Köln im RotlichtSo haben unsere Reporter in der Szene recherchiert
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- Sie arbeiten in Wohnungen und Wohnwagen, in Stundenhotels, auf dem Straßenstrich, in Großbordellen oder auf Parkplätzen: 1912 Sexarbeiter sind in Köln gemeldet, vorwiegend Frauen.
- Für unsere Serie „Köln im Rotlicht“ sind unsere Reporter in die Rotlicht-Szene eingetaucht, haben mit Prostituierten, Freiern, Zuhältern und Bordellchefs gesprochen.
Köln – Als die Bläck Fööss im Sommer 2017 im Pascha-Nachtclub auftreten und der Sänger Erry Stocklosa anschließend im Gespräch mit der Redaktion fragt, was wir mit unserer Kritik eigentlich bezwecken wollten, das sei doch „eine ganz normale Sache“, beginnt beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine interne Diskussion.
Viele Redakteure sind mit dem Gedanken aufgewachsen, dass bezahlter Sex unmoralisch ist, dass das Rotlicht von Gesetzesbrechern kontrolliert wird, dass Frauen, die anschaffen, das nicht freiwillig tun.
Neugier, mehr zu erfahren
Aber stimmt das in jedem Fall? Ist Sexarbeit gleich Zwangsprostitution? Was bedeutet Zwang? Was heißt freiwillig? Und schützt das neue Prostituiertenschutzgesetz die Sexarbeiterinnen tatsächlich?
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Die Reporter Tim Stinauer und Uli Kreikebaum
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Mit diesen Fragen und einigen Klischees im Kopf haben wir angefangen zu recherchieren. Sind in Clubs, Laufhäuser und auf den Straßenstrich gegangen, haben mit Prostituierten, Freiern und Zuhältern gesprochen, mit Sozialarbeiterinnen, Polizisten und Bordellbetreibern. Ohne klare Erwartung, was am Ende der Recherche stehen wird. Aber mit der Neugier, mehr zu erfahren.
Manchmal fühlten wir uns wie ein Freier
Kontakte ergaben sich oft nach dem Schneeballsystem: Ein ehemaliger Zuhälter und Dealer vermittelte uns zwei Prostituierte, die in Wohnungen und im Bordell arbeiten, eine erzählte von einer Aussteigerin. Der Sozialdienst katholischer Frauen stellte uns Frauen vor, die auf dem kontrollierten Straßenstrich an der Geestemünder Straße arbeiten.
Köln im Rotlicht
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Am Kölnberg, in einem Club und einem Appartementhaus sprachen wir Frauen selbst an. Manchmal haben wir ein Honorar fürs Reden bezahlt und fühlten uns dabei wie ein Freier, manchmal eher wie ein Seelsorger: Eine Frau erzählt Details ihrer Geschichte bis heute in vielen Mails.
Zwischen Schweigen und hanebüchenen Geschichten
Bei manchen Ortsterminen mussten wir Hemmungen überwinden. Den Freiern schien es oft egal, ob die Frauen, die sie für Sex bezahlen, einen Zuhälter haben oder nicht. Sie schienen es zu verdrängen. Sagt man einer Frau, dass man für die Zeitung schreibt und für 50 Euro gerne mit ihr reden würde, ist man sich nicht sicher, ob das so richtig ist.
Aber ohne auch auf diese Weise zu recherchieren, blieben viele Zugänge verwehrt. Zuhälter vom Eigelstein schwiegen augenblicklich, sobald wir uns als Journalisten zu erkennen gaben. Andere tischten uns hanebüchene Geschichten auf.
Was immer wir nachprüfen konnten, haben wir nachgeprüft, bevor wir es aufgeschrieben haben. Was zu hart, zu brutal oder schlicht unglaubwürdig klang, haben wir weggelassen. Die Namen der Protagonisten – manchmal auch Teile ihrer Geschichte, die sie erkennbar machen würden – haben wir verfremdet. Denn trotz erstaunlich hoher Gesprächsbereitschaft wollte fast niemand mit Gesicht und wahrem Namen in der Zeitung stehen.
Nach vielen Tagen und Nächten im Kölner Rotlicht haben wir ein Bild von der Szene, das einige Klischees bestätigt und andere widerlegt. Wir haben Frauen getroffen, die Sex für Geld anbieten, weil das für sie die einzige Möglichkeit ist, über der Armutsgrenze zu leben, für die der Job eine Chance ist, auch wenn sie gesellschaftlich geächtet werden – aber auch Frauen, die leben wie Sklavinnen.
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Sollte Prostitution in Deutschland verboten werden? Oder würde das dazu führen, dass viele Frauen in die Illegalität abdriften? Wir haben auch nach den Recherchen keine klare Meinung dazu – und haben deshalb zwei Gastkommentatorinnen um ihre Einschätzungen gebeten, die am Ende der Serie stehen.