Köln – Durststrecke. So nennt man beim Marathon normalerweise die Entfernung zwischen zwei Verpflegungsstationen. Der Köln-Marathon hat eine deutlich längere Durststrecke hinter sich. Immerhin: Die traditionsreiche Veranstaltung hat die Corona-Pandemie überstanden. Düsseldorf gibt es nicht mehr. Bonn pausiert mit dem Marathon in diesem Jahr, plant aber für 2023.
Nach drei Jahren geht es am kommenden Sonntag, 2. Oktober, am Ottoplatz in Deutz wieder über 42,195 oder 21,1 Kilometer durch die Veedel. Im Gespräch äußert sich Markus Frisch, Geschäftsführer der Marathon GmbH, zu den Schwierigkeiten und Chancen des Neuanfangs.
Alle Laufveranstalter klagen über sinkende Teilnehmerzahlen. Wie sieht das beim Köln-Marathon aus?
Wir haben knapp 4100 Marathonläufer, das sind 2300 weniger. Der Halbmarathon ist mit 10500 auch weit vom Jahr 2019 entfernt. Damals waren wir mit 16500 Teilnehmern ausgebucht. Bei den Staffeln sind rund die Hälfte am Start. Also ungefähr 460. Je nach Wettbewerb haben wir als zwischen 30 und 50 Prozent Teilnehmerschwund. Mit Ausnahme von Berlin haben alle Laufveranstalter mit Rückgängen zu kämpfen. Das geht runter bis zu den kleinen Läufen. Der Brückenlauf des ASV hatte vergleichbare Probleme.
Woran liegt das?
Das hat viele Gründe. Wir sind nur ein Teil des Freizeitbereichs und da werden in diesem Jahre viele Events nachgeholt. Nicht nur im Sport, sondern in der Kultur, bei Konzerten und natürlich auch im privaten Bereich. Hochzeiten, Jubiläen, Geburtstage. Das konnte doch alles nicht stattfinden. Wer am Samstag auf einer Hochzeit war, läuft am Sonntag keinen Marathon. Die Veranstaltungen kannibalisieren sich gegenseitig. Und natürlich hallt bei vielen Corona auch noch ein wenig nach. Wenn man zwei Jahre lang aufgefordert wird, Großveranstaltungen und Menschenansammlungen zu meiden, wirkt das natürlich nach.
An der Laufszene liegt es also nicht?
Nein. Die hat sich nach meinem Eindruck durch Corona eher stabilisiert. Wir sehen das auch bei den Anmeldungen. Die größte Gruppe stellen überraschenderweise die um die 30-Jährigen. Das waren früher die 40-Jährigen.
Was bedeutet der Teilnehmerschwund für die Wirtschaftlichkeit des Marathons?
Wenn sich nicht noch 3000 oder 4000 Leute spontan anmelden, legen wir dieses Jahr einen sechsstelligen Betrag drauf. Das geht auch nur, weil viele Teilnehmer 2020 und 2021 freiwillig auf die Erstattung ihres Startgeldes verzichtet haben und die Sponsoren bei der Stange geblieben sind. Allen voran die Generali-Versicherung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht konnten wir damit nicht rechnen. Dass wir nicht in die Insolvenz gerutscht sind, haben wir den staatlichen Coronahilfen zu verdanken. Wir konnten die Mitarbeiter alle halten. Und wir haben das Startgeld im Vergleich zu 2019 dennoch nicht erhöht, obwohl alles viel teurer geworden ist. Wir haben weniger Teilnehmer und höhere Kosten. Unser Etat speist sich zu 65 Prozent aus den Startgeldern, 30 Prozent schießen die Sponsoren zu, fünf Prozent sind Merchandising.
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Wie lange kann man auf Sparflamme kochen?
Auf Dauer müssen wir zu den Teilnahmezahlen von 2019 zurückkommen, als wir bei 28500 lagen. Dafür werden wohl wir zwei Jahre brauchen. Diesmal sind es rund 17800. Die Menschen werden immer laufen, das ist der einfachste Sport, den es gibt, weil man ihn jederzeit und überall ausüben kann.
Können Sie auf die alten Routinen und Erfahrungen von 23 Köln-Marathonläufen noch zurückgreifen?
Nur bedingt. Im Grunde ist 2022 für uns ein kompletter Neustart. Jeder Marathon lebt von den Ehrenamtlern. An den Verpflegungsständen, bei den Streckensicherung, an der Garderobe, im Start- und Zielbereich. Wir hatten früher knapp 2500 Freiwillige, jetzt sind es noch knapp 1800. Wenn man sich für die Streckensicherung professionelle Security einkaufen muss, ist das nicht mehr zu stemmen. Das Rückgrat eines Marathons ist das Ehrenamt. Das gilt nicht nur für uns. Das gilt auch für die großen Rennen wie in Berlin. Ohne Ehrenamt kein Marathon.
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Was fehlt nach drei Jahren Pause?
Wir hatten viele ältere Helfer, die uns seit 25 Jahren begleitet haben. Es gibt viele Gruppen, die seit 1997 dabei sind. Das kann man gar nicht hoch genug bewerten. Die Vereine haben Probleme, Nachwuchs zu finden. Das ist auch eine Folge von Corona.
Aber der Rest ist doch Routine, oder?
Nein. Das mag komisch klingen, aber wir starten wieder bei null. Die Strecke ist bis auf einen kleinen Schlenker, den wir beim Marathon am Waidmarkt in Höhe des Archivs wegen der Sperrung der Severinstraße laufen müssen, identisch. Wir haben ja nicht nur neue Helfer, die keinerlei Erfahrung mitbringen, zum Teil neue Dienstleister, auch bei der Stadtverwaltung gibt es neue Ansprechpartner. Es gibt viele neue Gesichter, auch bei der Polizei, der Feuerwehr, den Sanitätern. Wir müssen alle Abläufe neu besprechen. Und die Teilnehmer werden ihre Kleiderbeutel am Ziel abgeben und zu Fuß über die Hohenzollernbrücke zum Start gehen müssen. Die Lkw-Shuttle gibt es nicht mehr.
Warum das?
Da bräuchte ich viel mehr Helfer, bei der Kleiderabgabe und Ausgabe. Wir haben 600 Helfer weniger zur Verfügung. Und wir hätten die Abstandsempfehlung in dem Gedrängel vor den Lkw bei der Abgabe kaum einhalten können.
Und sportlich? Wie ist der Stellenwert?
Das Budget bei den Topathleten ist auch kleiner. Wir konzentrieren uns seit ein paar Jahren auf die deutsche Spitze. In diesem Jahr waren die Welt- und Europameisterschaft, da fallen etliche natürlich aus, weil man in so kurzer Zeit nicht zwei Marathons laufen kann. Tobias Blum, der in Köln schon mal gewonnen hat, wird bei uns sein letztes Rennen bestreiten. Die Pace macht dann Hendrik Pfeiffer. Der Deutsche Meister macht das Tempo für seinen Kumpel. Beim Halbmarathon haben wir ein extrem gutes Feld am Start. Da wird der Streckenrekord von 63 Minuten wohl fallen.
Wird der Köln-Marathon die ganzen Krisen überstehen?
Ich glaube das schon. Wir sind eine Freizeitveranstaltung, wissen zwar nicht, was der Krieg jetzt noch bringt und wie sich die Energiepreise entwickelt. Natürlich hat man lieber eine warme Wohnung als das Geld für die Freizeit auszugeben. Ich bin von Grund auf optimistisch. Wir haben drei Jahre lang nichts machen können und dürfen. Wir haben alles dafür getan, dass wir am Sonntag in gewohnter Qualität einmal die Stadt sperren. Darauf freue ich mich sehr. Beim Triathlon Anfang September sind die Leute auf uns zugekommen und haben sich bedankt. Das war ein Gänsehaut-Moment. Deshalb sage ich jetzt nur: Leute, lauft und habt Spaß dabei! Und wenn ihr nicht lauft, geht an die Strecke und feuert die Läufer an. Macht die Stadt wieder mobil.
Infos zum Köln-Marathon
Startzeiten: Der Halbmarathon beginnt am Sonntag, 2. Oktober, um 8.30 Uhr am Ottoplatz in Deutz, der Marathon um 10 Uhr zusammen mit dem Staffel-Marathon. Der Schulmarathon startet fünf Minuten später.
Garderobe: Die Kleiderbeutel können ausschließlich auf der Gereonstraße bis 30 Minuten vor dem Start im Zielbereich abgegeben werden. In Deutz wird man seine Klamotten nicht mehr los. Die Startnummer gilt als Ticket für den Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS).
Ziel: Das Ziel ist auf der Komödienstraße am Dom.After-Run-Party auf den Neumarkt.
Startunterlagen können am Freitag, 30. September (10 bis 20 Uhr) und am Samstag, 1. Oktober (9 bis 18 Uhr) auf der Running-Expo in der Motorworld am Butzweilerhof abgeholt werden. Sie ist mit der Stadtbahn-Linie 5 (Haltestelle Alter Flughafen) oder der Buslinie 127 (Haltestelle Alter Flughafen/Butzweilerhof) zu erreichen. Wer mit dem Auto kommt, sollte im Navi die Adresse Butzweilerstraße 35-39 eingeben. Es gibt an der Motorworld nur wenige Parkplätze
Verkehr: Alle Rheinbrücken mit Ausnahme der Deutzer Brücke sind frei. Der Gürtel und die Nord-Süd-Fahrt sind ebenfalls offen. Das gilt auch für die Verbindung auf der Inneren Kanalstraße zwischen der Zoobrücke und dem Anschluss zur A 57 an der Herkulesstraße.