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Erste Frauen als Domschweitzerinnen„Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung“

Lesezeit 5 Minuten

Die ersten Domschweitzerinnen heidi Michels, Andrea Petzenhauser, Susanne Rückes und Claudia Drolshagen (v.l.)

Köln-Innenstadt – „Der Dom hat mich schon als Kind fasziniert“, sagt Claudia Drolshagen. „Über all die Jahre ist er für mich Fixpunkt und Ruheoase geblieben. Wenn vor Konzerten auf dem Roncalliplatz die Glocken läuteten, war das für mich immer ein Gänsehautmoment.“ Nun ist die 55-jährige examinierte Altenpflegerin, die in den zurückliegenden 25 Jahren als kaufmännische Angestellte im Ingenieurbüro ihres Mannes gearbeitet hat, auch beruflich eine Bindung an den Dom eingegangen: Sie ist eine der vier Frauen, die das Team der Domschweizer verstärken – nach Jahrhunderten, in denen der Aufsichtsdienst ausschließlich von Männern ausgeübt wurde.

Am Dienstag hat Dompropst Gerd Bachner die Frauen, die neben zwei Männern unter mehr als 50 Bewerbern und Bewerberinnen ausgewählt worden sind, der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Formulierung „Heute ist ein historischer Tag“ solle man nicht leichtfertig gebrauchen, sagte er in der Kathedrale, doch heute treffe sie zu. Groß war der Andrang der Medien.

Bachner zeigte sich überzeugt, mit den vier Frauen seien Domschweizerinnen gefunden worden, die „wertvolle Lebenserfahrung und viel Persönlichkeit mitbringen“ und ihren Dienst mit „großem Enthusiasmus und feinem Gespür für Menschen“ versehen würden. Sie sollten dazu beitragen, dass der Dom „als Ort des Willkommens und der Zuwendung wahrgenommen wird“. Dass im Amt der Domschweizer nun auch Frauen im Einsatz sind, „bereichert und erfrischt unseren Dom ungemein“. Lange habe das Domkapitel darauf hingearbeitet. Es sei ein weiterer Schritt in einem „Markenprozess“ mit dem Zweck, die „Willkommenskultur“ in der Kathedrale zu verbessern.

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Zu den Aufgaben der Domschweizer gehört es, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und den Besuchern Ansprechpartner zu sein. Sie schließen das Gotteshaus auf und ab, läuten die Glocken, füllen den Schriftenstand auf und entsorgen abgebrannte Kerzen. Eingearbeitet werden die neuen, allesamt katholischen Aushilfskräfte von Domschweizer-Schichtführern wie Marco Felgenheuer. „Nachdem wir sie eingewiesen haben, werden die Kolleginnen vollständig in unseren Laufplan integriert“, sagte der 29-Jährige. „Ihr Dienst am Dom unterscheidet sich in keiner Weise von dem ihrer männlichen Kollegen.“ Auch die Dienstkleidung ist die gleiche: ein roter, mit schwarzem Samt besetzter Talar.

Claudia Drolshagen, seit dem 15. April angestellt, wird 70 Stunden pro Monat im Dom arbeiten. Andrea Petzenhauser, ebenfalls seit Mitte April im Dienst, ist monatlich nur 24 Stunden dabei, denn sie ist in Vollzeit als Wirtschaftsjuristin und Übersetzerin tätig. „Der Kölner Dom ist für ich Symbol meiner neuen Heimat“, sagte die 35-Jährige, die aus Vilshofen an der Donau stammt, eine an ein Kloster angeschlossene katholische Mädchenrealschule besucht hat und erst seit ein paar Monaten in Köln wohnt, vorher aber oft in der Stadt war. „Andere gehen regelmäßig Golf spielen, ich gehe lieber in den Dom“, erklärte sie, warum sie den Job wollte. „Vor allem ist es mir eine Ehre, als eine der ersten Frauen Teil dieser alten Tradition am Dom zu sein.“ Besonders sprechen sie die vom bayrischen König Ludwig I. gestifteten Bayern-Fenster im südlichen Seitenschiff an, „weil sie eine Brücke zu meiner Heimat schlagen“.

Aktionswoche „Maria 2.0“

Dass die Vorstellung der Domschweizerinnen in die Aktionswoche der Bewegung „Maria 2.0“ fiel, die sich für mehr Gleichberechtigung der Frauen in der katholischen Kirche stark macht, sei „nicht aufeinander abgestimmt“, sagte Dompropst Gerd Bachner, auch wenn die „Stoßrichtung“ die gleiche sei. Bundesweit sind an Hunderten Orten Frauen aus den Pfarrgemeinden in einen einwöchigen „Kirchenstreik“ getreten; sie besuchen eine Woche lang keine Gottesdienste in Kirchenräumen unter Leitung von Priestern und erfüllen keine ehrenamtlichen Aufgaben. Stadtdechant Robert Kleine zeigt grundsätzlich Verständnis für „Maria 2.0“, sieht allerdings manches kritisch, etwa das Bestreiken von Gottesdiensten, wie er gegenüber dem Domradio äußerte. „Manches können wir im Dom allein entscheiden“, sagte Bachner, manches werde im Erzbistum und wieder anderes in Rom entschieden. „Man muss immer schauen: Was ist heute möglich.“ Er sei stolz auf das Engagement der Frauen in der Kirche, und in der Überzeugung, dass man auch „in Leitungsbereiche Frauen hineinnehmen muss“, liege er mit Kardinal Rainer Woelki „völlig auf Konsenskurs“. Oberster Maßstab müsse sein, „die Einheit der Kirche als großes Ganzes nicht zu gefährden“. Die Kirche sei kein „Verein“, der sich danach richte, was gerade „in“ sei. Auf die „Stimme des Volkes“ zu hören, sei das Eine, das Andere aber, der Botschaft Jesu verpflichtet bleiben. (cs)

Hedi Michels, 58, hat ihre Arbeit am Vinzenz-Palotti-Hospital in Bergisch Gladbach zum 1. Mai reduziert, um 24 Stunden im Monat am Dom Dienst zu tun. „Durch den täglichen Umgang mit Patientinnen und Patienten bin ich es gewöhnt, sensibel und hellhörig für Anliegen und Bedürfnisse zu sein.“ Sie tritt in die Fußstapfen ihres Urgroßvaters, der in Oberhausen als Kirchenschweizer tätig war. „Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung. Im Dom spüre ich, dass ich meinem Glauben angekommen bin, und vielleicht gelingt es mir, etwas von dieser Begeisterung weiterzutragen.“

Erst Anfang Juni tritt Susanne Rückes ihren Dienst an; dann ist das Team aus 30 Domschweizern und -schweizerinnen komplett. Vorher war die 52-Jährige in Teilzeit Mitarbeiterin im Sekretariat des Caritasverbandes. „Ich möchte mich beruflich verändern, weg vom Schreibtisch, hin zu direkten menschlichen Kontakten“, erklärte sie. Jetzt freue sie sich darauf, „Besucher aus aller Welt als Domschweizerin begrüßen zu dürfen und für ihre Fragen und Anliegen zur Verfügung zu stehen“.