Demo gegen islamistischen TerrorWas denken Kölner Muslime über die Friedensdemo?
Köln – Am 17. Juni wollen 10.000 Muslime in der Kölner Innenstadt gegen islamistischen Terror demonstrieren. Los geht es um 13 Uhr auf dem Heumarkt.
Wir haben Muslime in Köln gefragt, ob sie an der Demonstration teilnehmen und warum, bzw. warum nicht.
Sevtap Özdag, Fotografin
Ich nehme am Friedensmarsch teil, weil ich hoffe, dass er ein Zeichen setzt gegen Vorurteile und Hass. Viele Menschen neigen leider dazu, alle Muslime in einen Topf zu werfen und Kultur und Religion nicht voneinander zu trennen. Wenn ich mich als Beispiel nehme: Ich bin Muslimin, viele glauben deshalb, dass ich fünf Mal am Tag bete. Der Schwerpunkt in meinem Denken ist aber vielmehr, ein friedliches, glückliches Leben mit meine Familie zu führen.
Man kann auch sagen, dass ich nach den zehn Geboten als allgemeingültiger Lebensgrundlage lebe. Und ich verstehe mich in erster Linie als Kölnerin. Köln ist mein Zuhause! Ich bin eine glückliche und zufriedene Deutsch-Türkin! Wenn man mich so akzeptiert, wie ich bin, dann ist meine Integration nicht fehlgeschlagen. Meine zwei Kulturen sind mein Reichtum. Die Demonstration ist auch eine Einladung an alle Kulturen, gemeinsam gegen den Terror aufzutreten.
Die Anschläge sind für uns alle eine Prüfung: Ob wir es schaffen, weiterhin gemeinsam friedlich zusammen zu leben oder ob wir dem Hass verfallen und der Versuchung, jemanden für etwas verantwortlich zu machen, was er nicht getan hat. Mein Appell an alle ist, sich als Gäste dieser Erde zu betrachten. Nichts, was wir beanspruchen, ist für die Ewigkeit.
Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrats
Ich persönlich fühle mich von dem Demonstrationsaufruf gar nicht angesprochen. Ich habe ja mit dem Terror nichts zu tun, mein Leben hat keinerlei Bezug dazu.
Meiner Meinung nach ist ein Mensch nur für sich selbst verantwortlich, man kann nicht von ihm verlangen, sich für etwas zu rechtfertigen, nur weil er zufällig aus derselben Gruppe kommt. Von Muslimen zu fordern, dass sie sich von islamistischen Terroristen distanzieren, finde ich deshalb nicht richtig. Das hat etwas von Kollektivschuld.
Mit dem gleichen Recht hätte man von Katholiken verlangen können, dass sie sich explizit vom Terror der IRA im Nordirland-Konflikt absetzen. In dem Zusammenhang muss man feststellen, dass der Islam immer häufiger als einseitiger Kampfbegriff missbraucht wird.
Von Terroristen, aber leider auch von Medien, um die Glaubensgemeinschaft der Muslime in eine Ecke zu drängen. Das ist unverantwortlich, weil es dazu führt, dass diese sich von der hiesigen Gesellschaft abwenden. Ich habe aber Verständnis dafür, wenn Muslime jetzt das Bedürfnis haben, auf die Straße zu gehen.
Meral Sahin, Vorsitzende der IG Keupstraße
„Es ist wirklich die Zeit gekommen, dass wir als Muslime uns zusammentun und alle gemeinsam gegen den Terror, der im Namen des Islam begangen wird, aufstehen. Deswegen nehme ich an dem Friedensmarsch am Samstag in Köln nicht nur teil, sondern werde dort auch eine Rede halten.
Leider haben wir im Islam keine Einheit und keine Instanz wie den Papst, der für uns alle sprechen könnte. Es fehlt uns an Vernetzung. Deshalb hat es so lange gedauert, bis es zu dieser Initiative gekommen ist. Außerdem empfinden es viele als demütigend, dass von ihnen eine explizite Distanzierung vom Terror überhaupt verlangt wird. Denn für uns selbst ist es selbstverständlich, dass wir diese abscheulichen Taten verurteilen und dass nicht der Terror der Islam ist.
Ich kann diese Haltung verstehen. Trotzdem meine ich: Wir müssen dieses Zeichen jetzt setzen; und ich würde mich freuen, wenn auch Nicht-Muslime mitmachen würden: als Botschaft der Muslime an die gesamte Gesellschaft. Aber auch auch an unsere jungen Menschen, damit sie nicht auf extremistische Propaganda hereinfallen.“
Ahmet Edis, stellvertretender Vorsitzender des Kölner Integrationsrats
Ich habe den Aufruf zum Friedensmarsch am Samstag unterzeichnet, weil ich persönlich ein großes Bedürfnis habe, gegen den Terror auf die Straße zu gehen. Gerade die jüngsten Anschläge, die im Ramadan verübt worden sind, haben mich sehr aufgebracht. Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht auch alle früheren Attentate immer verurteilt habe.
Aber wenn jemand solche Verbrechen ausgerechnet im Ramadan verübt und sich dann auch noch auf den Islam beruft, ist das besonders perfide. Das hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.
Dabei habe ich bislang schon Probleme gehabt mit dieser Anspruchshaltung, die verlangt, dass Muslime sich für alles rechtfertigen müssen, was irgendwo in der Welt passiert. Aber jetzt finde ich es sehr gut, dass die Initiative zu dieser Demo von Musliminnen und Muslimen kommt und somit ein deutliches Zeichen gesetzt wird.