AboAbonnieren

„Lebendiger Stadtraum“Auf dem Waidmarkt entsteht eine Art öffentlicher Campus

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Waidmarkt soll eine Art öffentlicher Campus entstehen.

Auf dem Waidmarkt soll eine Art öffentlicher Campus entstehen.

Eine „kulturelle Bildungslandschaft“ soll im Zusammenspiel mit Anwohnern, Schulen und sozialen Einrichtungen geschaffen werden.

Aus dem Waidmarkt soll eine Art öffentlicher Campus werden, eine „kulturelle Bildungslandschaft“ im Zusammenspiel von Anwohnern, Schulen, sozialen Einrichtungen und anderen Akteuren. Ein „lebendiger Stadtraum“ mit neuen Formen der Kooperation und Verantwortung, ein Raum, an dessen Gestaltung die Zivilgesellschaft aufgerufen ist, mitzuwirken. Ambitioniert sind die Ideen, die die Projektwerkstatt Waidmarkt entwickelt hat. Am Donnerstag hat sie ihre Vorschläge in der Kaiserin-Augusta-Schule vorgestellt. Zu der Infoveranstaltung hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker eingeladen.

Werkstatt besteht aus Experten verschiedener Bereiche

Die Werkstatt besteht aus Experten der Bereiche Kunst, Kultur, Architektur und Stadtplanung, die von den Bürgerinitiativen „Köln kann auch anders“ und „Archivkomplex“ entsandt wurden. Von Januar 2023 bis Februar 2024 haben sie im Auftrag der Stadt am Konzept „Auf dem Weg zu einem Neuen Waidmarkt“ gearbeitet. Die Werkstatt wurde von der „startklar a+b GmbH“, einem Büro für nachhaltige Quartiersentwicklung und bürgerschaftliches Engagement, begleitet und moderiert. Außerdem unterstützten Mitarbeiter von Fachämtern der Stadt und die KVB die Arbeit.

Erinnerung, Städtebau, Architektur, Kunst und die Schaffung eines Kulturorts sind die zentralen Themen, mit denen sich die Werkstatt im Sinne eines ganzheitlichen Konzepts für einen ansprechenden Stadtraum beschäftigt hat. Für die künftigen Planungsprozesse wird großer Wert auf die Beteiligung der Bürgerschaft gelegt. Bernadette Heiermann, Mitglied der Werkstatt, beschrieb die Ideen anhand eines Modells von „Schichtungen“. Vieles kann Platz finden, beispielsweise ein Forum für Ausstellungen, Vorträge und andere Veranstaltungen, eine öffentliche „Kulturmensa“, Werkstätten, Lernräume und ein Garten.

Es braucht einen Ort des Erinnerns.
Henriette Reker

Natürlich soll es auch eine Stelle geben, die daran erinnert, dass am 3. März 2009 bei den Bauarbeiten der Nord-Süd-Stadtbahn das Stadtarchiv in der Severinstraße einstürzte, zwei Menschen umkamen und eine große Menge Kulturgut verloren ging. Es solle keine herkömmliche Gedenkstätte – etwa in Form eines Mahnmals – sein, sondern ein „Ort des Dialogs statt bloßer Betroffenheit“, sagte Kay von Keitz, auch er Mitglied der Werkstatt. Nach deren Willen soll „auch das in Teilen der Stadtgesellschaft empfundene ‚institutionelle Versagen‘ Ausdruck finden“.

„Es braucht einen Ort des Erinnerns“, bekräftigte Reker und betonte: „Auch ich ziehe keinen Schlussstrich.“ Eine Äußerung vor dem Hintergrund, dass das Kölner Landgericht im August die gegen die vier verbliebenen Angeklagten geführten Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Einsturz gegen Geldauflagen vorläufig eingestellt hat – unter anderem mit der Begründung, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung sei 15 Jahre nach dem Unglück gesunken.

Reker: Beteiligung von Schulen wichtig

Sie könne nachvollziehen, dass viele Leute auf die Entscheidung mit dem Empfinden reagiert hätten, es gebe „keine Gerechtigkeit“, sagte Reker. Dass das öffentliche Interesse abgenommen habe, „kann man bezweifeln“. Zur Arbeit der Werkstatt sagte sie, endlich gebe es einen „realistischen Plan“, einen, „der zum Ziel führen kann“. Besonders wichtig sei ihr die Beteiligung der Schulen im Quartier. Dafür stand an diesem Abend, dass Schülerinnen und Schüler der Kaiserin-Augusta-Schule und des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums vorstellten, was sie an drei Projekttagen zu den Themen Erinnerung, Städtebau und Partizipation erarbeitet haben.

Das Konzept der Werkstatt „Auf dem Weg zu einem Neuen Waidmarkt“ wird von der Stadtverwaltung zurzeit als Grundlage für die Planung der zukünftigen Entwicklung des Areals herangezogen; die Ideen werden aufgearbeitet und in eine Umsetzungsstrategie eingebettet, die dem Stadtrat 2025 zum Beschluss vorgelegt werden soll.

Sechs Monate Beschreibung und Beobachtung des Waidmarkts

Bis der „Neue Waidmarkt“ entstehen kann, wird es freilich noch lange dauern. Dirk Höllermann, Geschäftsführer der „Arge Los Süd“, der Arbeitsgemeinschaft der bauausführenden Firmen, sagte, das unterirdische Gleiswechselbauwerk der Stadtbahn, das an dem Ort entstehen wird und ein hochkomplexes Vorgehen nötig macht, werde voraussichtlich erst 2031 fertiggestellt sein.

Das Werkstatt-Konzept sieht vor, den öffentlichen Raum bis dahin mit „künstlerischen Interventionen“ zu bespielen. Den Anfang macht im Herbst das Künstlerkollektiv „Observatorium“ aus Rotterdam. Zunächst wird ein „mobiles Zeichenstudio“ geschaffen, sagte Künstler Andre Dekker.

Sechs Monate lang werde man von Fenstern umliegender Gebäude aus die Einsturzstelle beobachten, beschreiben und zeichnen. Dafür bittet die Gruppe die Anwohner um Unterkunftsmöglichkeiten. Im Frühjahr 2025 wird das mobile Atelier zur Inneneinrichtung einer öffentlich zugänglichen architektonischen Skulptur auf dem Waidmarkt. Dann sind Menschen eingeladen, sich eine Zeitlang in dieser Klause aufzuhalten und Beiträge für ein großes „Logbuch“ beizusteuern.