43.000 Fans passen bei der Europameisterschaft ins Kölner Stadion. Volunteers leiten sie dorthin, helfen bei Fragen – und erleben einiges.
„Left, right and desno“Wie EM-Volunteers die Fußball-Fans ins Kölner Stadion lotsen
Plötzlich wird es hektisch auf den Vorwiesen des Kölner Stadions in Müngersdorf. „Da ist eine Bahn gekommen“, ruft Sophia Papageorgiou, Volunteer bei der Europameisterschaft. Zwischen englischen und slowenischen Fans wedelt sie mit den Armen. Zwei Volunteers stellen sich den Fans entgegen, mit großen Schaumstoffhänden und Megafon sollen sie auf die Eingänge verteilt werden. Das funktioniert, fast sogar zu gut: Jetzt wird es an dem anderen Eingang voller. „Alles eine Frage der Balance“, sagt Papageorgiou.
Sie ist Team-Leaderin im Zuschauer-Service. Papageorgiou leitet ein knapp achtköpfiges Team aus ehrenamtlich Helfenden, das die Fans im Norden des Stadions empfängt. Sie beantworten Fragen rund um die Ticket-App, den Einlass und verteilen die Fans auf die freien Eingänge.
Drei Stunden zuvor ist von Hektik nichts zu spüren. Die frisch gemähten Vorwiesen sind leer, für die Teamleiter um Papageorgiou beginnt der Spieltag: 15.30 Uhr, Lagebesprechung. Die Kioske schieben langsam ihre Rollos hoch, aus dem Innenraum erklingen Nationalhymnen vom Band. Hier ist es noch ruhig, der Sturm ist aktuell woanders: Der Alter Markt wird wegen Überfüllung kurzzeitig abgesperrt.
Die Schaumstoffhände bleiben bei den Volunteers
Aus dem Schatten des Stadions geht es mit knapp 200 Volunteers des Fan-Services auf Position. Papageorgiou und ihr Team stehen auf den Vorwiesen des Stadions, fast vier Stunden in der prallen Sonne. Ohne Sonnencreme und Wasser geht da nichts. Papageorgiou nimmt einen großen Schluck aus der Wasserflasche, dann geht es los: „Left, right“, je nachdem, wo gerade mehr Platz ist. Und: „Desno!“ Damit lenkt sie die slowenischen Fans nach rechts. Das klappt auch mit bunten Schaumstoffhänden. Die wollen immer wieder Fans mitnehmen, als Andenken, einige die Volunteers sogar mit Geld überreden. Ohne Erfolg.
Um 19.15 Uhr blickt Papageorgiou auf ihr Smartphone. „Jetzt wird es normalerweise richtig stressig.“ Auf der anderen Seite des Stadions kommt der slowenische Fan-Walk mit knapp 2500 Fans an. Aber im Norden gibt es heute keinen Fan-Walk, hier treffen die Fans peu à peu ein. Zwar wird es mal voller, die grünen Volunteers verschwinden zwischen weißen Trikots, blauen Trikots und nackten Oberkörpern. Aber die Kontrolle verlieren sie nie. Außerdem: „Die Engländer sind Weltmeister im Queueing“, blickt Volunteer Frauke Medri beeindruckt auf die akkurate Schlange am Einlass.
Schokoriegel werden getauscht wie Sammelbilder
Entsprechend geschmeidig kommen die Fans ins Stadion. Als der Ball dann rollt, atmen die Volunteers durch: Pause. Ein Moment der Ruhe nach fast vier Stunden Hektik. Auf einer Bierbank sitzen sie zwischen Einlass und Stadion, holen Obst, Wasser und Snacks aus ihren Verpflegungstüten. Schokoriegel werden wie Fußball-Sammelbilder getauscht. Dann ein lauter, aber kurzer Torjubel, die Blicke gehen hoch: Tor? Nein, Bukayo Saka stand im Abseits, wie der Liveticker verrät.
Ein weiterer Jubel folgt nicht, Slowenien und England trennen sich 0:0. Mittlerweile ist es dunkel, die Massen strömen zum Ausgang. Dort steht schon längst das verbliebene Team von Sophia Papageorgiou und lenkt die Fans mit roten Leuchtstäben und Megafon zur richtigen Bahn. Aber die Masse rauscht an ihnen vorbei, viele singen freudetrunken Lieder über englische Fußballer oder diskutieren, warum genau diese Fußballer nur 0:0 gespielt haben.
Um halb zwölf leeren sich die Vorwiesen, für die Volunteers des Papageorgiou-Teams heißt das: Feierabend im freiwilligen Job. Papageorgiou kann dafür immerhin den so genannten Social Day ihres Arbeitgebers nutzen. Rene Heffels musste seine freien Tage passend sortieren, Frauke Medri hat sogar Urlaub genommen. Warum sie ehrenamtlich als Volunteer die Uefa unterstützt, werde sie von ihren Freunden gefragt, erzählt Papageorgiou. „Es macht mir einfach Spaß, die Momente und Begegnungen mit den Menschen.“
Über den ganzen Tag versprühen sie und die anderen Volunteers gute Laune, helfen den Fans. Aber jetzt, um kurz nach 23 Uhr, sind selbst ihre Akkus nicht mehr aufgeladen. „Ich stehe den ganzen Tag unter Strom“, sagt Papageorgiou, weiterhin lächelnd. Auch hier: alles eine Frage der Balance.