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Narren-Zunft, Gasthaus Esser, Kwartier LatängHier brennt heute der Nubbel virtuell

Lesezeit 6 Minuten
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Ein Eindruck aus der virtuellen Nubbelverbrennung der Wirte aus dem Kwartier Latäng.

Köln – Der Nubbel hat sich in diesem Jahr im Stadtgebiet rar gemacht. Angesichts geschlossener Gaststätten hängen nur wenige dieser Strohpuppen über den Kneipeneingängen. Und eine aufwendige Nubbelverbrennung in der Nacht zum Aschermittwoch mit lautem Geheule und Wehklagen ist wegen der Corona-Beschränkungen auch nicht zu machen. „Darauf verzichten wir in diesem Jahr. Wir wollen hier keine Leute anziehen“, sagt Dirk Schröder aus dem „Trierer Eck“. Dessen Nubbel, Hannes VII., kommt passend zur aktuellen Situation im Home-Office-Look daher. Obenrum mit Sakko und untenrum mit Jogginghose ist er Video-Konferenz gerecht gekleidet – aus der Tasche baumelt eine Mund-Nasen-Bedeckung. Und so wird Hannes VII. den Aschermittwoch überleben und im nächsten Jahr wohl erneut zum Einsatz kommen.

Mit virtueller Verbrennung an Tradition festhalten

Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen. Manche Karnevalisten und Wirte wollen - Lockdown hin, Lockdown her – dennoch an diesen liebgewonnenen Brauch der Nubbelverbrennung zum Ausklang der Session festhalten. Schließlich reicht diese Tradition - nach dem Volksglauben werden mit dem Nubbel alle in der Karnevalszeit begangenen Sünden, Schandtaten und Verfehlungen getilgt – im Rheinland bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück. Und auch zu Corona-Zeiten braucht der Jeck einen Sündenbock, der alle Schuld auf sich nimmt. Allerdings gibt es die Verbrennungszeremonie sowie die zugehörige Trauerrede weitgehend nur als virtuelles Format im Internet. Da wird dann am Dienstagabend auf den jeweiligen Facebook-Seiten und bei Youtube ins Netz gestellt, was schon Tage zuvor Corona-gerecht mit Hygiene- und Abstandsregeln gefilmt und aufgezeichnet wurde.

Pater Muffisch (Harald van Bonn) predigt vor dem Gasthaus Esser in Ehrenfeld.

„Wollen wir die Leute dieses Jahr im Stich lassen? Nein, wollen wir nicht!“

So in der Vorwoche am „Gasthaus Esser“ in Ehrenfeld. „Sonst tanzen hier an den tollen Tagen hunderte Gäste“, sagt Wirtin Iris Giessauf hörbar wehmütig. Und zur Nubbelverbrennung kommen fast doppelt so viele Leute hinzu, als vorher in der Kneipe gefeiert haben. Das weiß auch Harald van Bonn, der zur Loss mer singe-Initiative zählt und als „Pater Muffisch“ alljährlich die Zeremonie leitet. „Deshalb haben wir uns gefragt: Wollen wir die Leute dieses Jahr im Stich lassen? Nein, wollen wir nicht!“ Und so lag der von Giessauf selbstgebastelte Nubbel in einer Ecke bereit, in der Kinderkleidung ihrer Tochter „und extra mit einem USA T-Shirt“, so die Wirtin. „Er ist dieses Jahr ein bisschen kleiner als sonst.“ Van Bonn, der sich bei Minusgraden die Priesterkutte über den Wintermantel gezogen hatte, bot eine 20-minütige kölsche Reimrede. Der Nubbel habe zwar im letzten Jahr so einiges verbrochen, aber „er ist nicht alles Schuld“, sagt van Bonn. „Corona ist Corona, da hat keiner sonst dran Schuld.“ Deshalb heißt es im ersten Teil der Rede auch „Corona Schuld“ und nicht „Nubbel Schuld.“

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Iris Giessauf mit ihrem selbstgebastelten Nubbel am Gasthaus Esser.

Bevor Wirtin Giessauf und ihre Tochter den Nubbel anstachen, durfte er sich so einiges anhören. Der Wirecard-Skandal, Rassismus-Debatten, das Erzbistum Köln: Pater Muffisch macht einen Querschnitt durch das Jahr 2020. „Dä Sturm op dä Reichsdaach – wat för en Schand! Hippies un Neonzis jon Hand in Hand“ hieß es da und auch der 1.FC wurde nicht verschont. „Beim Foßball, do jitt noch eines ze saare. Welche Schuld deit dä Nubbel noch met sich römdraare? Ohne Details, süns fangt ihr an ze jähne, muss ich einfach nur dä FC Kölle erwähne.“ Als als der Nubbel dann endlich brannte, schien die handverlesene Trauergemeinde fast ein wenig mit dem zurückliegenden Jahr versöhnt.

>>Hier geht es zur Nubbelverbrennung auf Facebook, hier zur Nubblverbrennung auf Youtube.

Wirte aus dem Kwartier Latäng tun sich zusammen

Ein Nubbel-Video kommt auch von den Wirten im Kwartier Latäng. Das Veedel rund um die Zülpicher Straße ist normalerweise eine der Hochburgen im Straßenkarneval. Wenn in diesem Jahr schon nicht gemeinsam in den Läden gefeiert werden kann, soll aber wenigstens der brennen, der an all dem Schuld ist. Anna Heller vom „Hellers Brauhaus“ hat dafür die Wirte des Schmelztiegels, Flotte, ZwoEinz, Tankstelle, Furchtbar, Stiefel, Mannis Rästorang, Piranha, Engelbäät, Museum, Gilbert und Straßenwächter zusammengetrommelt und an drei Abenden vor ihren Läden aufgenommen. „So können wir wenigstens in Gedanken bei einander sein“, sagt die Brauerei-Chefin. „Dazu gibt es das volle Programm – mit der Nubbelrede von unserem Pastor Herbert.“ Den spielt Herbert Goebbels.

>> Hier geht es zur Nubbelverbrennung auf Facebook.

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Pater Herbert spricht die Nubbelrede im Kwartier Latäng.

Der Nubbel ist „der unschuldigste und kleinste aller Zeiten“

Ein Pastor, wenn auch wenn ein falscher, gehört einfach mit zu der Inszenierung. Und so hat auch Sänger und Redner Jörg P. Weber einen Einsatz als „Pastörchen“ - bei der KG Kölner Narren-Zunft. Weber im Kardinals-Fummel hat zunächst mit Senatspräsident Andreas Bulich (war Bauer 2017) an einigen geschlossenen Gaststätten der Stadt angeklopft, ehe die beiden am Brauhaus Sion landen. Dort öffnet ihnen Brauhaus-Chef René Sion und Tina Köcher, eigentlich Wirtin im Karnevalisten-Treff „Stadttreff“. In diesen Zeiten müssen die Gastronomen halt zusammenhalten. Doch da die kölschen Jecken in den vergangen Wochen weitgehend zu Hause geblieben sind und nicht über die Strenge geschlagen haben, ist der Nubbel „diesmal auch der unschuldigste und kleinste aller Zeiten“. Da kann sich Pastörchen Weber kurzfassen: „Und wenn der Lauterbach auch meint, mir Kölsche wären wegen Corona ens fott, doch der wahre Jeck geht nur an Altbier kapott.“ Und während der Mini-Nubbel noch brennt, setzen sich beide schon die KG-Mütze auf – ab sofort gilt, es die Session 2022 zu planen.

>>Hier geht es zur Anmeldung.

Jörg P. Weber und Andreas Bulich entzünden den Mini-Nubbel.

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Bei zwei Nubbelverbrennungen ist Michael Hehn als Trauerredner eingeplant. Bei der IG Niehler Karneval um den Vorsitzenden Gregor Hennecke (wurde am Sonntagabend aufgezeichnet) und beim Festkomitee. Dann am Dienstagabend live mit dem Dreigestirn, dessen besondere „Zick eröm“ ist auf dem Dach der Hofburg, dem Dorint-Hotel am Heumarkt. Da Hehn als Büttenredner im Karneval ja selbst als „Dä Nubbel“ auftritt, kann er sich gut in dessen Rolle als Sündenbock herein versetzen.

>>Zur Facebook-Seite IG Niehler Karneval.

Als der Nubbel in Flammen aufgeht, greift Michael Hehn zur Trompete:  „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“

„Aber viel ist das ja diesmal nicht. Viele von uns wollten sich versündigen, wollten sich vom Nubbel vom rechten weg ableiten und zu allerlei Biestereien verführen lassen , konnten es aber nicht“, weiß Hehn, der in einem Gewand des ehemaligen Prälaten Knülle – einer Leihgabe von St. Aposteln – antritt. Den Niehlern gefiel diese Version, das Festkomitee hatte andere Wünsche. „Die möchten, dass ich predige, der Nubbel sei auch an Corona schuld“, sagt Hehn. „Das sehe ich zwar anders, aber da muss ich über meinen Schatten springen. Was macht man nicht alles im Namen des Herrn.“

www.koelnerkarneval.de