Am Elften im Elften ist ganz Köln eine Party, auf dem Heumarkt wurde traditionell die Sessionseröffnung gefeiert.
Um 11.11 Uhr zog der Regen abHoffnungsträger Karneval – Köln feiert Sessionsauftakt auf dem Heumarkt
Echte Liebe zeigt sich ja vor allem dann, wenn es unschön und schwierig wird. Wenn man diesen Maßstab anlegt, ist der Kölner Heumarkt zum offiziellen Sessionsstart übervoll mit echter Liebe: Denn obwohl es kontinuierlich vor sich hin regnet und usselt, zieht es an diesem Elften im Elften rund 12.000 Jecke auf den Heumarkt und mehrere tausend weitere in die umliegenden Straßen der Altstadt. Parallel dazu feiern im Kölner Uni-Viertel sogar mehrere zehntausend Menschen, ebenso wie im Tanzbrunnen.
Sessionseröffnung 2024: Um 11.11 Uhr hört der Regen auf
Absolutes Top-Accessoire auf dem Heumarkt an diesem Vormittag: der Regenponcho. Zumindest bis 11.11 Uhr, denn pünktlich zum Start in die Session verzieht sich der Regen. „In Köln ist ja auf vieles kein Verlass, aber aufs Wetter schon“, kommentiert Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
Etwa eine Stunde zuvor hatten Prinz René I. (René Klöver), Bauer Michael (Michael Stamm) und Jungfrau Marlis (Hendrik Ermen), das designierte Trifolium, ebenso wie das Kinderdreigestirn seinen ersten Auftritt vor kleiner Kulisse: Beim Empfang von Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Historischen Rathaus gestand Prinz René, dass „die Vorfreude und Anspannung minütlich steigen“. Seine beiden Mitstreiter betonten, dass man für Respekt, Vielfalt und Toleranz stehe und diese Werte in die Karnevals-Säle tragen wolle.
Alles zum Thema Henriette Reker
- Reker schlägt zwei Frauen vor Neue Leitungen für Kulturamt und zwei Museen
- 7000 Mitarbeitende betroffen Stadt Köln streicht Zuschuss zum Deutschlandticket
- Fehlende Grundstücke Stadtentwickler präsentieren Konzept für Gewerbeflächen in Köln
- Sparzwang Ist das schon das Aus für den Tanz an Städtischen Bühnen in Köln?
- Ab Januar 2025 Anja Flicker ist Kölns neue Bibliotheksdirektorin
- Eintrag ins Gästebuch der Stadt Köln Henriette Reker würdigt Leistungen der Para-Athleten in Paris
- Trauerhalle und Blumenhandlung dicht Der Eingang zu Kölns berühmtestem Friedhof sieht erbärmlich aus
Reker: Weltoffenste Session, die der Kölner Karneval je gefeiert hat
Davon ist auch Kölns Stadtoberhaupt überzeugt: „Wir eröffnen heute wahrscheinlich die weltoffenste Session, die der Kölner Karneval je gefeiert hat.“ Damit spielte Henriette Reker nicht auf das Novum an, dass das Dreigestirn aus drei homosexuellen Jecken besteht. „Das sollte in unserer Stadt nun wirklich eine Selbstverständlichkeit sein“, sagte Reker.
Die Weltoffenheit des Kölner Karnevals zeige sich vielmehr in der Herkunft des Trios: ein gebürtiger Bonner als Prinz, die Jungfrau kommt vom Niederrhein, der Bauer war früher im Düsseldorfer Karneval aktiv – und macht später von der Heumarkt-Bühne den dazu passenden Witz: „Darauf ein dreimal Düsseldorf…“. Schlegelmilch kontert: „Du hast eine lange Session vor dir. Das mit dem D bekommst du zurück.“
„Wir brauchen den Glauben an eine gute Zukunft“
Reker verband in ihrer Rede mit der Sessionseröffnung die Hoffnung auf bessere Zeiten: Klimawandel, Trump, Opern-Desaster und viele andere Kölner Baustellen machten es zwar nicht leicht. Aber: „Wir brauchen den Glauben an eine gute Zukunft, genauso wie wir die Kraft aller brauchen, daran mitzuwirken“, sagte Reker. Es gelte, in der Session Energie zu tanken. „Mit dieser Tankladung kölscher Kraft – da bin ich mir ganz sicher – wird es uns gelingen, diese Stadt weiter zum Besseren zu entwickeln.“
Ernste Worte richtete Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn an die Vertreter von Politik und Verwaltung: So steht das Projekt „Edelgard“ der Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt vor einer ungewissen Zukunft. Man brauche auch weiterhin ausgebildete Streetworker im Karneval. „Dieses Thema ist bei allen Kürzungen und Sparzwängen sehr wichtig. Bitte nehmen Sie das mit.“
Drei treue Besucherinnen aus dem rechtsrheinischen Köln
Kurz darauf auf dem Heumarkt: Iris und Heike sind echte Profis – sie kommen seit neun Jahren zum Sessionsauftakt hierher, seit drei Jahren ist Melanie mit dabei. Alle drei sind gelb-beponchot, alle drei glitzern auf Wangen und Lippen, rut und wieß natürlich, alle tragen selbst genähte Lappenhemden. Die drei Kölnerinnen, die aus dem Rechtsrheinischen auf den Heumarkt gekommen sind, treffen sich im Vorfeld immer in einer Gruppe von rund 40 Menschen, um die Hemden zu nähen.
Wenn ein Hemd nicht mehr sitzt, werden die Lappen in mühevoller Kleinarbeit abgetrennt, aufgebügelt und neu vernäht. So sehr die drei das große Handarbeitstreffen genießen: Am 11.11. selbst sind sie lieber in einer kleinen Gruppe unterwegs, dann sind Kölsch-Bestellungen oder Toilettengänge nicht so kompliziert, man muss nicht auf so viele Menschen achten und kann relativ in Ruhe verfolgen, was auf der Bühne passiert.
Karneval kann Menschen Halt geben
Und genau da klatschen im Viertelstundentakt Bands wie Scharmöör, Boore und Kasalla bis zum Countdown auf der Bühne ab; nach Worten der OB, von Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn und Ralf Schlegelmilch, Moderator und Präsident der Willi-Ostermann -Gesellschaft, Konfettikanonen und dem ganz großen Sessionseröffnungs-Hallo folgen viele weitere: Cat Ballou, Domstürmer, Miljö, Brings, Räuber, Höhner oder Paveier.
„In Krisenzeiten wie diesen ist der Karneval Hoffnungsträger. Gerade, wenn sich so viel verändert, ist der Karneval eine Konstante, die den Menschen Halt gibt“, sagt Kuckelkorn abseits der Bühne zum „Kölner Stadt-Anzeiger“ und schlägt damit gekonnt den Bogen zum Sessionsmotto „FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe“.
Jungfrau Marlis stimmt ein: „Wir drei hatten einen Traum: einmal Dreigestirn zu sein – und das ist jetzt wahr geworden. Glaubt an eure Träume“, appelliert sie beim Auftritt des designierten Dreigestirns an die Heumarkt-Feiernden. Und deren Antwort fällt deutlich aus: anhaltender Jubel.
Vier Menschen im Publikum hören bei diesen Worten besonders genau zu, denn Jungfrau Marlis hat einen eigenen kleinen Fanclub vor Ort: Vom Niederrhein sind Schwester Marina, Schwager Christian, bester Freund Peter samt Mann Rainer nach Köln gekommen, um dem großen Auftritt beizuwohnen. Alle sind sich sicher: Dieser Karnevals-Besuch wird nicht der letzte sein. Allerdings gilt es noch, sich ein klein wenig regional umzustellen: Christian bestellt ein Pils an der Theke, wird freundlich korrigiert – und dann natürlich mit Kölsch versorgt.