Es existieren unzählige kölsche Karnevalslieder – doch wann gab es offiziell das Erste? Unsere Autorin hat nachgeforscht.
Musikalische ZeitreiseAls Köln sein erstes Karnevalslied auf Kölsch bekam
Wie viele kölsche Karnevalslieder es gibt, vermag niemand zu sagen. Schon die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen lässt sich kaum fassen. Aber wir kennen das allererste Lied auf Kölsch, das 1825 speziell für den Karneval getextet wurde. Der Autor Matthias Joseph de Noël gehörte zu den Reformern des Karnevals 1822/1823. Er war ein angesehener Kaufmann, Maler, Kunstsammler und Schriftsteller. Der Text liest sich 200 Jahre später etwas sperrig, fast wie in einer fremden Sprache geschrieben. Er enthält etliche vergessene kölsche Ausdrücke und lässt sich inhaltlich nur verstehen, wenn man sich in die Karnevals-Session 1825 zurückversetzt.
Text alter Lieder ist erhalten geblieben
„Für Köln war es die dritte Auflage des Maskenzuges. In Düsseldorf ging der erste Zug“, sagt Günter Schwanenberg, Musiker, Stadtführer und Köln-Kenner. Ihm ist es zu verdanken, dass dieses frühe Karnevalslied allmählich wieder bekannter wird. „Es gibt aus dieser Zeit ja keine Tonaufnahmen, aber der Text ist erhalten geblieben.“ Hören können wir „Alaaf et kölsche Drickestum“ dennoch. Es wurde für das Musikprojekt der Kreissparkasse Köln „Kölsche Heimat“, Ausgabe 8/2023, erstmals im Studio aufgenommen. Produktion Michael Kuhl, Gesang und Gitarre Günter Schwanenberg.
Bei der Reform vor mehr als 200 Jahren ging es nicht nur darum, den aus dem Ruder gelaufenen Karneval wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Die Herren des Neuanfangs wollten dem Volksfest eine solide Basis verschaffen. Neu war: Es wurde ein Festordnendes Comitée geschaffen. Es gab einen gut organisierten Zug, den Maskenzug mit dem Helden Carneval an der Spitze. Um den Zug zu finanzieren, wurde ein großer Ball im Gürzenich veranstaltet.
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Choreografierter Maskenzug
Geordnet bedeutet vor allem, dass der Maskenzug einer Choreografie folgte. Er hatte ein Motto und einen Zugweg. Zentraler Festplatz war der Neumarkt. 1823 ging es los mit „Die Thronbesteigung des Helden Carneval“, 1824 lautete das Motto „Besuch der Prinzessin Venetia beim Helden Carneval“. 1825 trug der Zug den Titel „Sieg der Freude“. Genau darum geht es in dem Lied „Alaaf et kölsche Drickestum“.
„De Noël ist mit dem Lied etwas Großartiges gelungen. Er greift mit Feinsinn und Humor ein politisches Thema auf und trifft den Zeitgeist auf den Punkt. Er hat damit auch das erste Mottolied in die Welt gesetzt“, sagt Günter Schwanenberg. Eins, das man für heutige Ohren übersetzen muss. „Das kölsche Drickestum steht für die kölsche Lebensart und Mentalität. Und ist damit das Gegenteil des Preußentums. De Noël schreibt aber nicht ,nieder mit den Preußen’, sondern ,Alaaf et kölsche Drickestum’.“
Vier Züge zogen sternförmig zum Neumarkt
Das Rheinland und damit Köln fielen 1815 an das Königreich Preußen. Sie blieben bis 1871. Zuvor regierten die Franzosen in Köln. Von Matthias de Noël stammte auch das Drehbuch für den Maskenzug. Es sah vor, dass der Held Carneval zu Besuch in Venedig ist. Fatalerweise war damit die Stadt für ein paar Tage „den dunklen Mächten aus dem Neid- und Sauerland“ schutzlos ausgeliefert. Das Schauspiel sah vor, dass vier Züge sternförmig zum Neumarkt zogen. Die Rollen waren klar verteilt: Es gab die Verbündeten, die Vermittler, die Feinde und den kölnischen Zug mit den Heroen der Stadt. Dabei spannte man den Bogen recht weit, aufgeboten wurden Prominente aus allen Jahrhunderten.
„Diese kölnische Gruppe war besonders krass. Da zogen die Figuren aus dem Hänneschen-Theater, Peter Paul Rubens, Jan von Werth, Adam Schall von Bell, Matthias Overstolz und Till Eulenspiegel mit. Zum ersten Mal tauchten der Kölsche Bauer mit den Stadtschlüsseln und dem Dreschflegel sowie ein Mauerwagen mit der kolossalen Statue der Kölnischen Jungfrau auf“, erklärt Günter Schwanenberg.
Rote Funken führten Zug der Widerständigen an
Dieser Zug der lokalen Widerständler wurde von den Roten Funken angeführt. Deren Einsatz war bemerkenswert. Weil „et Funken-Batalljon nit wie nen Has avkratzte“, sondern „opstund, un wider-satzte“. Die kölnische Gruppe wurde unterstützt von Vertretern aus der Gascogne, Rom und - welch’ Überraschung - aus Schöppenstedt in Niedersachsen und aus der antiken Stadt Abdera.
Gekämpft wurde nicht, aber geschickt verhandelt. Das Lied „Alaaf et kölsche Drickestum“ endet mit der Strophe „Triump! Et wohr e Meisterstöck“. Da der Held Carneval rechtzeitig aus Venedig zurückgekehrt war, wurde auf dem Neumarkt „Der Sieg der Freude“ gefeiert: „Halt fass, halt fass, do Kölsche Boor, et Stadt-Paneer (Stadt-Banner) soll levven“. Lied aus.
Günter Schwanenberg ist Personalentwickler in der Kölner Stadtverwaltung. Er begeistert sich für historische Themen und Musik. „Ich erzähle die Kölner Stadtgeschichte, indem ich die kölschen Karnevals- und Volkslieder als Quellen nutze. Ich suche in historischen Liedern des 19. Jahrhunderts nach Geschichten und Ereignissen aus der Stadtgeschichte, die im folgenden Jahr im Karneval eine Rolle gespielt haben. Mein Ziel ist es, auf diese Weise ein musikalisches Geschichtsbuch Kölns zu erstellen.“