Ihre Lieder werden so gefeiert wie selten zuvor. Marie-Luise Nikuta wäre stolz. Ihre Tochter ist es.
Jecke feiern Marie Luise NikutaDreigestirn verhilft Kölner Mottoqueen zum posthumen Comeback
Wie sehr sie sich gefreut hätte, weiß jeder, der sie kannte. Diesen Beifall zu erleben, wäre mehr als eine Genugtuung für Marie-Luise Nikuta. Wenn das Dreigestirn bei seinen Auftritten das Medley der verstorbenen Mottoqueen singt, dann stimmen die Jecken beseelt mit ein: „E paar Grosche för Ies“, „Fastelovend em Blot“ oder Nikutas Vorschlag, mit der „Stroßebahn noh Hus“ zu fahren.
Das war nicht immer so. Genau genommen hat es diese Wertschätzung für die zierliche Frau mit der roten, auftoupierten Haarpracht Zeit ihres Lebens nur selten gegeben. „Wenn die auftritt, dann singen im Foyer die Hektoliter“, war einer dieser Sprüche, die man in den 1990er Jahren im Kölner Karneval öfter hörte. Wurde Marie-Luise Nikuta angekündigt, strömten viele Besucher Richtung Theke oder Toilette. Im Saal gab es sogar Pfiffe. Doch die Sängerin ließ sich äußerlich nichts anmerken, zog ihr Programm stets professionell durch.
Kölner Dreigestirn feiert die Songs von Marie-Luise Nikuta
Dass sie im Herbst ihrer Karriere eine neue Fangemeinde im schwul-lesbischen Karneval fand, passt zur Nikuta. Ob Pink Poms, Rosa Funken oder beim Christopher Street Day: Die queere Community schätzte die Offenheit und Kraft der Sängerin, zumal es Parallelen gibt: So wie es als Frau alles andere als einfach war, sich in der Männer-Domäne Karneval durchzuboxen, gab es in konservativen Karnevalskreisen Vorbehalte gegen Gesellschaften wie die Stattgarde Colonia ahoj.
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„Als ich 2012 zur Stattgarde kam, habe ich sofort die enge Bindung zu Marie-Luise erlebt. Von Anfang an hat sie die Gesellschaft mitgeprägt“, sagt Hendrik Ermen, der Marie-Luise Nikuta zu Ehren als Jungfrau Marlis durch die Säle zieht. „Sie hat unser Einzugslied komponiert und uns als Gesellschaft an die Hand genommen. Sie hat uns im Fastelovend viele Türen geöffnet – bis hin die zum Dreigestirn. Ohne sie würden wir wohl kaum hier stehen.“
Mit ihrer frühen und konsequenten Unterstützung der Stattgarde Colonia Ahoj hatte sich die Sängerin nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil. In der WDR-Dokumentation „Marie-Luise Nikuta - Die kölsche Mottoqueen“ erzählt die Sängerin, dass ihre Besuche bei Veranstaltungen im queeren Karneval damals wütende Reaktionen ausgelöst hatten. Das Festkomitee habe sich sogar schriftlich empört und gemeint, wie man auf die Idee kommen könne, zu so was hinzugehen. Das sei doch das Allerletzte.
Ähnlich habe sich eine Lehrerin ihrer Tochter am Telefon geäußert. O-Ton Marie-Luise Nikuta dazu: „Der Frau habe ich gesagt, sie soll sich um ihren eigenen Mist kümmern. Den FK-Brief habe ich komplett ignoriert. Das war mir egal.“
Egal war ihr auch, was damals die Riege der männlichen Kollegen ablästerte, als sich die gelernte Versicherungskauffrau nach der Geburt ihrer Tochter Andrea ab 1968 der professionellen Musikerkarriere widmete. Ihr Ehemann Willi unterstützte sie dabei und galt als ebenso modern, wechselte er doch hinter der Bühne die Windeln, während Marie-Luise Nikuta nach und nach zur festen Größe im Kölner Fasteleer aufstieg: Kaum hatte das Festkomitee das nächste Karnevals-Motto verkündet, komponierte und textete sie das Lied dazu. 43 Motto-Lieder stammen aus ihrer Feder, hinzu kommen mehr als 170 andere Kompositionen.
Das Dreigestirn der Stattgarde hat der Mottoqueen nicht nur zu einem posthumen Comeback verholfen. Prinz René, Bauer Michael und Jungfrau Marlis sammeln in der Session Spenden zur Förderung des Vereins „Leeve un Leeve Losse, Freundeskreis Marie-Luise Nikuta & Förderkreis Kölnischen Liedgutes“. Dieser erinnert mit einem kleinen Beet am Rudolfplatz an das Ehrenmitglied der Stattgarde.
Perspektivisch möchte man die Fläche in „Marie-Luise-Nikuta-Platz“ umbenennen. „Mein Lieblingslied ist der Straßenbahn-Song“. Und die Straßenbahnen fahren ja auch an dem kleinen, noch namenlosen Plätzchen am Rudolfplatz vorbei“, sagt Bauer Michael. „Und warum kein Denkmal?“, fragt Jungfrau Marlis. „Das hat bei Berbuer, Millowitsch und Süper ja auch schon funktioniert. Und wer 50 Jahre lang Motto-Lieder schreibt, der hat das auch verdient.“
Worte, die Marie-Luise Nikuta wohl gefallen würden. Die Mottoqueen werde sie immer bleiben, legte sie sich 2003 in einem Interview fest. „Diesen Titel habe ich mir hart erarbeitet. Das, was ich erreicht habe, muss mir erst mal einer nachmachen.“
Darüber hinaus will der Nikuta-Freundeskreis mit weiteren Spendengeldern des Dreigestirns einen Künstlerpreis ausloben, mit dem die Nachwuchsarbeit rund um die kölsche Sprache und das kölsche Liedgut hervorgehoben werden soll. „Es wäre schön, auf diesem Weg eine neue Marlis zu finden“, sagt Prinz René zum Vorhaben. Die Mottoqueen, die an Veilchendienstag 2020 im Alter von 81 verstarb, habe für gelebte Offenheit und gelebte Toleranz gegenüber allen Menschen gestanden.
Das zweite Projekt, das durch das Dreigestirn angestoßen wurde, ist ein „Karnewald“. Dieser soll durch die Spendengelder zusammen mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Köln e.V. im Kölner Stadtgebiet angepflanzt werden. Mit Blick auf den Klimawandel stehen dabei heimische Baumarten im Fokus, die besonders gut mit Trockenheit zurechtkommen.
Das Engagement des Dreigestirns ist vor allem die Tochter der Sängerin sehr bewegend. „Die Wahl zum Sozial-Projekt des Dreigestirns ist eine große Ehre für uns“, sagt Andrea Nikuta-Meerloo, die auch Mitglied im Förderverein ist. „Ich persönlich bin total gerührt und auch ein wenig stolz darauf, dass das diesjährige Dreigestirn meine 2020 verstorbene Mutter so wertschätzt und die Erinnerung an sie wachhält.“ Das habe mit der Jungfrau und der Wahl des Namens „Marlis“ begonnen, und setze sich nun mit dem Spendenprojekt fort.
Und: „Vielleicht wird erst jetzt etlichen Leuten klar, was diese kleine Frau im und für den Karneval bewirkt hat. Ich denke da vor allem an die, die sie häufig herabsetzend und respektlos behandelt haben.“