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PrüfberichtDie wichtigsten Fragen und Antworten zur Kölner Überstunden-Affäre

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IMAGO Rathaus Köln

Das Kölner Rathaus

  1. Bei der Kölner Stadtverwaltung sollen Überstunden unrechtmäßig vergütet worden sein.
  2. Die Prüfer vermuten, dass diese regelwidrige Auszahlung nicht nur in den geprüften Einzelfällen, sondern auch in nahezu sämtlichen Dienststellen der Stadtverwaltung erfolgt.
  3. Die Politik will nun die Regelung für die Vergütung von Überstunden ändern. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Köln – Ein vertraulicher Bericht des städtischen Rechnungsprüfungsamtes legt die Vermutung nahe, dass „in nahezu sämtlichen Dienststellen der Stadtverwaltung“ seit Jahren Überstunden von Beamten ausbezahlt wurden, die laut der Vorschriften mit Freizeit hätten abgegolten werden müssen. Die Auszahlungen seien „regelwidrig“ gewesen, der Stadt soll ein finanzieller Schaden entstanden sein. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

Worum geht es grundsätzlich?

Beamte sind verpflichtet, bis zu fünf Stunden Mehrarbeit pro Monat zu leisten, wenn „zwingende dienstliche Gründe“ das erfordern – und zwar ohne Entschädigung und ohne spezielle Anweisung durch Vorgesetzte. Alles, was über fünf Stunden pro Monat hinausgeht, muss der Vorgesetzte schriftlich anordnen, begründen und auf einen konkreten Zeitraum begrenzen. Und auch das ist nach Auffassung der Rechnungsprüfer nur dann erlaubt, wenn die Mehrarbeit „vorübergehender Natur“ ist und 480 Stunden pro Jahr nicht überschreitet. In diesem Fall steht dem Beamten dann ein Ausgleich zu, vorrangig Freizeitausgleich. Eine Vergütung von Überstunden sieht die Rechtsprechung dagegen nur in absoluten Ausnahmefällen vor – zum Beispiel, wenn der Dienstbetrieb gefährdet wäre, weil ein Beamter seine Überstunden abfeiert. Beamte, die eine Bürotätigkeit versehen, dürfen sich ihre Überstunden grundsätzlich nicht auszahlen lassen.

Was kritisiert das Rechnungsprüfungsamt an der Praxis in Köln?

Die Kontrolleure habe acht „erhebliche Mängel“ festgestellt. So sei die Mehrarbeit nur in einem von sechs stichprobenhaft geprüften Fällen wie vorgeschrieben schriftlich angeordnet worden. In einem anderen Fall seien einem Mitarbeiter regelwidrig über einen längeren Zeitraum monatlich pauschal 20 Überstunden ausbezahlt worden. Guthaben auf Gleitzeit- und Arbeitszeitkonten seien mit Zustimmung der Vorgesetzten ausbezahlt worden, obwohl diese mit Freizeit ausgeglichen werden müssen.

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In mindestens zwei Fällen erfolgte eine Auszahlung sogar, ohne dass die Mehrarbeit konkret dokumentiert wurde. Gleich in mehreren Dienststellen seien mehr als die gesetzlich erlaubten maximal 480 Überstunden pro Jahr ausbezahlt worden – allein bei 125 Beamten der Feuerwehr war das der Fall. In Einzelfällen hätten Beamte die 480 Stunden um das Zwei- oder Dreifache überschritten. Das sei ein Verstoß gegen das Landesbeamtengesetz. Zudem soll dem Bericht zufolge „in keinem Fall“ vorher geprüft worden sein, ob die Voraussetzungen für die nur ausnahmsweise erlaubte Auszahlung von Überstunden überhaupt vorlagen.

Welcher finanzielle Schaden ist der Stadt entstanden?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen. Die Rechnungsprüfer haben nicht jeden Einzellfall recherchiert, sondern Stichproben untersucht. Zwischen 2016 und 2019 zahlte die Stadtverwaltung dem Prüfbericht zufolge für Überstunden insgesamt 11,2 Millionen Euro an ungefähr 1200 Beamte aus, davon allein 10,3 Millionen Euro an Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr. Es ist davon auszugehen, dass die weit überwiegende Zahl der Abrechnungen korrekt war. Nach Angaben der Verwaltung ist überhaupt kein finanzieller Schaden entstanden – bis auf zwei Fälle.

Was sind das für Fälle?

Der Prüfbericht enthält dazu keine Einzelheiten. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen zwei Beamte des Kulturdezernates Überstunden ohne Gegenleistung über einen längeren Zeitraum hinweg pauschal abgerechnet haben. Einer habe sich 125 Stunden auszahlen lassen, der andere 540 Stunden, insgesamt eine fünfstellige Summe.

Was ist mit den Überstunden von Angestellten?

Zwischen 2016 und 2019 haben jeweils rund 60 Angestellte der Stadtverwaltung jährlich pauschal insgesamt mehr als 300 000 Euro für Überstunden geltend gemacht. Laut Presseamt war die zusätzliche Arbeit in allen Fällen gerechtfertigt und nachgewiesen. Ob Auszahlungen gegen Vorschriften verstießen, untersuchen die Rechnungsprüfer derzeit noch.

Wusste Oberbürgermeisterin Henriette Reker von den Vorgängen?

Reker ist Chefin der Stadtverwaltung mit 20100 Beschäftigten.  Nach Angaben ihres Sprechers Alexander Vogel hat sie „zu keinem Zeitpunkt entsprechende Vorgänge selbst abgezeichnet und auch nicht delegiert“. Das bezieht sich darauf, dass Überstunden von den Vorgesetzten genehmigt werden müssen.

Welche Folgen hat der Prüfbericht?

Die Personalverwaltung vertritt teilweise eine andere, vereinfacht gesagt weniger strenge Rechtsauffassung als das Rechnungsprüfungsamt. Um Klarheit für die Beschäftigten zu schaffen, solle eine gemeinsame Arbeitsgruppe „klare Rahmenbedingungen“ schaffen.