AboAbonnieren

Kommentar

Kaputt, schmierig, eklig
Ex-Dombaumeisterin: Hansaring ist Kölns schlimmste Haltestelle

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Ein Eingang zum Bahnhof Hansaring.

Ein Eingang zum Bahnhof Hansaring.

Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner hat die schlimmste Bahnhaltestelle Kölns gesucht - und gefunden. Schon wieder.

Hansaring, KVB-Haltestelle und S-Bahn-Station. „Im Ernst?“, werden Sie vielleicht fragen, liebe Leserinnen und Leser. „Darüber wollen Sie schon wieder schreiben? Für wie vergesslich halten Sie uns eigentlich?“

Tatsächlich ist es gerade einmal zwei Jahre her, dass ich der „Haltestelle des Grauens“ zuletzt eine Kolumne gewidmet habe – die dritte zum gleichen Thema. Aber als ich kürzlich irgendwo hörte, es werde der verkommenste Bahnhof Nordrhein-Westfalens gesucht, da hatte ich sofort einen heißen Anwärter auf diese mehr als zweifelhafte Auszeichnung im Sinn.

Im Qualitätsranking unter 200 Stationen auf Platz 6 - von unten

Vielleicht war aber auch nur jemandem wieder eingefallen, dass die Haltestelle Hansaring im aktuellen Qualitätsranking des Mobilitätsverbunds „Go Rheinland“ unter 200 untersuchten Stationen auf Platz 6 rangiert. Von unten, versteht sich. In Köln schneiden nur noch die Stationen West und Ehrenfeld schlechter ab.

Also habe ich mich auf den Weg gemacht, um nachzusehen, ob sich am Hansaring tatsächlich nichts verändert hat. Schließlich wäre das Leben gar zu schrecklich ohne einen Rest Optimismus, gerade in Köln. Als ich jedoch mein Ziel erreichte, ging es mir direkt wie in Dantes „Inferno“, wo am Eingang zur Hölle der berühmte Satz steht: „Die ihr hereinkommt, lasst alle Hoffnung fahren.“ Es hat sich wirklich und wahrhaftig rein gar nichts getan.

Mit einem Wort: „Igitt!“

Auf der Straßenebene der Haltestelle und im Treppenbereich zur oberirdischen Gleisanlage sieht es aus wie eh und je. Mit einem Wort: ekelhaft. Die Seiten der Rolltreppe zur S-Bahn schmierig und von Taubenkot verkleckert, das Haltestellenschild in Splittern, mit Graffiti und Aufklebern übersät. Die Laternen mit den kugeligen Gläsern können, wenn sie nicht sowieso defekt sind, schon lange niemandem mehr geleuchtet haben, der willens gewesen wäre, ihnen einmal Putzwasser angedeihen zu lassen.

Das Gleiche gilt für die Glasbedachung über den Treppen zu den KVB-Gleisen. Die Scheiben sind vor Dreck so blind, dass sie beinahe als Milchglas durchgingen. Und natürlich haben auch hier die Tauben ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen. Bei meiner Ankunft an der Haltestelle kam gerade eine Mutter mit Kinderwagen aus dem Aufzug, sah sich kurz um und gab nur ein Wort von sich: „Igitt!“

Kaputte Räder in verschmierten Fahrradständern.

Kaputte Räder in verschmierten Fahrradständern.

Dem kann ich mich nur anschließen. Nach wie vor ist es mir unbegreiflich, wie die Stadt und die Deutsche Bahn einen so stark frequentierten Ort im öffentlichen Raum dermaßen verkommen lassen können. Ganz abgesehen davon, dass es um das ursprüngliche schicke Konzept aus dem Jahr 1990 jammerschade ist. „Das Ganze ist eine mit Fantasie gebaute, fröhliche, bunte Metall- und Glaswelt“, heißt es zur Station Hansaring in meinem Buch „Linienführung“ über die Kölner Straßenbahn-Haltestellen. „Auffallend sorgfältig gestaltet und mit vielen guten Details.“ Das stimmt. Aber dann kommt ein Satz, bei dem ich heute rot werde – halb vor Zorn und halb vor Scham, weil er klingt, wie glatt gelogen: „Es macht Freude, diese Architektur zu durchschreiten.“

Der Hansaring-Ekelfaktor ist einzigartig

Nein und nochmals nein! Erfreulich ist hier am Hansaring wirklich gar nichts mehr. Abgesehen vom Zustand der Gleisanlage im Untergeschoss: Da machen die Reinigungstrupps der KVB sehr manierliche Arbeit. Aber schon an den Aufgängen ist es damit halt wieder vorbei.

„Graffiti muss man in der Großstadt hinnehmen“, könnten Sie sagen. Und: „Gegen die Taubenplage lässt sich wenig ausrichten.“ Mag sein, mag alles sein. Tatsächlich ist es den Taubenfreunden nicht gelungen, die „Ratten der Lüfte“ von ihren Sitzplätzen am Hansaring wegzulotsen. Aber wenn man sie schon nicht loswird, dann muss man halt notgedrungen ihren Mist beseitigen. Es sei denn, es ist einem alles sch…egal.

Besondere Details gehörten zu dem ursprünglichen Konzept aus dem Jahr 1990. Diese sind heute verdreckt und vernachlässigt.

Besondere Details gehörten zu dem ursprünglichen Konzept aus dem Jahr 1990. Diese sind heute verdreckt und vernachlässigt.

Ich bin übrigens nach meinem Ortstermin eigens noch ein bisschen herumgefahren: Ebertplatz, Friesenplatz – auch keine Elite-Halte, beide ein bisschen schmuddelig und weit entfernt von klinisch rein, aber eben doch in halbwegs erträglichem Zustand. Jedenfalls längst nicht dieser Hansaring-Ekelfaktor.

Warum also der Hansaring? Ist er der Verantwortungsverschiebebahnhof, auf dem Stadtreinigung, KVB und Deutsche Bahn unentwegt umeinander herum und aneinander vorbei manövrieren? Und warum nur findet sich weit und breit keiner, der einfach mal sagt: „Jetzt reicht’s! Wir setzen uns zusammen, und dann tun wir was. Denn so kann es nicht bleiben.“ Ist das in dieser Stadt wirklich schon zu viel verlangt?