Kalk-Mülheimer Straße liegen: „Die meisten Besucher waren Kollegen, wir müssen künftig für Attraktionen sorgen“, meinte Colin Emde, Mitarbeiter der Beratungsstelle.

Veedelsfest in Kalk: Polizei erwartet Demoteilnehmer

Auch das Wetter war ja nicht so toll. Und dann schlug auch noch das Imperium zurück: Die im Rahmen des Fests geplante Demo der Initiative ‚Verkehrswende‘ für eine autofreie Kalker Hauptstraße wurde „inhaltlich erweitert“, weil kurz zuvor bekannt wurde, dass sich die Montag-Stiftung aus der Entwicklung der Hallen Kalk zurückzieht. Sie bezweifelt die „Verlässlichkeit“ der Stadtverwaltung. Die Demo führte nun zum „Osthof“, den Hallen an der Dillenburger Straße, wo schon die Polizei wartete, weil sie widerrechtliches Betreten befürchtete.

Menschen stehen auf der Straße.

Der Aufbruch zur Demonstration, die spontan inhaltlich erweitert wurde.

Unschöne Bilder also, von denen sich einige Teilnehmer auf dem Kalkberg erholten, der am Tag des Fests ausnahmsweise für die Bürger geöffnet war. 60, 70 Menschen saßen andächtig im Sonnenuntergang und genossen das Stadtpanorama. Angesichts dieses Bilds meinte Landschaftsarchitekt Johannes Böttger von der Bürgerinitiative Kalkberg, der mit Boris Sieverts über das Hubschrauber-Fiasko informierte: „Es ist nicht zu fassen, dass die Stadt so etwas brach liegen lässt.“