Was von den historischen Festungsanlagen übrig ist, bezeichnet Barbara Schock-Werner als Trauerspiel der Kölner Stadtgeschichte.
FestungsanlagenEx-Dombaumeisterin beklagt erbärmlichen Zustand der Kölner Forts
Durch den zähen Streit über Vergabe und Nutzung des ehemaligen preußischen Forts X am Nordrand des Agnesviertels rücken die erhaltenen Reste der Kölner Stadtbefestigung aus dem 19. Jahrhundert immer wieder einmal ins breite Bewusstsein. Zudem hat sich der Verein „Fortis Colonia“ mit den „Kölner Festungstagen“ Mitte August um Aufmerksamkeit für diesen Teil Stadtgeschichte und Militärhistorie bemüht. Leider ging die verdienstvolle Aktion in der Fülle der Angebote zum parallel veranstalteten „NRW-Tag“ ziemlich unter. Trotzdem fanden sich Interessierte, die sich gerne auf Spurensuche begeben haben.
Auch ich habe mich animiert gefühlt, nach längerer Zeit einmal nachzuschauen, was eigentlich die „steinernen Zeugnisse“ machen, von denen Henriette Reker als Schirmherrin der Festungstage in ihrem Grußwort schrieb.
Was von Fort IX übrig ist, ist ein Trauerspiel
Eines gleich vorneweg: Ohne die bestimmungsgemäß „robuste Bauweise“, die Reker rühmt, wäre es um die ehemaligen Wehranlagen ganz, ganz miserabel bestellt. Zugegeben, ich habe nicht alle abgeklappert, und bei einigen Festungswerken möchte ich den guten Zustand ausdrücklich loben. Das gilt zum Beispiel für Fort VI in Lindenthal, Teil des äußeren Festungsgürtels, der nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) von 1872 bis 1880 errichtet wurde. Was aber zum Beispiel vom Fort IX im Rechtsrheinischen übrig ist, das ist schon ein Trauerspiel.
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Nur mit einer Portion Abenteurerlust gelange ich überhaupt in die Nähe meines Ziels. Wo sich denn wohl der Zugang zum Fort IX befinde, frage ich einen Schrebergärtner auf seiner Parzelle entlang der Schienen zum Gremberger Rangierbahnhof. „Gibt keinen“, kommt es zurück, knorrig, aber nicht unfreundlich. „Sie können sich ja durch eines der Löcher im Zaun zwängen. Nur rechnen Sie gleich mit der Polizei! Nicht dass ich die hole. Aber die sind öfter da.“
Darauf lasse ich es ankommen. Über einen Haufen Pferdemist, durch Brennnesseln und Brombeergestrüpp arbeite ich mich vor bis zu den kläglichen Resten des Forts. Es habe, lese ich, schon im Zweiten Weltkrieg schwere Treffer abbekommen. Heute sei es „der Sprengkraft des Wurzelwerks“ ausgesetzt. In der Tat. Besonders bizarr: Das Areal ist offenbar beliebt bei Geisterjägern. Das, hatte ich geglaubt, sei das Privileg von Fort IV in Bocklemünd, das mal als Kulisse für den Horrorfilm „Creep“ diente. Aber man lernt ja nie aus.
Von Geistern unbehelligt, aber geplättet
Von Geistern unbehelligt, aber als Liebhaberin historischer Architektur doch ziemlich geplättet, setze ich meine Tour nach Westen über den Rhein fort. Ganz in der Nähe der Rodenkirchener Brücke liegt das Zwischenwerk VIII b, einer der kleineren befestigten Stützpunkte zwischen den großen Forts.
In der Literatur wird es heute als „das am besten erhaltene Festungswerk aus preußischer Zeit“ gepriesen. Wenn Sie von der Rheinuferstraße über den Zubringer zur Stadtautobahn A 555 nach Bonn oder in die Gegenrichtung fahren, können Sie den optisch markanten Bau nicht übersehen.
Im Innenraum ist heute ein kleines Festungsmuseum untergebracht. An zwei Sonntagen im Monat finden hier auch Führungen statt. Während der Eingangsbereich recht ordentlich gepflegt ist, wird der Verfall schon wenige Meter weiter offensichtlich. Die Mauern sind in ausgesprochen schlechtem Zustand. Wucherndes Gestrüpp, eine verrutschte Abdeckplane und windschiefe, verzogene, teils vom Unkraut überwachsene Bauzäune verstärken den Eindruck dauerhafter Vernachlässigung und fortschreitender Verwahrlosung.
Der längst verwilderte Ziergarten auf der Abdeckung des Festungsbaus mit einem sternförmigen Brunnenbecken in der Mitte lässt höchstens noch die Idee des legendären Kölner Gartenbaudirektors Fritz Encke (1861 bis 1931) aus den 1920er Jahren ahnen. Ich kann Ihnen das übrigens nur deshalb so lebhaft schildern, weil sich mein ständiger Begleiter für diese Kolumne zu einer Kraxel-Einlage aufgerafft und sich oben auf dem Zwischenwerk umgesehen hat.
Ein Aufgang, der – auch nach Auskunft eines Transparents vor dem Eingang – einst zu dem Garten geführt haben muss, ist verschwunden oder zumindest nicht mehr begehbar. Und ein ehemaliger Skulpturenpark im Graben um das Zwischenwerk ist mit einigen traurigen Überresten auch bestenfalls der schäbige Schatten seiner selbst.
Das wundert mich umso mehr, als das Zwischenwerk VIII b nach allem, was die Fachleute sagen, ein Vorzeige-Beispiel für preußischen Festungsbau sein könnte: über den Grüngürtel gut erreichbar, in der Substanz nah am Originalzustand, unbeeinträchtigt durch spätere Umnutzung oder Umgebungsbebauung. Hier ließe sich mit überschaubarem restauratorischem Aufwand und gärtnerischem Einsatz einiges erreichen.
Ein weiterer Problemfall ist Fort VII
Ein weiterer Problemfall ist dann auch das wenige Kilometer westlich gelegene Fort VII. Hier allerdings überrascht mich das kaum, weil sich das Areal im Besitz der Deutschen Bahn befindet, meiner erklärten Spitzenreiterin in Sachen Gedankenlosigkeit und wurstigem Umgang mit historischem Gemäuer. Im Zweiten Weltkrieg waren im Fort VII Zwangsarbeiter untergebracht. Noch bis in die 1990er Jahre dienten die Räume als Lager und Werkstätten für Kleingewerbe-Betriebe.
Seitdem steht das Fort leer. Eine ab 1999 geplante Rekonstruktion für eine Hotelanlage mit Wellness-Bereich scheiterte. Inzwischen sind der Eingang und alle Fensteröffnungen notdürftig vermauert – eines dieser typischen Kölner Dauer-Provisorien. Instandhaltung oder gar Pflege? Fehlanzeige! Selbst die Sperrgitter rund um das Gebäude wirken erbärmlich.
Vergleicht man den Zustand heute mit Fotos noch aus den 2010er Jahren, wird auf einen Blick deutlich, wie schnell der Verfall voranschreitet. Dabei lassen zumindest die hochfliegenden Überlegungen für eine Nutzung als Edelherberge darauf schließen, dass mit der Bausubstanz etwas anzufangen wäre.
Es braucht eine Grundsatz-Entscheidung
Nach diesen Eindrücken aus dem Kölner Süden scheint mir eines klar: Es braucht eine Grundsatzentscheidung: Wie will die Stadt Köln mit den Relikten ihrer Befestigungsanlagen umgehen? Man wird wahrscheinlich nicht alle restaurieren können. Manche Teile müssen vielleicht – wie Fort IX – wirklich der Natur und den Geistern überlassen werden. Aber welche anderen sollen erhalten werden? Und welche Formen der Nutzung könnten den Bestand dauerhaft sichern? Beispiele wie das erwähnte Fort VI mit dem romantisch-verwunschenen Felsengarten im äußeren Befestigungsring machen deutlich: Perspektivisch ist einiges möglich.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, und das Wünschen ist schließlich gerade in Köln erlaubt, dann sollten sich kundige Menschen etwa von „Fortis Colonia“ und vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege einmal in Ruhe mit dem Stadtkonservator und dem Liegenschaftsamt zusammensetzen. Ein Arbeitskreis ist offenbar auch schon angedacht. Höchste Zeit, dass er tätig wird! Ein langfristiger Sanierungs- und Pflegeplan für das Kulturerbe Kölner Forts ist jedenfalls dringend notwendig.
Lektüretipp
Henriette Meynen (Herausgeberin): Die Kölner Stadtbefestigungen. Einzigartige Zeugnisse aus Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit, Regionalia Verlag, 300 Seiten mit vielen Abbildungen und Karten, 39,95 Euro.