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Kölner Karnevalszugleiter im Interview„Vergessen Sie mir die Zöch nicht!"

Lesezeit 6 Minuten
Willi Stoffel

Willi Stoffel gehört seit 1974 zur Ehrengarde und war zeitweise deren Geschäftsführer

  1. Willi Stoffel arbeitet als selbstständiger Rechtsanwalt in Köln
  2. Seit sieben Jahren ist er als Zugleiter für die Schul- un Veedelszöch verantwortlich
  3. Im Interview spricht er über die Absage des Zugs, der eigentlich am 14. Februar stattfinden sollte

KölnDer Rosenmontagszug kommt in diesem Jahr mit Stockpuppen im Hänneschen-Format. Was ist mit den Schull- un Veedelszöch? Gab es da ähnliche Überlegungen? Da sind wir gleich beim Mittelpunkt des Problems: In der Wahrnehmung nach außen gelten die Schull- un Veedelszöch als ein Probelauf für den Rosenmontag. Und das sind sie ja auch, zumindest was die Logistik und die organisatorischen Abläufe der verschiedenen beteiligten Stellen angeht.

Einige denken, es sei so etwas wie der kleine Bruder des Rosenmontagszugs, ohne eigenen Charakter und Stellenwert. Aber die Schull- un Veedelszöch sind doch etwas ganz Anderes und etwas ganz Besonders. Es ärgert mich oft, dass viele Leute das nicht verinnerlicht haben. Wenn ich als Ehrengardist am Rosenmontagszug teilnehme, komme ich morgens in der Uniform an, gehe auf den Aufstellplatz und steige auf die Kutsche. Alles ist organisiert. Bei Komitee-Gesellschaften ist das genauso. Der Persiflage-Wagen steht da, die Kostüme kommen aus dem Fundus des Festkomitees. Viel mehr an Vorbereitung braucht der Jeck nicht. Die ganze kreative Arbeit liegt beim Zugleiter und beim Festkomitee.

Das ist bei den Zöch sonntags ja ganz anders.

Richtig. Die Schulen und die Veedelsvereine fangen nach den Sommerferien mit ihren Vorbereitungen an. Und deswegen war ich schon letzten August der Überzeugung: Wir können die Zöch nicht laufen lassen. Ich kann ja in zwei bis sechs Wochen nicht von Null auf Hundert gehen. Das braucht ein halbes Jahr Vorlauf, da kann ich nicht bis November warten. So ein Hänneschen-Zug ist ein ganz wunderbare Idee, aber nichts für uns. Die vorherige Idee, die Gruppen des Rosenmontagszuges einmal rund durch das Rheinenergie-Stadion laufen zu lassen, sollte auch auf uns übertragen werden. Auch das wäre nicht machbar gewesen. Es ist ja leider so, dass jede organisatorische oder logistische Entscheidung für den Rosenmontag Auswirkungen auf die Schull- un Veedelszöch hat. Eins zu Eins.

Wie war das konkret für diese Session?

Es wurde nachvollziehbar monatelang an der Idee festhalten, dass die Züge gehen. Auch wir waren anfangs festen Willens, die Zöch laufen zu lassen, wenn dies machbar gewesen wäre. In Abstimmung mit dem Festkomitee wurden verschiedene Formate diskutiert. Aber wir haben intern eine Schnittstelle. Schulen und Vereine müssen sich online anmelden. Und dieses Online-System haben wir halt erst einmal nicht geöffnet. Als wir vor den Ferien gefragt haben, wer mitgehen wolle, haben 55 Vereine – weitere sechs stehen auf der Warteliste – und 42 Schulen zugesagt. Bei Letzteren waren es ein paar weniger als sonst. Hinzu kommt noch, dass Schulzüge als „schulische Veranstaltung“ laufen. Rechtlich gesehen müssen sie sich beim Schulamt anmelden und werden von dort an mich übergeben. Auch ob Mütter in den Schulen beim Nähen und Basteln helfen oder, Väter sich mit Schülern und Lehrern am Wagenbau beteiligen dürfen – darüber kann ich nicht entscheiden, das macht die Schulbehörde.

Hat es für dieses Jahr denn Alternativen gegeben?

Doch. Es wurden wie gesagt verschiedene Alternativen diskutiert. Aber wie will ich als Veranstalter zum Beispiel die angedachten dezentralen Lösungen mit Präsentationen an 20 Punkten in der Stadt in den Griff bekommen?

Bei den verschiedenen Planungen des Festkomitees und von Zugleiter Holger Kirsch hingen also die Sonntags-Zöch immer direkt mit drin?

In der Wahrnehmung ja. Aber für mich war sofort klar, dass wir das nicht machen. Weil wir das nicht gestemmt kriegen. Das Festkomitee hat hauptamtliche Mitarbeiter, wir machen das alles ausschließlich im Ehrenamt. Alles, was da an Vorschlägen kam, haben wir ausführlich intern diskutiert. Leider war das einhellige Fazit: zu aufwendig oder nicht finanzierbar. Hinter den Schull- un Veedelszöch stehen ja die „Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums“. Trotz Fernsehgelder sind die Zöch hochdefizitär. Die Gruppen zahlen keinen Beitrag. Aber die „Freunde und Förderer“, die da jeweils einen sechsstelligen Betrag reinstecken, finanzieren ja nicht nur die Zöch, sondern auch die große Schulsitzung sowie zahlreiche Schulen und Gruppen bei Sitzungen und Umzügen in ihren Stadtteilen. Dann den Sternmarsch - für mich die schönste Open-Air-Veranstaltung im Straßenkarneval.

Die allerdings auch wegfällt.

Vielleicht nicht ganz. Noch gibt es Überlegungen, den Sternmarsch „virtuell“ durchzuführen. Gut, jetzt nicht mit den Veedelsvereinen, die zum Alter Markt ziehen, aber mit dem Dreigestirn und den Gruppen, die dort auf der Tribüne aufgetreten wären. Das ist durchaus machbar und auch ein Zeichen für die Vereine, dass es irgendwie weitergeht. Auch mit Blick auf die wegen der Sturmwarnungen im Vorjahr abgebrochenen Zöch liegt es uns am Herzen, dass die Vereine und Schulen dabeibleiben und nicht demotiviert werden.

Dabei liegt Motivation oder Demotivation nicht bei Ihnen. Sie haben den Zoch ja auch nicht abgesagt.

Aber die Entscheidung war richtig, auch wenn sie für uns sehr überraschend kam. Alle haben das akzeptiert. Bei den vereinen hieß es: Gut, dann recyceln wir Kostüme und Requisiten im nächsten Jahr. Bei den Schulen war das schwieriger. Es sind ja immer nur bestimmte Klassen, die im Zug mitgehen, und da ist das Kostüm den jeweiligen Jungen oder Mädchen auf den Leib geschneidert. Ich bin sehr dankbar, dass das Festkomitee dann am Rosenmontag diese tolle gemischte Gruppe hat mitlaufen lassen. Dennoch haben viele Vereine 2020 Geld ausgegeben für nichts. Wenn die jetzt nochmals in einem Zoch investiert hätten, der nicht geht, hätte so manche Gruppe das nicht überlebt. Das kann existenzbedrohend sein, einige stehen bereits auf der Kippe oder sind schon drüber. Viele Vereine kämpfen allein aus demografischen Gründen ums Überleben. Für diese sind die Zöch die einzige Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren und so vielleicht neue und jüngere Mitglieder zu bekommen. Und neben den Zugteilnehmern muss ich auch die 170 ehrenamtlichen Helfer bei der Stange halten.

Wie machen Sie das?

Weitgehend über die sozialen Medien sowie mit Geburtstagsgrüßen, Weihnachts- und Neujahrswünschen. Eine besondere Überraschung ist noch in der Mache. Ich möchte aber nichts verraten. Wir werden im kommenden Sommer hoffentlich deutlich mehr machen können – auch mit den Schulen und Veedelsvereinen, um wieder eine Dynamik zu entfachen. Der Ehrungsabend muss nachgeholt werden. Auch wenn die Züge ausgefallen sind, bekommen alle im Rathaus eine Teilnahme-Urkunde. Das ist für viele das Größte, einmal vorne neben Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu stehen.

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Bei den Zöch regiert also das Prinzip Hoffnung. Was wünschen Sie sich?

Dass wir alle im Fastelovend mehr darüber nachdenken, welche Auswirkungen die Schritte, die wir tun, für andere haben, denen es nicht so blendend geht wie vielen großen Gesellschaften. Der Veedelskarneval ist zwar nur eine Facette, aber eine unheimlich wichtige und von den wirtschaftlichen Zwängen her sehr fragil. Da könnten die wenigen bislang angelaufenen Patenschaften der Karnevalsgesellschaften helfen – leider ruht das Engagement derzeit. Die großen KGs haben erst einmal andere Probleme. Natürlich hat der Karneval in Köln einen wichtigen Stellenwert, aber er ist nicht das zentrale Thema, wie wir in den nächsten Monaten das Leben in der Stadt führen werden. Mein wichtigster Appell, den ich immer zum Schluss mache, ist aber: Vergessen Sie mir die Zöch nicht!