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Neue Aussage im Mordfall Dara K.19-Jähriger gesteht Tötung – was das jetzt für den Prozess bedeutet

Lesezeit 4 Minuten
Blumen und Kerzen im Mülheimer Hafen, drei Tage nach dem gewaltsamen Tod des 15-Jährigen am 10. März 2024.

Blumen und Kerzen im Mülheimer Hafen, drei Tage nach dem gewaltsamen Tod des 15-Jährigen am 10. März 2024.

Der mutmaßliche Haupttäter hatte im laufenden Prozess bisher geschwiegen.

Beim Strafprozess um den im März am Mülheimer Hafen erstochenen 15-jährigen Dara K. hat sich erstmals ein weiterer Beschuldigter zu dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes geäußert. „Mir tut das unfassbar leid und ich würde es gerne ungeschehen machen“, sagte der 19-jährige Joshua M. – über eine Erklärung der Verteidiger Pantea Farahzadi und Daniel Schmidt gab er zu, dem Opfer die tödlichen Stiche zugefügt zu haben. Gleichzeitig beschuldigte er einen Mitangeklagten schwer.

Todesopfer soll Drogen in Köln-Mülheim verkauft haben

Über Dara K. sagte der 19-Jährige, dass dieser vor etwa anderthalb Jahren zu ihm in den Stadtgarten in Mülheim gekommen sei und nach einem Job gefragt habe. Dara habe anschließend für ihn Drogen verkauft und damit 100 Euro am Tag verdient. Anfang 2024 habe der 15-Jährige aber den Auftraggeber gewechselt. Das wäre zwar grundsätzlich kein Problem gewesen. Allerdings hätte die Gefahr bestanden, dass auch Stammkunden, die bei Dara Drogen kauften, hätten wechseln können.

Der Angeklagte Joshua M. (19) mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi im Kölner Landgericht

Der Angeklagte Joshua M. (19) mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi im Kölner Landgericht

Die Revierstreitigkeiten, aber auch persönliche Animositäten mit dem konkurrierenden Drogendealer, der böse Drohungen ausgestoßen habe, hätten letztlich dazu geführt, dass Joshua M. und auch der mitbeschuldigte „Beschützer“ Ahmet Y. dem 15-jährigen Dara eine „Abreibung“ hätten verpassen wollen. Vor einer Kneipe hätten sie diesen abgepasst und zum Hafen geschleppt. Y. habe gesagt, „ich solle das jetzt mit ihm klären“. M. habe zunächst auf den Jungen eingeschlagen.

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Kölner Täter: „Wahllos“ auf Dara K. eingestochen

Er habe dann auch das Messer gezogen und Dara viermal in die Beine gestochen. Der 15-Jährige sei geflüchtet, worauf ihn der 27-jährige Y. verfolgt und zu Boden gebracht habe. „Ich empfand das als Aufforderung, die Sache zu beenden“, so Joshua M. in der Einlassung, er habe dann „wahllos“ auf ihn eingestochen. Als Dara sich nicht mehr geregt habe, sei man geflüchtet. Erst dann habe man zwei weitere Mitangeklagte – die laut Anklage ebenfalls am Tatort gewesen sein sollen – getroffen.

Den Schmerz der Familie, der auch beim Prozessauftakt lautstark deutlich wurde, könne er nachvollziehen, sagte Joshua M. „Die Zeit in der Haft hat mir die Augen geöffnet“, erklärte der 19-Jährige, er habe viel über die Vorfälle am Tattag nachgedacht. Er wolle sich von Drogen und diesbezüglichen Geschäften distanzieren, habe in der JVA eine Ausbildung begonnen. Durch seine Aussage wolle er auch Unwahrheiten ausräumen – ohne seine Verantwortung kleinzureden.

27-Jähriger hatte Hauptschuld von sich gewiesen

Mit „Unwahrheiten“ war offenbar auch die Aussage des Mitangeklagten Ahmet Y. gemeint, der die letztendliche Schuld am Tod von Dara K. seinem Komplizen in die Schuhe geschoben hatte. Über Verteidiger Ingmar Rosentreter hatte Y. gesagt, nach den Stichen in Daras Bein einen Krankenwagen habe rufen zu wollen. Doch Joshua M. habe von dem 15-Jährigen nicht ablassen wollen, ihm das Messer in die Brust gerammt. „Dara hat das verdient“, habe M. gesagt – der bestreitet das.

Ahmet Y. hatte lediglich zugegeben, an der Entführung des Jungen beteiligt gewesen zu sein. Nach den Revierstreitigkeiten sei es darum gegangen, Stärke zu demonstrieren. Auch gegenüber Daras neuem „Chef“, der in der Tatnacht eigentlich zu einer Art „Aussprache“ in der Mülheimer Gaststätte anwesend war. Unter Waffengewalt hatten Ahmet Y. und Joshua M. den 15-Jährigen weggezerrt. Ein anwesender Zeuge hatte allerdings eher gedacht, die beiden würden Dara „nur ein paar klatschen“.

Daras Vater korrigierte belastende Aussage im Zeugenstand

Der Prozessverlauf zeigt, dass sich das Verbrechen womöglich nicht so abgespielt hat, wie es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft niedergelegt ist. Hier war von einem Racheakt die Rede, nachdem Dara zwei Beteiligte bei einem Drogenprozess schwer belastet hatte. Doch die seitens des Opfer-Anwalts Jan-Victor Khatib aufgestellte These, Dara K. habe aus dem Drogengeschäft aussteigen wollen, erscheint nach den Aussagen der Angeklagten und auch Zeugen zumindest sehr gewagt.

Die Anklage fußt auch darauf, dass dem Vater des Opfers die Tötung regelrecht angekündigt worden sein soll, von „Messern in den Bauch“ war die Rede. Von der bei der Polizei getätigten Aussage rückte Daras Vater im Zeugenstand jedoch wieder ab. Prozessbeteiligte sagen, dass nach bisherigem Stand auch eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Totschlags für zwei der Angeklagten in Betracht käme, da das Mordmerkmal der niederen Beweggründe wackele. Der Prozess wird fortgesetzt.