Seit 2018 ist die Stattgarde Mitglied des Festkomitees Kölner Karneval. Sie setzt auf Toleranz und Integration im Karneval.
Zuhause des Kölner DreigestirnsTraditionell und unkonventionell – Das ist die Stattgarde Colonia Ahoj
Das Motto der Session 2002/2003 lautete: „Klaaf un Tratsch - auf Kölsche Art“. Gut vier Wochen nach Rosenmontag, der in dem Jahr auf den 3. März 2003 fiel, trafen sich zwölf Karnevalsbegeisterte in der Kneipe „Bürzel“ in der Martinstraße zum Fastelovends-Klaaf. Sie kannten sich von diversen Veranstaltungen und Formaten aus dem schwul-lesbischen Karneval. Flaggschiff war damals die „Rosa Sitzung“, die es seit 1995 gab.
Die Zwölf wollten mehr. Nicht nur während der Session sichtbar sein, sondern einen eigenen Karnevalsverein gründen. Nicht in einer jecken queeren Parallelwelt, sondern ganz nah am traditionellen Karneval. 22 Jahre später sind alle Scheinwerfer auf die Stattgarde Colonia Ahoj gerichtet. Schräg gegenüber des Gründungsortes, im Gürzenich in der Martinstraße, wurde mit Prinz René I., Bauer Michael und Jungfrau „Marlis“ das erste Dreigestirn aus den Reihen der Stattgarde Colonia Ahoj proklamiert.
Maritimer Gedanke wird konsequent umgesetzt
„Wir leben den traditionellen Karneval, interpretieren allerdings manche Dinge unkonventioneller. Das spiegelt sich ja bereits in der Schreibweise unseres Namens Stattgarde, bewusst mit doppeltem ‚T‘, wider“, sagt Dieter Hellermann, seit 2022 als Kapitän und Präsident an der Spitze des Vereins. In Anlehnung an die Traditionskorps trägt auch die Stattgarde Colonia Ahoj Uniform. „Wir haben uns für eine Art Marineuniform entschieden.“
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Der maritime Gedanke wird konsequent umgesetzt. Der Vorstand, zu dem sechs Offiziere gehören, heißt Brücke. Die einzelnen Abteilungen sind Beiboote und teilen sich in Stammboot (alle Crew-Matrosen, die nicht singen, tanzen oder ein Instrument spielen), Bordkapelle, Shanty-Chor, Tanzkorps und Sonnendeck (Aktive, die etwas kürzertreten möchten) auf. Der Förderverein trägt den Namen Reederei.
Gefeiert wird bei Jeck op Deck, beim Captains-Dinner, der Matrosenparty, beim Kajütenklatsch oder bei der Damenparty. Von der Idee her ist das eine klassische Mädchensitzung, bei näherem Hinsehen sind viele der prächtig herausgeputzten Damen Herren. Mittlerweile schreiten die Ladys mit ihrem hochhackigen Schuhen die Treppen in der Wolkenburg empor.
Bei der ersten Damenparty feierte Nikuta mit
Die ersten Damenpartys fanden in der Kneipe „Pittermännchen“ im damaligen Millowitsch-Theater statt. Auf der Kegelbahn. Mittendrin feierte Marie-Luise Nikuta mit. Sie trat als erste Künstlerin aus dem traditionellen Karneval bei der Stattgarde auf. Sie schrieb auch das Vereinslied „Wir sind die Stattgarde Colonia Ahoj“ und war das erste Ehrenmitglied des Vereins.
Nur bei der Stattgarde gibt es das „Ursula-Böötchen“ für die Jungfrauen der jeweiligen Dreigestirne. „Wir feiern die Jungfrauen der Dreigestirne ja besonders. Sie werden automatisch Ehrenmitglieder bei uns und sind zu unseren Veranstaltungen eingeladen“, sagt Kapitän Hellermann. Platz genug ist in dem Boot. Die Stattgarde orientiert sich mit dem „Ursula-Böötchen“ an der Hl. Ursula, die hatte der Legende nach 11 000 Jungfrauen als Gefolge dabei.
300 uniformierte Mitglieder, etwa 15 Prozent Frauen
Seit 2018 ist die Stattgarde Ordentliches Mitglied im Festkomitee Kölner Karneval (FK). Der Verein hat derzeit 300 uniformierte Mitglieder, davon etwa 15 Prozent Frauen. Dazu kommen ungefähr 400 Fördermitglieder/Passagiere, da ist das Verhältnis Männer und Frauen 50:50. Bei den Uniformierten haben nach Auskunft von Hellermann nahezu 90 Prozent einen queeren Hintergrund. „Wir wollen alle mitnehmen. Es muss natürlich passen, das ist so wie in anderen Vereinen auch.“
Und dann ist da noch die Sache mit Karl-Heinz. Der Nubbel der Stattgarde. Der wird nicht verbrannt, sondern nach Seemannsart am Karnevalsdienstag versenkt. Auch schon mal in einem großen Fass. Am Elften-im-Elften erwacht er gut konserviert und taufrisch wieder. Der große Vorteil dieser Zeremonie: Sie ist nachhaltig. Karl-Heinz trägt als Crewmitglied Uniform. Die soll nicht in Flammen aufgehen, sondern getrocknet, gereinigt und gebügelt werden.
Meilenstein in der Vereinsgeschichte
2009 markiert einen Meilenstein in der Vereinsgeschichte. In dem Jahr trat die Stattgarde auf Einladung des damaligen Festkomitee-Präsidenten Markus Ritterbach mit dem Tanzkorps auf der Proklamation des Dreigestirns im Gürzenich auf. Ein Ritterschlag für den Verein, ein mutiger Schritt des FK-Präsidenten. Es war noch nicht so lange her, da hatte Marie-Luise Nikuta harsche Kritik aus den Reihen des Festkomitees einstecken müssen, weil sie auf den Veranstaltungen der Stattgarde aufgetreten war. Das sei doch „das Allerletzte“ hatte man der Sängerin sogar schriftlich mitgeteilt. Später hatte sich die Denk- und Handlungsweise des FK im „Haus des Frohsinns“ am Maarweg gewandelt.
Die Stattgarde war gesellschaftsfähig geworden. Reif für das Publikum im Gürzenich. Auch wegen dieser Aktion wurde Markus Ritterbach 2014 der erste Preisträger des von der Stattgarde ins Leben gerufenen Hans-David-Tobar-Preises. Er wird an Personen verliehen, „die sich selbstlos für andere Menschen einsetzen oder bei gesellschaftlichen Themen mutig aufstehen und für Veränderungen kämpfen.“
Bei der Preisverleihung hieß es: Ritterbach habe sich „besonders für Toleranz und Integration im Kölschen Fasteleer verdient gemacht und auch die öffentliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit im Kölner Karneval mit initiiert.“ Die Idee zu dem Preis stammt von Aaron Knappstein, seinerzeit Offizier bei der Stattgarde, heute Präsident der „Kölschen Kippa Köpp“. Der Kölner Hans David Tobar war ein bekannter Karnevalist. Der Jude musste mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten fliehen. Er emigrierte 1939 nach New York. Nach Köln kehrte er nicht mehr zurück.