Was ist zu tun, wenn aggressive Hooligans zur EM nach Köln kommen? Das übten Hunderte Polizisten am Rhein-Energie-Stadion.
Probe für EM 2024Polizist wird bei Großübung am Rhein-Energie-Stadion mit 900 Beamten verletzt
Köln, 11 Uhr, Mittwochvormittag: Eine Gruppe von etwa 50 Männern und Frauen zieht johlend und Pyrotechnik werfend über die Wiese vor dem Haupteingang am Rhein-Energie-Stadion. Sie pöbeln eine andere, ebenfalls stark aufgebrachte Menschengruppe an, die auf einem Seitenweg von Einsatzkräften der Polizei daran gehindert wird, sich in die Konfrontation zu stürzen. Weitere Beamtinnen und Beamten kommen im Laufschritt über den Rasen. Aus einem Lautsprecherwagen werden alle Beteiligten eindringlich ermahnt, Ruhe zu bewahren und den Anweisungen der Polizei zu folgen. Hektisch werden Befehle erteilt, die Einsatzkräfte haben alle Hände voll zu tun damit, die drohende Eskalation der Lage am Stadion zu verhindern.
Kein aus dem Ruder gelaufenes Trainingsspiel, sondern nur ein Test
Passanten in Müngersdorf dürften sich angesichts der massiven Polizeipräsenz rund um das Stadiongelände gefragt haben, ob der Saisonstart der Fußball-Bundesliga um zehn Tage vorverlegt wurde oder ob ein Trainingsspiel aus dem Ruder gelaufen ist. Doch die 900 Einsatzkräfte aus Köln, Bonn, Aachen und Mönchengladbach haben sich keineswegs aus dem Anlass einer Hochrisiko-Partie an der Aachener Straße eingefunden.
Sondern: „Sie nehmen teil an einer der jährlich stattfindenden Fortbildungs-Übungseinsätze der Bereitschaftspolizei Nordrhein-Westfalen sowie mehrerer Jahrgänge der aktuellen Kommissar-Anwärter und -Anwärterinnen aus ganz NRW“, sagt Kommissar Philipp Hüwe von der Pressestelle der Polizei Köln.
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Kölner Übung mit Blick auf Fußball-EM konzipiert
„Unter unserer Abteilungsführung findet 2023 die Ausrichtung dieser Großübung heute das erste Mal seit vielen Jahren wieder in Köln statt“, so der 34-Jährige weiter. Die, wie es offiziell leicht sperrig heißt, „Vollübung“ unter dem, ebenfalls leicht sperrigen, Sammelbegriff „Fußballeinsatzlagen“ sei unter anderem mit Blick auf die 2024 in Deutschland ausgerichtete Fußball-Europameisterschaft der Männer konzipiert und angesetzt worden.
„Der Schwerpunkt bei der Vollübung liegt auf dem ganzheitlichen Training einzelner Einsatzabläufe und des gemeinsamen taktischen Vorgehens der Beamten aus unterschiedlichen Standorten“, erläutert Polizeioberrat Kristoffer Kronenberger. Er leitet mit seinem Team die für ganz NRW zuständige Aus- und Fortbildungsstelle für die Bereitschaftspolizei und hat sich die Dramaturgie für die am Mittwoch stattfindende Aktion erstellt.
Köln bietet eine realistische Übungskulisse
„Köln ist eine der Austragungsstätten der EM, somit steht mit dem Rhein-Energie-Stadion eine realistische Übungskulisse zur Verfügung“, sagt der 43 Jahre alte Beamte im Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten.
Das fiktive Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Fanlager auf der Wiese vor dem Eingang soll dem Einüben der Kommunikation dienen, und auch die Koordination von Zu- und Abfluss weiterer Personen durch KVB-Bahnen wird simuliert. „Allein die verschiedene Sprachen und Kulturen bei einer EM, auf die man eingehen muss, da gibt es eine Menge Übungsstoff“, sagt Kronenberger.
Auch die Kontrolle von Fan-Verkehr, in dem Fall Reisebussen mit gewaltbereiten Hooligans, steht auf dem Programm. Kronenberger beschreibt das fiktive Szenario: „Der Pächter einer Autobahn-Tankstelle kurz vor Köln hat uns alarmiert, bei ihm sei geklaut und randaliert worden. Offenbar aus Österreich für ein EM-Spiel angereiste Fans haben massiven Sachschaden erzeugt und darüber hinaus Schlägereien begonnen.“
Einsatzkräfte wussten nicht vorab, was genau geschieht
Diesen Anfangsverdacht auf Schläger-Fans der „Kategorie C“ müssen die leitenden Beamten der Bereitschaftspolizei Kronenberger für die Übung nun einordnen und die richtigen Maßnahmen einleiten. „Heißt hier: Den Bus abfangen, begleiten und außerhalb des Verkehrs gesichert anhalten, wo im Anschluss die Kontrolle von und der Zugriff auf mutmaßliche Straftäter die Folge sind.“
Etwa ein Dutzend „Schiedsrichter“ beobachten akribisch das Geschehen am Mittwoch, sie geben Feedback und Kritik nach Ablauf der Aktion. Besonderheit der Großübung an Köln ist den Verantwortlichen zufolge, dass niemand unter den Einsatzkräften vorab wusste, was genau am Mittwoch geschieht. „Lediglich die Statisten, ebenfalls Polizistinnen und Polizisten, sind mit speziellen Instruktionen hier“, sagt Kronenberger, „etwa, wer sich ruhig verhält, oder wann jemand wie auch die Polizisten angeht – verbal und körperlich.“ Nur so, sagt der Experte, lasse sich realistisch üben, was auf die Kolleginnen und die Kollegen zukommen könne.
Polizist verletzt sich bei Übung in Köln
Alle Anwesenden sind für ihre Aufgaben speziell ausgerüstet, auch die „gewaltbereiten“ Fans. Dass auch in einem fiktiven Szenario Fehler passieren können, belegt dabei der traurige Fall eines Beamten, der in einer der „Kampf-Situationen“ ganz real Brüche erlitten hatte und medizinisch versorgt werden musste.
Nach einer Pause im Anschluss daran wurde die Übung der Polizei am Stadion bis in den Nachmittag fortgesetzt. Wie schnell der „Ernstfall“ eintreten kann, haben damit alle Beteiligten am Mittwoch sehr eindrücklich erfahren.