AboAbonnieren

Lollitests in Kölner Kitas„Familien werden in den Burnout getrieben“

Lesezeit 5 Minuten
Kita 170222

Kitas sind stark von Corona betroffen. 

Köln – Wenn Isabella Dauth die Nachrichten über die Vorbereitungen der Kneipen auf Karneval liest, über Loss mer Singe ohne Maske und über dreistufige Lockerungskonzepte der Ministerpräsidenten, versteht sie die Welt nicht mehr. Nicht weil sie anderen das Feiern missgönnt, sondern weil ihr das die Schieflage so deutlich macht: „Man hat das Gefühl, für die Erwachsenen ist die Pandemie vorbei. Aber für Familien mit Kita-Kindern oder Grundschulkindern war es in den zwei Jahren noch nie schlimmer als jetzt und keiner sieht das“, sagt die Mutter von drei Kindern im Alter von zwei, fünf und acht Jahren. Der Lollitest-Marathon in den Kitas sorge für einen permanenten Ausnahmezustand.

„Familien werden in den Burnout getrieben. Wir warten nur noch auf Laborergebnisse – bis nachts und morgens wieder.“ Und weil die aufgrund der Überlastung der Labore immer öfter morgens zum Arbeitsbeginn nicht rechtzeitig da seien, müssten Familien um 7 Uhr spontan umplanen: Dann kann das Kind – mal wieder – nicht in die Kita und ein Elternteil kann nicht in zur Arbeit.

„Pooltests nahezu immer positiv“

Nach einem positiven PCR-Pooltest am Montag müssen in Köln alle Kinder der Gruppe an fünf aufeinanderfolgenden Tagen einen negativen Einzel-PCR-Test haben. Ohne das Ergebnis dürfen sie nicht in die Kita. So sind die Regeln. Seit Omikron und der enormen Infektiosität wird das zur täglichen Herausforderung: „Alle Pooltests sind seit Wochen nahezu immer positiv und die Freitestungen nehmen teilweise mehrere Tage in Anspruch“, erzählt Dauth. Auch für die Kinder sei das enorm belastend: „Unsere Tochter beispielsweise hat in einem Monat zehn Kita-Tage verpasst.“ Und ihr Oberstufenkurs, den sie für das Abi vorbereite, müsse immer wieder ohne sie auskommen. „Das ist belastend für die Kinder, für mich und für meine Schülerinnen und Schüler“, sagt die Gymnasiallehrerin.

Alles zum Thema Henriette Reker

Die berufstätige Mutter spricht für viele Kölner Familien und hat die Lage der Familien auch in einem Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker geschildert. Die Stadt erklärte auf Anfrage, dass die Labore ausreichende Kapazitäten rückmeldeten und versicherten, dass die Testergebnisse rechtzeitig da seien. Viele Familien erleben das anders.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie und ihr Mann seien geboostert, betont Dauth, die achtjährige Tochter und der fünfjährige Sohn geimpft. Die Familie habe den Infektionsschutz immer ernst genommen. Sie betont auch, wie sinnvoll und segensreich die Pooltests am Anfang gewesen seien, als es weniger Infektionen gab und die Tests allen Sicherheit gegeben hätten. Sie habe auch keine Lösung, aber so wie jetzt könne es auch nicht ohne Perspektive weitergehen. Es gibt einige wenige Kitas, die - wenn die Ergebnisse am nächsten Tag wieder nicht da sind - pragmatisch auch bei Kindern Schnelltestergebnisse aus Testzentren akzeptieren. „Da fährt man dann morgens um 7 Uhr mit seinem dreijährigen Kind zum Testzentrum, das sich dort schreiend das Stäbchen in die Nase schieben lässt. Um sich dann maximal gestresst in die Schlange vor der Kita einzureihen, wo dann alle Eltern ihre Testergebnisse vorzeigen müssen“, erzählt eine andere Mutter.

In den Grundschulen sieht der Stress wieder anders aus: Dort wird montags der PCR-Pooltest gemacht und nur noch mit Antigen-Schnelltests nachgetestet. Mit dem Ergebnis, dass regelmäßig der Pool positiv ist, man aber mit den weniger sensitiven und daher noch tagelang negativen Schnelltests bis freitags nicht rausfindet, wer denn nun infiziert im Klassenraum sitzt. „Auch das bedeutet für alle nur Stress.“

„So kann man es auch lassen“

Stefan Schalk, Kinderarzt und selber Vater, und hat eine klare Meinung: „Wenn man die Pools an den Grundschulen nicht auflöst, kann man sie auch lassen.“ Und in den Kitas „machen die Kinder montagsmorgens einen Lolli-Pooltest und spielen den ganzen Tag ohne Maske zusammen, ehe dann frühestens am Abend das Ergebnis kommt.“ Bis dahin sei das Virus längst weitergetragen. „Das Mittel Lollitest, das bei niedrigen Infektionszahlen mal sinnvoll war, ist bei Omikron so wie wir es jetzt machen über weite Strecken Ressourcen- und Zeitverschwendung.“ Statt Luftfilter in alle Kitas und Klassenräumen zu stellen „schicken wir die Kinder jeden Tag durch die gleiche Mühle.“ Für Schalk gibt es nur zwei Optionen: „Entweder man steckt alle Laborressourcen in die Kinder und stellt dann eben auch sicher, dass die Einzelergebnisse verlässlich am Abend da sind. Oder man entscheidet sich, die Pooltests wegzulassen und kommuniziert das ehrlich.“

Dötsch: Pooltests nicht mehr optimal

Für die Familien mit Kita- und Grundschulkindern sei das gerade „eine wahnsinnig belastende Situation“, sagt auch Jörg Dötsch, Chef der Kölner Uni-Kinderklinik und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Er spricht von einer schwierigen Übergangsphase. So erfolgreich die Lolli-Tests in den ersten Phasen der Pandemie gewesen seien: „Vielleicht sind sie für diese Phase der Pandemie nicht mehr optimal.“

Er rät den Entscheidungsträgern Stadt und Gesundheitsamt, die aktuelle Situation in den Kitas genau in den Blick zu nehmen und Belastungen und Vorteile gegeneinander abzuwägen. „Wir müssen die Frage stellen, wie wir maximale Teilhabe gewährleisten können, ohne das Virus einfach durchlaufen zu lassen“, sagt er. Man könne nicht einfach aufhören, aber man könne auch nicht endlos mit der Teststrategie so weitermachen.

Kindeswohl braucht mehr Priorität

Oft helfe ein Zwischenweg. Man könne etwa probeweise umschalten von der Testung aller Kitas auf bestimmte, wechselnde Kitas, um den Überblick zu behalten. Dann gäbe es zwischendurch in allen Kitas Atempausen. „Und wir müssen jetzt Konzepte entwickeln, die dem Kindeswohl mehr Priorität einräumen. Ich kann verstehen, dass Eltern entsetzt sind, wenn Erwachsene Karneval feiern, während Kinder hinten runterfallen." Ab Weiberfastnacht bis einschließlich Rosenmontag haben Kitas und Schulen zu. Dauth hat für ihre Kinder nach irgendeiner Form von Outdoor-Karnevalsveranstaltung gesucht. Wo doch schon die Veedelszüge ausfallen und wieder keine Kamelle gesammelt werden können. „Ich habe in ganz Köln keine einzige Veranstaltung für Kinder gefunden.“