Die Zülpicher Straße ist der Feier-Hotspot junger Leute – eigentlich. So lief Weiberfastnacht im Zülpicher Viertel.
Weiberfastnacht in KölnZülpicher Straße im Regen – Jecke frustriert, Retter erfreut
Irgendwo zwischen sieben und neun steigt der Countdown zur Eröffnung des Straßenkarnevals an Weiberfastnacht auf der Zülpicher Straße um kurz vor 11.11 Uhr ein. „…drei, zwei, eins“ – kurzer Jubel eint die Feiernden, sie reißen die Arme hoch, fallen sich um den Hals, einer zündet ein Bengalo. Dann ebbt die Lautstärke wieder ab.
Das stete Brummen eines Polizeihubschraubers und ein Mischmasch aus Stimmengewirr, Grölerei und Musik aus den Kneipen und mitgebrachten Bluetooth-Boxen zeichnen die Stimmung. Zwischendurch zünden ein paar Chaoten ohrenbetäubend laute Böller. Der Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke, sagt am frühen Vormittag gegen 10 Uhr: „Ich bin überrascht, dass schon so viele Karnevalistinnen und Karnevalisten unterwegs sind. Wir hatten gehofft, dass das Wetter etwas mehr abschreckt.“ Zu diesem Zeitpunkt nieselt es nur leicht. „Zu Weiberfastnacht kommen die großen Mengen anders als zum Elften Elften immer etwas später.“
Zülpicher Viertel: Ausweichfläche an der Uni-Mensa verwaist
Hupkes Hoffnung sollte sich noch erfüllen, der Regen wird stärker, und der Zustrom junger Jecken stoppt schon vor dem Höhepunkt um 11.11 Uhr, die „großen Mengen“ bleiben aus. Es ist so leer am Feier-Hotspot wie selten an Weiberfastnacht. Der anhaltende Regen hat Tausende offenbar doch vom Rausgehen abgehalten. Dort, wo vor einem Jahr um 10.45 alle Zugänge dicht gemacht wurden, bleibt zu gleicher Zeit an diesem Donnerstag noch viel Platz. Die Ausweichfläche neben der Mensa, die bis zu 60.000 Menschen Platz bietet, bleibt die meiste Zeit des Tages komplett verwaist.
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Michael Neumann, Anwohner und Mitglied der Bürgervereinigung Rathenauplatz, sieht die Stimmung als entspannt an. Und: „Positiv ist, dass der Grüngürtel jetzt besser abgesperrt ist“, sagt er. Der allerdings ist heute ohnehin kaum besucht. Totale Tristesse herrscht am Nachmittag etwa am Aachener Weiher: Auf der großen Wiese, wo am 11.11. noch Tausende gefeiert haben, grast eine Gänsefamilie. Nur vereinzelte Jecke verlaufen sich heute in den Hiroshima-Nagasaki-Park. Die Wäldchen links und rechts des Hügels sowie der Weiher selbst sind erstmals mit Bauzäunen eingegittert, um eine Vermüllung zu verhindern. Abfall fällt aber kaum an. Auch die Müllcontainer, die die AWB aufgestellt hat, sind leer.
Regen zu Karneval: Feiernde verlassen Zülpicher Straße schon früh
Schon bald treten viele junge Leute entgeistert und nassgeregnet den Rückzug von der Zülpicher Straße an. „Mir ist so kalt“, hört man hier häufiger als alles andere. Julia aus Köln und Hannah aus Berlin haben den Regen allerdings gut abgepasst. „Wir sind erst um 12 Uhr los“, sagt Hannah, die ihre Freundin besucht. Weil „Karneval sein muss“ sind sie wie in den Vorjahren auf die Zülpicher Straße gezogen, obwohl die beiden 23-Jährigen das Saufgelage-Image der Feiermeile kennen. „Es ist der Hotspot“, sagt Hannah. „Es ist auch einfach lustig, dass man hier jeden ansprechen kann und jeder gute Laune hat“, sagt Julia. Von der Bühne auf dem Hohenzollernring weiß sie nichts. Aber sie könnte sich das als Alternative vorstellen, sagt sie.
Marlon und Tim sind aus Aachen gekommen. „Köln ist die Stadt mit der besten Stimmung“, sagt Marlon. Auf der Zülpicher Straße sind sie nur, weil das der kürzeste Weg zu ihrem Kumpel sei, sagt Tim. Auch das dürfte Seltenheitswert an Karneval haben: die Zülpicher Straße als Abkürzung. Die Leere der Straße bedeutet jedoch nicht, dass hier nicht getrunken wird – oft auch zu viel. Die, die es übertrieben haben, werden von Sanitätern auf Tragen weggebracht. Die Trenddroge Lachgas scheint auch im Karneval an Beliebtheit zu gewinnen, vielfach sind Jugendliche mit Luftballons und Kartuschen unterwegs.
Weiberfastnacht auf der Zülpicher Straße: Polizei und Feuerwehr melden ruhige Lage
Die Feuerwehr Köln meldet am frühen Nachmittag dennoch eine insgesamt „sehr ruhige“ Lage. An den verschiedenen Unfallhilfsstellen sowie im erstmals eingerichteten Notfallversorgungszentrum am Perlengraben herrsche nur ein „minimales Patientenaufkommen“, was aus Sicht der Retter sehr erfreulich sei. Mit Augenzwinkern sagt ein Feuerwehrsprecher: „Die Kollegen stehen da und schauen dem Regen beim Fallen zu.“
Ähnlich schildert es die Polizei: Johannes Hermanns erlebt den Straßenkarneval in Köln zum ersten Mal in der Funktion als Polizeipräsident. Er spricht von einer insgesamt ruhigen Lage für die Polizei. „Als ich eben meinen Blick über die Zülpicher Straße schweifen ließ, dachte ich: Das ist ja schon ganz schön voll hier“, schildert er. „Aber meine Kollegen haben mir versichert, dass nicht viel los ist im Vergleich zu sonst.“ Erst am späten Nachmittag steigt die Zahl der Streitigkeiten und Schlägereien, die Polizei muss häufiger eingreifen, insgesamt aber weiterhin auf niedrigerem Niveau als in den Vorjahren.
Manche Feiernde werden in der Not erfinderisch, sammeln sich unter den Brücken auf der Lindenstraße/ Ecke Zülpicher Wall und an der Luxemburger Straße, um im Trockenen zu feiern. Das jedoch führt zu Stau am Ausgang vom Feierbereich auf der Zülpicher Straße. Einige Jecke schmeißen den Zaun um, damit sie hinausgelangen und rufen dabei: „Der Zaun muss weg.“ Die Polizei muss die überforderten Sicherheitskräfte unterstützen. Sie treibt diejenigen, die unter der Brücke Party machen wollen, wieder hinaus. Auf der Zülpicher Straße lassen sich nicht alle vom Regen stören. Viele klemmen sich unter Schirme oder Vordächer, andere sind inzwischen nass bis auf die Haut und singen trotzdem weiter.
Ins Wasser gefallen sind an dieser Weiberfastnacht nicht nur leere Kurze, Teile von Kostümen und volltrunkene Jugendliche – die Eröffnung des Straßenkarnevals hätte wettertechnisch freundlicher ausfallen können. Im Gegensatz zu frustrierten Jecken dürften sich Einsatzkräfte und Anwohner allerdings über diesen Wieverfastelovend light freuen.