Die Kostümsitzung der Fidelen Kaufleute Köln von 1927 e.V. findet traditionell am Sonntag vor Weiberfastnacht statt – die Bläck Fööss werden in diesem Jahr erwartet, Guido Cantz, Klüngelköpp und die Räuber, so weit, so bekannt. Etwas ist jedoch ganz anders in diesem Jahr: An eben diesem Sonntag vor Weiberfastnacht wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Um 18 Uhr, wenn die Wahllokale schließen, ist die Sitzung der Fidelen Kaufleute noch in vollem Gang. Was bedeutet das für die Karnevalisten dieser oder anderer Gesellschaften?

Gemischte Gefühle vor 18-Uhr-Moment

Sitzungspräsidentin Ulla Baustian-Walter erwartet den „18-Uhr-Moment“ mit gemischten Gefühlen: „Ich kann verstehen, dass unsere Gäste sich für die Hochrechnungen interessieren“, sagt Baustian-Walter. „Aber ich hoffe, dass die Sitzung dadurch nicht gestört wird. Das wäre auch unfair den Künstlern gegenüber, die um 18 Uhr auf der Bühne stehen. Es war unmöglich, das Programm so umzubauen, dass um 18 Uhr gerade Pause ist. Das wäre natürlich am besten gewesen. Der Karneval soll die Menschen verbinden. Streit und Missgunst haben bei uns keinen Platz. Ich kann nur hoffen, dass der Wahltermin jetzt nicht regelmäßig in die Karnevalszeit fällt.“

Die Kostümsitzung der Großen Kölner beginnt auch am Sonntagnachmittag, um 16 Uhr geht es los. Sprecherin Angela Kanya-Stausberg versucht, das Ganze positiv zu betrachten: „Wir sind froh, dass unsere Sitzung nicht schon morgens startet, so können und sollen alle vorher noch wählen gehen.“ Zwischenergebnisse oder Hochrechnungen sollen nicht verlesen oder eingeblendet werden.

Zehn Minuten später Start

Die Stunker haben sich für einen anderen Weg entschieden. „Wahlen stören doch sehr in der Session, daher werden wir am Sonntag zunächst um 18 Uhr die erste Prognose auf großer Leinwand zeigen und die Sitzung dann mit zehn Minuten Verspätung starten“, schreiben die Macher. „Wir bewegen uns ja im Spannungsfeld zwischen ‚Wie sehr interessiert das die Menschen‘ und ‚Die haben ja Geld für eine normale Veranstaltung bezahlt‘“, sagt Winni Rau, Mitbegründer der Stunksitzung. „Wir schalten also quasi Jörg Schönenborn ins E-Werk in Köln, und danach trinken wir dort ein Frust- oder ein Freude-Kölsch.“

Radikal umgeworfen werden muss das Programm laut Rau nicht: „Die Nummer zur AfD stimmt in jedem Fall, unabhängig vom Wahlausgang. Wir haben eine Nummer zur FDP drin, da ist halt die Frage, ob sie im Bundestag bleiben oder rausfliegen“, sagt Rau. Entweder würden zwei Versionen vorbereitet, „oder wir lassen die Nummer weg“.

In Mülheim ist ab 17.55 Uhr Pause

Auch bei der KG Müllemer Junge ist man nicht besonders glücklich über den Termin, fällt die Bundestagswahl doch auf den Tag ihrer Großen Kostümsitzung. Allerdings passt das Timing, wie Siegfried Schaarschmidt, Präsident der Müllemer Junge, sagt: „Um 17.55 Uhr beginnt eine 50-minütige Pause, sodass die Prognose nicht das Programm stören wird“. Ab 18.45 Uhr stehe das Dreigestirn auf der Bühne, „möglicherweise kommt dann die erste Hochrechnung. Wir lassen es relativ entspannt darauf ankommen“.

Schaarschmidt ist Realist und Optimist gleichzeitig: „Die Smartphones könnten glühen, aber unser Programm wird die Stimmung hochhalten können. Einen kurzen Jubel halten unsere Tollitäten, Künstler und wir aus. Wir beabsichtigen nicht, die Wahl mit Wasserstandsmeldungen oder ähnliches ins Programm einzubeziehen.“

Wenn am Sonntag kurz nach 18 Uhr die ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl veröffentlicht werden, wird die Immisitzung gerade in die zweite Hälfte der Show starten. Die Sitzungsmacher haben einen Plan, wie sie dann verfahren wollen: Show-Frontfrau „ImmiMymmi die Erste“ werde die ersten Hochrechnungsergebnisse auf der Bühne bekannt geben, heißt es aus dem Team der Immisitzung. „Ein paar spitze Bemerkungen zur Wahl darf das Publikum erwarten: Die Immisitzung ist bekannt für Satire und Kritik mit Tiefgang und bindet gesellschaftliche und politische Themen auf unterhaltsame Weise ein.“

Sonntagmittag um 13 Uhr startet die Nippeser Bürgerwehr mit ihrer Hääresitzung – voraussichtlich ist die um kurz vor 18 Uhr beendet, so dass sich nicht die Frage stellt, wie man mit ersten Prognosen umgeht. Gedanken zu diesem Tag hat man sich dennoch gemacht, wie Schriftführer Bastian Bahl erzählt: „Wir haben im Vorfeld ein Rundschreiben an unsere Mitglieder geschickt und darauf verwiesen, dass unser Korps politisch neutral ist, aber dass wir alle dazu aufrufen, an diesem Tag ihr Wahlrecht zu nutzen. Per Brief- oder Direktwahl oder auch am Tag selbst im Wahllokal. Gern auch in unserer Uniform, aber ohne den Zierdegen, um keine Irritation auszulösen.“

Die Hochrechnungen werden dann, berichtet Bahl, im Foyer des Pullman Cologne auf Bildschirmen zu sehen sein. Eins war dem Korps wichtig: Mitglieder beziehungsweise Gäste bildeten sicher einen Querschnitt der Gesellschaft ab, „daher sind dort natürlich auch Menschen, die politisch auseinanderliegen – unsere Security haben wir dahingehend gebrieft, dass definitiv alle auch sicher in Ruhe feiern können.“

Apropos Wahlaufruf: Zu Beginn jeder Lachenden Kölnarena hat Prinz René I. die Kölnerinnen und Kölner dazu ermutigt, wählen zu gehen – wer an diesem Sonntag in die Lanxess-Arena kommt, hat zu diesem Zeitpunkt hoffentlich sein Kreuzchen schon gemacht, schließlich geht es erst um 16 Uhr los dort. Ergebnisse oder Prognosen sollen weder verlesen noch eingeblendet werden, heißt es von einem Arena-Sprecher.

Vom Festkomitee (FK) gibt es keine Empfehlungen für die ausrichtenden Karnevalsgesellschaften, wie sie mit der Bundestagswahl am Sonntag umgehen sollten. „Das bleibt jeder KG, jedem Sitzungspräsidenten selbst überlassen“, sagt FK-Sprecher Michael Kramp. Das Dreigestirn werde gegen 18 Uhr per SMS nach den Prognosen von ARD und ZDF informiert. Prinz René, Bauer Michael und Jungfrau Marlis werden dann bei einer Pfarrsitzung in Heimersdorf auftreten. Ob die Drei sich zum Wahlausgang vor Ort äußern werden? Kramp: „Auch das können sie halten, wie sie wollen.“