Instrumente, Brautkleider, Zahngold: Die Büroleiterin erklärt, was mit persönlichen Dingen passiert, wenn sie einmal verloren gehen.
Wertvolle Kunstmappe in der Bahn vergessenWas Kölner verlieren – Ein Besuch im Fundbüro der Stadt
Ein Arzt findet eine Zahnprothese mit Zahngold auf einem Glascontainer. So steht es in den Akten des Kölner Fundbüros. Am 28. April 2022, im rechtsrheinischen Holweide. „Schicken Sie es gerne ein, wenn Sie sich nicht ekeln“, sagte Büroleiterin Selma Sacco dem Finder am Telefon. Er ekelte sich nicht. Seitdem liegt es dort, im Fundbüro, in einer Plastiktüte eingepackt, ohne Besitzer.
Die Prothese ist einer von 22.745 Gegenständen, die 2022 im Fundbüro der Stadt Köln eingegangen sind. Im vergangenen Jahr waren es 27.050. Also 2254 Fundstücke pro Monat, die Sacco mit ihrem 14-köpfigen Team versucht, an ihre Besitzer zurückzubringen. Das klappt oft, aber nicht immer.
Köln-Kalk: Lebensgroße Eiswaffel landet im Fundbüro
Sacco stellt sich neben eine überdimensionierte Eiswaffel, die fast über die 44-Jährige hinausragt. Gefunden am frühen Morgen des 8. Juli 2023 auf der Severinstraße. Sacco vermutet: „Vielleicht ein Jugendstreich. Der Finder wollte es auf jeden Fall nicht behalten.“
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Sacco steht im Herzen des Fundbüros: ein Keller mit grellgelbem Kunstharzboden unter dem Kalk-Karree. Alles, was Kölnerinnen und Kölner irgendwo im Stadtgebiet verlieren, könnte hier landen. Und sie verlieren vieles: Werkzeuge, Saxophone, Besen, Schmuck, kubanische Zigarren und derzeit um die 600 Fahrräder und E-Bikes wurden hier katalogisiert und eingelagert.
Wöchentlich kommen etwa 120 neue Gegenstände hinzu, bei Großveranstaltungen wie Karneval auch mal mehr. Finder, die ein Fundstück ab einem Wert von 10 Euro nicht melden, machen sich strafbar.
Fundbüro-Leiterin: „Man kennt eigentlich nie die richtige Geschichte“
Neben einem Bürotisch, an einen Drucker gelehnt, steht ein blutrot eingefärbter Gummiarm. Gefunden in Esch. Vermutlich war es eine Filmrequisite. „Wenn man lange hier arbeitet, wundern einen manche Sachen, aber das hat mich nicht sehr erschreckt“, kommentiert die ehemalige Ermittlerin beiläufig: „Man kann nur erahnen und denken, was es sein oder nicht sein könnte. Aber man kennt eigentlich nie die richtige Geschichte dahinter.“
Alles, was beim Fundbüro landet, wird in einem Online-Katalog veröffentlicht. So können Suchende ihr verlorenes Gut hoffentlich finden und beanspruchen. Doch Sacco, die seit 2022 das Büro leitet, stellt klar: „Ohne Nachweis geben wir nichts raus.“
Dafür reiche die Rechnung, ein Foto mit dem Objekt oder eine Information, die nur der tatsächliche Besitzer weiß, wie der Geldbetrag eines Portmonees oder die Innengravur eines Eherings etwa. Bei Abholung wird eine Aufbewahrungsgebühr von bis zu 20 Euro erhoben. – In sieben von zehn Fällen kommen Fundstück und Besitzer wieder zusammen, schätzt Sacco.
Köln: Fundbüro der Stadt hat einen Talisman
„Das ist immer eine Attraktion“, sagt Sacco stolz und zeigt auf ein Brautkleid, das von einem Rohr an der Kellerdecke hängt: „Bisher konnte es nicht versteigert werden und hängt nun bei uns und ist unser Talisman.“ Es ging vor etwa sechs Jahren im Stadtgarten verloren, Sacco vermutet, bei einem Junggesellenabschied.
Werden die Fundstücke nicht mit ihren Besitzern innerhalb der sechsmonatigen Aufbewahrungsfrist – drei Monate bei KVB-Fundstücken – wiedervereint, kommen sie unter den Hammer. Bei einer Auktion im Fundbüro werden mindestens einmal im Jahr ausrangierte Sachen versteigert und bekommen so ein neues Zuhause.
In KVB-Linie gefunden: Wertvolle Kunstmappe geht an Experten
Regelmäßig befragt sie Experten nach dem Wert der Stücke. Zum einen, um den daran bemessenen Finderlohn zu berechnen. Zum anderen, um den Auktionspreis angemessen zu gestalten. Pro Jahr nimmt das Fundbüro etwa 50.000 Euro durch Versteigerungen und Verkäufe ein, schätzt Sacco.
Zuletzt musste sie einen Kunst-Spezialisten zu Rat ziehen: Jemand hatte in einer KVB-Bahn eine Sammlung von Zeichnungen liegengelassen. Der Experte kam zum Ergebnis, dass es sich um eines von 150 Exemplaren der Série Panurge des französischen Bauhaus-Architekten Le Corbusier handele. Wert: 2000 bis 4000 Euro.
Doch Sacco freut es, wenn nicht alle Fundstücke bei der Auktion landen. Einmal schrieb eine Frau, ihre Enkeltochter habe ihren Teddybären in der KVB verloren. „Sie kann nicht mehr schlafen. Haben Sie den Teddybären?“, fragte sie. Sacco ging in den Keller mit grellgelbem Boden und suchte. Tatsächlich war er dort, zwischen E-Bikes und Werkzeugen. „Das fand ich richtig süß“, sagt sie: „Das ist natürlich immer schön, solche Geschichten zu erleben.“