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Polizeiwache in KalkKölns erste Adresse für Straftäter

Lesezeit 4 Minuten

Der Zellentrakt im Keller des Polizeipräsidiums in Kalk (Symbolfoto)

Kalk – Weiße Kacheln, grelles Neon-Licht, dünne Matratzen: Die Räume des Polizeigewahrsams im Kalker Polizeipräsidium sind nicht gerade gemütlich. Das wäre wohl auch ein bisschen zu viel verlangt für einen Knast.

Auch den Mitarbeitern wird einiges abverlangt. „Wir haben immer wieder mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu tun“, sagt Petra Schellhase, Leiterin des Gewahrsam-Diensts. Sie und ihre Mitarbeiter werden regelmäßig beleidigt, getreten oder bespuckt: „Man muss hier ein gewisses Maß an Stressresistenz haben.“

Rund 9.500 Tatverdächtige werden jährlich nach Kalk gebracht

Nahezu jeder Kölner Straftäter bekommt als erstes die kargen Zellen im Erdgeschoss des Präsidiums am Walter-Pauli-Ring zu Gesicht, in denen sich niemand mit Schuhen aufhalten darf – Schnürsenkel könnten zum Selbstmord genutzt werden. Wer eine Straftat begangen hat, wird in Kalk dem Haftrichter vorgeführt, der darüber entscheidet, ob es weiter in die JVA Ossendorf in die Untersuchungshaft geht. Ein Drittel der jährlich rund 9.500 „Gäste“ (90 Prozent davon sind männlich) sind aber einfach nur ziemlich betrunken und werden zur Ausnüchterung hergebracht, weil sie für sich und andere eine Gefahr darstellen. Im Winter werden auch hilflose Personen mitgenommen, um sie vor der Kälte zu schützen.

Besonders viel los ist in Kalk zum Sessionsauftakt am 11.11, während des Straßenkarnevals und wenn der 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach spielt. Und auch zu Silvester herrscht ein reges Kommen und Gehen.

In der kommenden Silvesternacht steigt die Wahrscheinlichkeit enorm, nach Kalk zu kommen. So viele Polizei- und Ordnungskräfte wie nie zuvor werden in der Stadt unterwegs sein und dafür sorgen, dass die Jahreswende nicht schon wieder im Chaos versinkt. Im Vorfeld lud die Polizei zur Besichtigung des Kalker Zellentrakts ein.

Wir zeigen die wichtigsten Stationen im Überblick:

Der Gefangenentransporter

In Minizellen geht es im Bus zum Kalker Polizeipräsidium.

Maximal sieben Gefangene passen in die Mini-Zellen in den „Gefangenentransportwagen“ der Polizei. Davon besitzt das Kölner Polizeipräsidium fünf Stück, weitere werden für die kommende Silvesternacht angefordert. Bis zu 100 Menschen haben im Kalker Gewahrsam im Polizeipräsidium Platz. Sind sämtliche Plätze belegt, fahren die Transporter in der Silvesternacht zur Polizei-Außenstelle in Brühl.

Die Schleuse

In der „Schleuse“ werden Dienstwaffen in Fächern abgelegt.

Der erste Raum des Gewahrsamstrakts ist die sogenannte „Schleuse“. Hier übergeben die Streifenpolizisten die Gefangenen. Außerdem gibt es Schließfächer, in denen die Beamten ihre Waffen deponieren. Sonst sind im Gewahrsamstrakt Dienstwaffen verboten. So soll verhindert werden, dass Gefangene darauf zugreifen können. Besonders aggressive Menschen bekommen zudem Handschellen angelegt.

Der Aufnahmeraum

Zur Durchsuchung müssen sich Neuankömmlinge an die Wand stellen.

Zwei aufgemalte Hände an der Wand und zwei Schuhsohlen auf dem Boden zeigen dem Neuankömmling, wie er sich im Aufnahmeraum aufzustellen hat. Schon vor dem Antransport werden die Festgenommenen durchsucht, hier jedoch noch einmal. Persönliche Gegenstände, vor allem gefährliche, werden ihnen abgenommen. Möglicherweise geht die Durchsuchungs-Prozedur nach dem Aufnahmeraum weiter.

Wer im Verdacht steht, sich oder andere zu gefährden, wird in der Zelle ausgezogen und akribisch auf versteckte Rasierklingen oder Betäubungsmittel gecheckt. „Inwieweit jemand durchsucht wird, ist aber immer eine Einzelfallentscheidung, die vom Delikt abhängt“, sagt Polizeisprecher Dirk Weber. Früher mussten sich sämtliche Gefangenen entkleiden, bevor sie nach Drogen oder kleinen Waffen abgesucht wurden. Diese generelle Praxis wurde geändert, nachdem eine Frau erfolgreich dagegen geklagt hatte.

Die Zellen

Gefangene bleiben meist nicht länger als eine Nacht in der Zelle.

Im Durchschnitt werden 25 Gefangene pro Tag in das Kalker Gewahrsam eingeliefert. 66 Zellen gibt es hier – fünf Sammelzellen, in denen zehn bis 20 Menschen untergebracht werden können sowie 61 zum Teil videoüberwachte Einzelzellen. „Zuerst werden die Einzelzellen belegt, dann die Sammelzellen“, so Dirk Weber. Für Betrunkene gibt es spezielle Ausnüchterungszellen mit niedrigen Betten und Verankerungen im Boden, an denen sie fixiert werden können.

Jeder „Gast“ bleibt nur für begrenzte Zeit: laut Vorschrift maximal bis zum Ende des folgenden Tages. Viele Festgenommene dürfen früher gehen. Nur in Ausnahmefällen sind zwei Nächte möglich. Etwa, wenn ein Weitertransport ins Gefängnis ansteht. Über eine Untersuchungs-Haft entscheidet ein Haftrichter, der ein eigenes Büro hat. Im Kalker Gewahrsam schieben mindestens sechs Polizei-Beamte Dienst, an Silvester werden es voraussichtlich etwa 50 sein.

Die Kleiderkammer

In Bananenkisten werden die Textilien der Kleiderkammer aufbewahrt.

Es geht nicht nur hart zur Sache in Kalk. Die Gefangenen werden auch mit Essen und Trinken versorgt. Wer besonders verwahrlost ist – und solche Gäste gibt es immer wieder –, darf sich neu einkleiden. In der Kleiderkammer des Gewahrsams gibt es auch Schuhe – alles abgepackt in zahlreichen Bananenkisten. Die Sachen werden meistens von Mitarbeitern des Polizeipräsidiums gespendet.

Kost und Zelle frei: In Nordrhein-Westfalen ist der Polizeigewahrsam kostenlos. In Niedersachsen zum Beispiel werden Gefangenen 25 Euro pro Tag in Rechnung gestellt. Die Gewerkschaft der Polizei NRW hält davon wenig. Viele Gefangene könnten das Geld ohnehin nicht aufbringen, und oft sei der Gewahrsam in allgemeinem Interesse.