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„Wir sind sehr beunruhigt“Kölner Apotheker stellen selbst Medikamente her – größter Engpass seit Jahrzehnten

Lesezeit 3 Minuten
Thomas Preis steht vor seiner Apotheke.

In großer Sorge: Thomas Preis, verantwortlich für die Apotheken in Köln.

Es wird immer enger: Kölner Apotheker reagieren teilweise ratlos, wenn Eltern nach einer Behandlung für ihre Kinder fragen. Diverse Medikamente sind ausverkauft. Wie geht es weiter?

Der Medikamentenmangel in Köln spitzt sich zu. „Wir sind sehr beunruhigt, in den Kölner Apotheken gibt es Lieferengpässe, wie ich sie in meinen über 30 Jahren Berufserfahrungen nie erlebt habe“, sagte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Einige Kollegen produzieren schon selbst Fiebersäfte“, sagte Preis. Man investiere in den Apotheken viel Mehrarbeit, damit aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe würden.

Besonders schmerzhaft sei die Situation bei Kindermedikamenten. Wegen einer größeren Krankheitswelle bei Kindern im Sommer seien die Lagerbestände in vielen Apotheken inzwischen aufgebraucht. „Für Eltern und die Apothekenteams ist es eine sehr schwierige Situation, wenn keine Fiebersäfte und Antibiotika mehr zu bekommen sind“, sagt Preis.

Kölner Apotheker: „Die Produktion wird seit Jahren vernachlässigt“

Der Apotheker sieht zwei Gründe für die schlechte Versorgungslage. Zum einen „haben wir eine extrem hohe Infektionswelle, die zahlenmäßig deutlich über den schweren Grippewellen vor Corona liegt und in diesem Jahr außerordentlich früh begonnen hat“, sagte Preis. Die Immunsysteme der Menschen in Deutschland seien zwar durch die Pandemie weitestgehend unverändert, „brauchen aber eine Neuausrichtung, weil wir wenig Kontakt zu Viren hatten und viel Maske getragen haben.“ Ein Fehler sei dies keineswegs gewesen, im Gegenteil: Gut geschützt erkrankt man schlicht weniger. „Dennoch brauchen wir jetzt einen, vielleicht sogar zwei Winter, bis die Situation wieder besser wird. Wir müssen weiter mit starken Infektionswellen rechnen“, so Preis.

Den zweiten Grund sieht Preis in der Gesundheitspolitik. Seit zehn Jahren warne die Apothekerschaft vor einer entstehenden Abhängigkeit von China bei der Lieferung von Medikamenten. Darauf setzen die Krankenkassen, um Geld zu sparen. „Die Rabattpartner der Krankenkassen sind diejenigen, die jetzt nicht mehr liefern können. Man sollte hier künftig weniger auf den Preis und mehr auf die Lieferstabilität achten“, appelliert Preis. Die Lieferketten seien einfach nicht mehr stabil genug. „Die Produktion von Basismedikamenten wird seit Jahren vernachlässigt.“ Durch die Corona-Pandemie sowie steigende Personal- und Energiekosten habe sich das Problem weiter verschärft.

Karl Lauterbach bringt neue Regeln auf den Weg

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte zuletzt, die „Discounter-Politik“ habe die Arzneimittelversorgung über Jahrzehnte kontinuierlich verschlechtert. Für Rabattverträge kündigte sein Ministerium nun neue Kriterien für Rabattverträge mit Pharma-Firmen in Aussicht. Aus Sicht von Thomas Preis gehen die geplanten gesetzlichen Änderungen nicht weit genug. Die aktuellen Probleme werde man damit ohnehin nicht lösen.

Und nun? Bleiben Maßnahmen wichtig, die gegen die Ausbreitung des Coronavirus beschlossen wurden, meint Preis. „Maske tragen und Abstand halten, das schützt nicht nur vor Corona, sondern auch vor anderen Erregern.“ Wichtig sei auch die Grippeimpfung, der Impfstoff schützte in diesem Jahr besonders effektiv und eine Impfung helfe auch Ende des Jahres noch, um gesund durch den Rest des Winters zu kommen. An den Apotheken werde man weiter Überstunden leisten. Deutschlandweit seien es derzeit rund eine Million pro Monat. Denn mit zusätzlichem Aufwand können fehlende Medikamente oft durch Alternativen ersetzt werden. Preis hofft, dass dies bei der nächsten Welle von Atemwegserkrankungen nicht mehr nötig sein wird. Von Flohmärkten für Medikamente und den unprofessionellen Verkauf übriger Mittel warnt Preis unterdessen dringend ab.