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Kunstwerke an HauswändenAuf der Suche nach Sgraffiti in Köln

Lesezeit 5 Minuten

Sgraffito an der Fassade der Augenklinik in Lindenthal.

Köln – Ältere Menschen wie ich können sich erinnern, dass die Fassaden von Wohn- und Geschäftshäusern früher häufig mit Sgraffiti verziert waren. „Sgraffiti?“, denken Sie jetzt vielleicht, hat der Herr Frank sich da nicht verhört oder vertippt?

Aber tatsächlich gibt es neben den Graffiti, die ja mehr Sache der jüngeren Generation sind, eine Kunstform, die ihren Namen vom italienischen „sgraffiare“ – auskratzen, aufkratzen – bekommen hat. Sgraffiti sind also Kratzbilder.

Hergestellt werden sie, vereinfacht gesagt, indem erst zwei verschiedenfarbige Putzschichten übereinander aufgetragen und dann die obere zum Teil wieder weggekratzt wird. Die uralte Technik lässt leicht plastische Flachreliefs entstehen. Solche dreidimensionalen Wandverzierungen waren zum Beispiel in der Renaissance sehr beliebt.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

„Hessischer Kratzputz“ ist Unesco-Weltkulturerbe

Wenn Sie schon einmal auf dem Hradschin in Prag waren, kennen Sie das schwarz-weiß gemusterte Schwarzenberg-Palais, das komplett in Sgraffito-Technik dekoriert ist. Der sogenannte „hessische Kratzputz“, eine einfarbige Variante, steht sogar auf der Unesco-Liste des immateriellen Weltkulturerbes. Sgraffiti und der Dom in guter Nachbarschaft!

Ganz vergessen war die Sgraffito-Technik nie. Aber richtig in Mode kam sie in der Nachkriegszeit. Deswegen haben sich diese Art der Wanddekoration bei mir auch so gut eingeprägt. Bei den Hausherren war sie beliebt, weil sie zugleich billig und haltbar waren.

Das „Orgels Palm“ als eines der Kölner Originale des 19. Jahrhunderts.

Handwerker und Einzelhändler machten mit Sgraffito-Bildern Werbung für ihr Geschäft: der Maler mit einem Pinsel, der Metzger mit einem Rinderkopf. Mit dem Siegeszug der Leuchtreklame hatte sich diese Verwendung dann bald erledigt. Aber es gab auch reine Zierbilder, erst figürlich, später zunehmend auch abstrakt.

Drei Kölner Originale sind als Sgraffiti verewigt

Drei schöne Beispiele figürlicher Sgraffiti aus den 1950er Jahren finden Sie in der Nähe des Friesenplatzes, Ecke Palmstraße/Alte Wallgasse. Sie zeigen Kölner Originale des 19. Jahrhunderts wie zum Beispiel „Orgels Palm“, den kriegsversehrten Soldaten Johann Joseph Palm (1801 bis 1882), der in Husarenuniform mit seiner Drehorgel durch die Stadt zog und Almosen sammelte.

Oder das „Arnöldche“, einen Straßenmusikanten mit Blockflöte, hier gezeigt vor dem Eigelsteintor. Arnold Wenger (1836 bis 1902) wurde von Karl Berbuer 1959 auch in dem Lied „Et Arnöldche fleut“ verewigt, das die Bläck Fööss später im Repertoire hatten.

Der „Arnöldche“ an der Ecke Palmstraße/Alte Wallgasse als eines der Kölner Originale des 19. Jahrhunderts.

Ein ausgesprochen skurriler Typ muss der „Maler Bock“ gewesen sein. Von Heinrich Peter Bock (1822 bis 1878) ist überliefert, dass er behauptete, Maler zu sein, aber wohl keine Lust auf geregelte Arbeit hatte. Er hatte immer eine Mappe für Zeichnungen unter dem Arm, nur hat nie jemand eines seiner Werke gesehen. Wahrscheinlich war die ganze Malerei nur eine Masche.

Abstrackte Sgraffiti als nächste Stufe der Kunst

Bock wusste sich sehr gewählt auszudrücken und zu benehmen. Und wann immer jemand in Köln groß Geburtstag oder ein Jubiläum feierte, tauchte – dank guter Vernetzung – auch der Maler Bock als Gratulant auf, mit einem Strauß Blumen, die er zuvor in öffentlichen Anlagen gepflückt hatte. So ist er in der Alten Wallgasse dargestellt.

„Maler Bock“, einer der Kölner Originale des 19. Jahrhunderts.

Nach solchen nostalgischen Anwandlungen sind abstrakte Sgraffiti, künstlerisch gesehen, die nächste Stufe, zu sehen etwa an der Fassade der Augenklinik in der Joseph-Stelzmann-Straße. Das dortige Sgraffito stammt von dem Kölner Künstler Ernst Wille (1916 bis 2005), einem Absolventen der hiesigen Werkbundschule.

Wille hat in den späten 60er Jahren auch die „Kölner Wand“ geschaffen, eine teiltransparente Wandplastik am Rathaus. Aber begonnen hat er eben mit Sgraffiti wie diesem. Die geometrischen Formen nehmen das menschliche Auge auf und spielen mit dem Motiv des Lichts – passend zur Spezialisierung des Krankenhauses.

Sgraffiti ist durch Mordernisierung gefährdet

Warum ich mich überhaupt für die Kölner Sgraffiti zu interessieren begonnen habe? Ihr Bestand in der Stadt ist gefährdet. Darauf hat mich ein Kollege im Vorstand des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege aufmerksam gemacht.

Viele alte Häuser bekommen auf ihre alten Fassaden eine moderne Wärmedämmung verpasst. In anderen Fällen ist einfach Unverstand am Werk: Das „olle Gedöns“ wird einfach überputzt – und weg sind sie, die Sgraffiti. Das finde ich schade, weil jedes Mal ein Stück sichtbarer Vergangenheit und Reminiszenz an die 50er Jahre in Köln verloren geht.

Ich habe Stadtkonservator Thomas Werner gefragt, ob das nicht ein Fall für ihn sei. Aber er hat gleich abgewinkt: Solange ein Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, kann er für die Wände keine Auflagen machen. Weil die Sgraffiti aber oft an Häusern zu finden sind, die architektonisch nicht viel hermachen, stellt sich die Frage des Denkmalschutzes erst gar nicht.

Mitgestaltung der Leser gefordert

Deswegen bitte ich Sie, die Leserinnen und Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“, um Ihre Hilfe für eine kleine Aktion „Rettet die Sgraffiti!“. Wenn Sie in Ihrer Umgebung solche Kratzbilder kennen oder zufällig irgendwo eines entdecken, machen Sie bitte ein Foto und schicken Sie es mir, oder schreiben Sie mir die Adresse!

Sollten Sie gar Besitzer eines Hauses mit Sgraffito-Verzierung sein, dann lautet meine herzliche Bitte natürlich: Erhalten Sie sie der Nachwelt! Lassen Sie sie nicht einfach unter schnöden Styroporplatten verschwinden! Und melden Sie sich bei mir!

Eine ganze Reihe von Sgraffito-Fundorten haben wir im Rheinischen Verein schon ausfindig gemacht, aber bestimmt nicht alle. Deshalb freue ich mich auf Ihre Zuschriften, aus denen wir im ersten Schritt eine möglichst vollständige Dokumentation des Sgraffito-Bestands in Köln erstellen möchten.

Ausgewählte Exemplare werde ich Ihnen dann demnächst im „Stadt-Anzeiger“ vorstellen, und wer weiß, womöglich kommt am Ende ja sogar ein eigener Bildband dabei heraus.

Barbara Schock-Werner, aufgezeichnet von Joachim Frank

Barbara Schock-Werner bittet um Ihre Hilfe. Senden Sie Handy-Fotos von Sgraffiti in Köln (mit Angabe der Adresse und Ihres Absenders) per E-Mail an: bsw@barbara-schock-werner.de. Oder schicken Sie die Adresse der Fundstelle per Post an:Barbara Schock-Werner, Rheinischer Verein für Denkmalpflege, Ottoplatz 2, 50679 Köln.