Bei ihr lassen Promis die Hosen runterKölner Schneiderin ist ein Original im Karneval
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Köln – Den Minister begleiten zwei Personenschützer – aber das beeindruckt Liane Gramsch-Rudolph wenig: „So mein Herr, wir gehen jetzt mal in die Umkleide. Keine Angst, ich hab' schon viele Männer in Unterhosen gesehen.“ Die 69-jährige Schneidermeisterin ist mit ihrem Mundwerk so schnell wie an der Nähmaschine. Seit 1993 kleidet die gebürtige Leipzigerin zum Kölner Karneval unter anderem das Traditionskorps der Roten Funken ein. Und auch deren Gäste beim Rosenmontagszug – wie jetzt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).
Minister Reul fährt bei den Roten Funken mit
Mit Federhut statt Schlips und Kragen wird der 66-Jährige auf dem Wagen der Roten Funken mitfahren, Kölns ältestem Traditionskorps. Die zwölf Plätze sind für Vorstand und Ehrengäste reserviert. Für ihn gehe mit der Fahrt auf dem Wagen der Roten Funken „ein Traum in Erfüllung“, sagte Reul der dpa.
Beim Anpassen der Uniform hat der Politiker sichtlich Spaß mit Gramsch-Rudolph, die mit sächsischem Dialekt und rheinischem Temperament ihren kleinen Laden in Köln-Nippes führt. „Erst die Hose, dann der Rock“, leitet die Schneiderin den Minister an: Reul bekommt eine Offiziersschärpe, schwere Stiefel, einen Federhut und handgefertigte Quasten an die rote Jacke („Waffenrock“) seiner Uniform. „Die ziehe ich bis Rosenmontag gar nicht mehr aus“, scherzt Reul, während Gramsch-Rudolph an seinem linken Ärmel zupft.
Reul bekommt wie jeder Gast, der am Rosenmontag auf dem Wagen der Roten Funken mitfahren darf, eine Maßanfertigung. Wie immer von Gramsch-Rudolph. An den Wänden ihrer Schneiderei hängen etliche Fotos von Prominenten. In einem Ordner hat sie Zeitungsartikel gesammelt. Auch von Heidi Klum, die 2005 ihre Funken-Uniform in Nippes angepasst bekam. „Die war total nett“, erinnert sich die Schneiderin. „Aber in ihren schluffigen Klamotten hat mein Mann die erst gar nicht erkannt.“
Bei Gramsch-Rudolph lassen die Berühmtheiten wortwörtlich die Hosen runter. „Ich könnte ein Buch schreiben“, sagt die 69-Jährige: „Aber mein Mann meint, ich solle es lieber nur ankündigen. Dann würde ich viel mehr verdienen – mit Schweigegeld!“
Rosenmontag auf dem Sofa
Das heisere Lachen der Schneiderin steckt auch Minister Reul an. Er ist bei ihr zum dritten Mal zu Gast. Beim ersten Termin nahm Gramsch-Rudolph Maß, es folgten eine erste und jetzt eine zweite Anprobe. 35 bis 38 Stunden arbeitet die Schneiderin an einer Uniform. Damit hat sie fast das ganze Jahr zu tun („Nur im März und April ist mal ein bisschen Luft“). Kurz vor Karneval steht sie oft von 8 bis 20 Uhr im Laden, damit jeder Wunsch der Karnevalisten termingerecht erfüllt wird. Ans Aufhören denkt die 69-Jährige noch nicht: „Ich brauche diese Arbeit einfach, die macht so viel Spaß.“
Und am Rosenmontag? „Da lieg' ich auf der Couch“, sagt die Schneiderin. Den Umzug schaut sie sich im Fernsehen an. „Ich winke Ihnen dann mal zu“, verspricht der Minister und sieht sich seine Uniform noch mal stolz im Spiegel an. (dpa)