Das Amphi-Festival findet nach drei Jahren Zwangspause wieder am Tanzbrunnen in Köln-Deutz statt
Insgesamt 40 Bands aus Genres wie Dark Rock, Elektro, Future Pop und Neue Deutsche Härte spielen am Samstag und Sonntag auf drei Bühnen.
Headliner am Samstag waren in diesem Jahr das Alternative-Electronic-Projekt „VNV Nation“ sowie am Sonntag die Rockband „Eisbrecher“.
Köln – „Schwarz, schwarz, ist alles was ich habe / schwarz, schwarz, ist alles was ich bin.“ Das wird wohl auf die allermeisten der rund 12.500 Besucherinnen und Besucher des 16. Amphi Festivals zutreffen. „Darum lieb ich alles was so schwarz ist / Denn mein Schatz ist des Teufels Kind“.
Der Song „Schwarz“ von „Stahlmann“ Martin Soer und seiner Band ist eine Art Ode an die sogenannte Schwarze Szene, die sich hier im Kölner Tanzbrunnen in Deutz trifft. Schwarz in den Klamotten, aber bunt im Herzen, so beschreibt Soer, der von allen nur „Mart“ genannt wird, die heterogene Gemeinschaft.
Diese erwecke oft einen martialischen ersten Eindruck, falle aber eigentlich vor allem durch Offenheit und Freundlichkeit auf. Und natürlich durch kreative, eindrucksvolle Kostüme, die viele der Anhänger in mühevoller Handarbeit und mit viel Fantasie selbst herstellen.
So auch Tine, Kathi und Nele aus Köln. Ihre Outfits, die sie als postapokalyptische Goths beschreiben, kosteten sie knapp vier Wochen Arbeit. Die mehrheitlich dunklen Kostümierungen sind es, die das Amphi Festival so einzigartig machen. „Hinter den düsteren Farben und phantasievollen Outfits steht eine generationen-überspannende, friedliche Familie von Gleichgesinnten, die die Atmosphäre des Amphi Festivals prägen“, sagt Elmar Herrmann, Sprecher vom Amphi Festival.
Dass es sich hier um eine Art Familie handelt, wird auch durch die weite Altersspanne deutlich: Vom Grundschulkind bis zum Rentner ist hier jede Generation vertreten. „Zum Amphi kommen ist wie nach Hause kommen“, sagt auch Soer. „Stahlmann“, stilistisch in das Genre der Neuen Deutsche Härte einzuordnen, performen sie auf der Bühne stets silbern lackiert – als Männer aus Stahl eben. Dieses Stahlharte sei aber immer mit einem Augenzwinkern zu betrachten, so der Frontmann, und soll auch dazu beitragen, die Menschen zum Nachdenken anzuregen. „In der Übertreibung liegt auch Macht. Man kann den Leuten bestimmte Dinge direkt aufs Brot schmieren.“
Das Amphi Festival ist für viele Szene-Anhänger zum Pflichttermin geworden. „Ich war bisher auf jedem Amphi“ sagt DJane „Die Elster“, die später auch noch auf der After-Show-Party auflegen wird. Außer in Gelsenkirchen, fügt sie hinzu. Sie stellt Hel, die nordische Totengöttin dar. Passend dazu besteht der Kopfschmuck der Aachenerin aus einer echten, taxidermierten Elster. Die Maske wurde eigens angefertigt. Der Vogel sei aber eines natürlichen Todes gestorben, betont sie. Um die 500 Euro wird das Kostüm gekostet haben, schätzt sie, allein 200 Euro schluckte schon die Elster-Maske.
Probleme bei Barrierefreiheit
Auch Joachim ist Stammgast im Tanzbrunnen, erzählt der 51-Jährige aus Bonn. Die Maus, die an seinem Rollstuhl befestigt ist, hat er mitgebracht, weil „auch die ein Recht auf gute Musik und Feiern hat.“ Joachim kritisiert indes die mangelnde Barrierefreiheit auf dem Festival. Es gebe zu wenig Toiletten, die mit dem Rollstuhl zu erreichen sind, viele Stände stehen zudem auf kleinen Erhöhungen, die für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine echte Hürde sind. Auch der Beach-Club sei nur über einen gesonderten Eingang zu erreichen. Probleme mit der Barrierefreiheit seien aber kein exklusives Problem beim Amphi Festival, sondern ein Generelles, sagt Joachim.
Auffällig ist: Hier kann jeder so sein, wie er ist. In den wenigsten Subkulturen sei das so ausgeprägt, wie in der Schwarzen Szene, sagt „Stahlmann“ Soer. „Es ist ein besonderer Zusammenhalt.“
Akustik statt elektrischer Gitarre
Musikalisch wird das Festival von Dark Rock, Electro, Future Pop und Neuer Deutscher Härte dominiert, stille Klänge sind da eher selten. Am Samstagabend wurde es dann zwischendurch aber auch ganz sanft, als „Mono Inc.“-Frontmann Martin Engler zur Akustik-Gitarre greift („Für die Harten: Das ist die aus Holz“, sagt er dazu lachend) und Leonard Cohens „Halleluja“ singt – und tausende schwarzgekleidete Männer wie Frauen mit einstimmen.
Ein Moment, der die friedliche Stimmung, die den Tag über am Tanzbrunnen herrscht, unterstreicht. Friedlich, und gleichzeitig mit viel Lust auf Party: „Die Resonanz ist toll. Nach der langen Pause ist das Publikum heiß auf Festivalstimmung“, so Amphi-Sprecher Herrmann. „Die diversen coronabedingten Verschiebungen haben uns das (Über)-Leben sicherlich nicht leicht gemacht. Durch Unterstützungsprogramme, Kurzarbeit und den 2020 schon relativ weit fortgeschrittenen Vorverkauf, war das Festival aber zu keiner Zeit ernsthaft gefährdet.“ Auch 2023 wird das Amphi Festival den Tanzbrunnen wieder in ein buntes Schwarz tauchen.