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Betreiberwechsel im „Stereo Wonderland“„Wir haben in Köln das meiste Bier verkauft“

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Frank 'Steini' Steinert hat die Kneipe Stereo Wonderland in Köln nach 18 Jahren abgegeben

  1. Nach anderthalbjähriger Corona-Pause ist die Musikkneipe Stereo Wonderland seit Anfang Oktober mit neuen Betreiberinnen zurück.
  2. Ein Gespräch mit dem langjährigen Chef Frank „Steini“ Steinert über wilde Partys und prominente Rockgrößen, die im Stereo kräftig mitgefeiert haben.

KölnHerr Steinert, 18 Jahre lang haben Sie gemeinsam mit Martin Scheferhoff die Musikkneipe Stereo Wonderland betrieben. Warum haben Sie es abgegeben?

Steinert: Für Martin und mich ist das Kapitel zu Ende gewesen. Wir hatten öfter, dass mal Martin gesagt hat, er will nicht mehr, dann wieder ich. Wir konnten uns nie lösen. Vor Corona haben wir es dann beschlossen. Ich finde es gut, dass wir beide rausgehen, sonst wäre das blöd gewesen, für den der bleibt. So können wir es zusammen bereuen.

Walentini und Jana, die das Stereo übernehmen und jahrelang an der Theke waren, haben hier sehr viel Einsatz gezeigt und es wie ihren eigenen Laden behandelt. Es sollte im Dunstkreis bleiben, weil die Philosophie beibehalten werden sollte. Wir hätten es auch an irgendwelche merkwürdigen Menschen für mehr Geld verkaufen können, wollten das aber nicht. Das Stereo soll das Stereo sein.

Frank Steinert

Frank Steinert mit Jana Voss (l.) und Walentini Malliou

Die anderthalbjährige Unterbrechung war dann sicher ein Vorgeschmack darauf, was Sie am „Stereo Wonderland“ vermissen könnten.

Ich habe mir vor fünf Jahren am Rand der Eifel ein Haus gekauft und habe einfach mal in meinem Garten gesessen und bin zur Ruhe zu kommen. Ich fand es nicht schlecht, anderthalb Jahre nicht ständig unterwegs zu sein und sehr viel zu trinken. Ich freue mich nun einfach als Gast zu kommen und als DJ hier aufzulegen.

Kölner Stereo Wonderland ist ein Indie- und Rockladen

Und welche Musikrichtung legen Sie auf?

Alles, was cool ist. Ich denke nicht so in Genres, kann in Ausflügen auch coole Rapmusik sein, aber hauptsächlich Indie- und Rockmusik. Das Stereo ist ein Gitarrenladen. Wenn die Leute zu später Stunde voll sind, spielen wir auch mal einen albernen Song von der Band Echt oder so etwas, aber eigentlich wird hier The Libertines, The Rolling Stones und Kampfsport, die auch Freunde von uns sind, gespielt. Wir kommen alle aus dem Nachtleben und der Musikszene.

Zur Person

Frank „Steini“ Steinert ist 53 Jahre alt gebürtig aus Frankfurt. 1997 ist er nach Köln gezogen. Vor 18 Jahren übernahm Steinert zusammen mit Martin Scheferhoff, der gelernter Schreiner ist, das Stereo Wonderland. Steinert betreibt die Firma Supersteini Musikmarketing Gmbh und entwirft Kampagnen für die Entertainment-Branche. Die Frieda Bar im Belgischen Viertel eröffnete er ebenfalls vor Jahren mit einem Freund. Auch diese Bar Kneipe wird mittlerweile vom ehemaligen Thekenpersonal geführt. (gam)

Wie kamen Sie damals überhaupt an die Kneipe heran?

Wir haben es damals übernommen, ohne irgendeine Ahnung von Gastronomie zu haben. Martin arbeitet im Kulissenbau für Filmproduktionen, ich arbeite schon mein Leben lang für die Musikbranche und mache Marketing-Kampagnen für Schallplatten, Tourneen und alles Mögliche. Wir verdienen genug und mussten mit dem Laden kein Geld verdienen. Im Stereo habe ich damals regelmäßig aufgelegt, als es anderen Leuten gehörte. Als sie keine Lust mehr hatten, haben sie ebenfalls im Dunstkreis jemanden gesucht, der den Stil als kleinste Disco von Köln mit Indie und Rockmusik bewahrt.

Dann wurde ich gefragt – durch andere Verpflichtungen war mir das alleine viel zu groß. Ich kann Musikleute zusammentrommeln, Werbung machen, das ist mein Hauptjob. Da hängt aber auch noch vieles andere dran: Reparaturen, Steuerberater, Getränkelieferant, viel Zeug, das man nicht sieht, wenn man an der Theke sitzt und Kölsch trinkt und sich wundert, dass das teurer ist als am Kiosk. Learning by doing ist eine Art Kultladen daraus geworden, in dem wir wahnsinnig viele Leute kennengelernt haben. Das war unser Wohnzimmer.

Wenn Sie jetzt zurückblicken: Was waren die größten Herausforderungen?

Wir hatten natürlich eine finanzielle Verantwortung für das Personal. Wir hatten immer sehr gute Thekenleute. Mit dem harten Part hatte aber überwiegend mein Freund Martin zu tun. Das war eine etwas unfaire Rollenverteilung, denn ich hatte den spaßigen Job mit den coolen Leuten: Personal, DJs, Bands und Werbung. Jeder macht, was er kann.

Irgendwann fingen die Leute an, ihr Bier eher im Kiosk zu kaufen als an der Theke. Sie haben auch ein Büdchen direkt nebenan. Wie sind Sie damit umgegangen?

Wir haben das nicht unbedingt gut gefunden, aber haben uns darüber auch gar nicht aufgeregt, da wir den Laden mit einer gewissen Entspanntheit betrieben haben, weil wir nicht davon leben mussten – das war der Vorteil. Wir sind mit dem Kioskbetreiber nebenan auch nie im Streit gewesen. Man konnte sich auch mal einen Kasten Bier bei dem ausleihen. Diese ganze Ecke ist sehr kollegial und freundschaftlich.

Wie waren die Anfänge, als das Stereo Wonderland auch eine Raucherkneipe war?

Am Anfang waren wir ja völlig durchgedreht. Die Rollläden waren unten, bevor die Sonne wieder aufging, damit die Leute es nicht merken. Hier drinnen war konstant ein schummriges Licht, und um 12 Uhr mittags gingen die Gäste mit ihren Sonnenbrillen raus. Man hat hier Raum und Zeit vergessen. Hier haben Leute auf der Theke gestanden, die vor und hinter die Theke gefallen sind. Wir haben extrem wilde Partys gefeiert. Sowohl die Gäste als auch das Personal. Der Becks-Vertreter hat mal gesagt, dass wir auf die Quadratmeter runtergerechnet in ganz Köln das meiste Becksbier in Köln verkaufen. Gaffel-Kölsch hat das auch gesagt. Ich erinnere mich an viele abgefahrene Dinge.

Peter Doherty spielte schon im Kölner Stereo Wonderland

Zum Beispiel?

Ich bin ein großer Fan von Peter Doherty und The Libertines. Als ich bei einem Konzert ins Backstage gegangen bin, habe ich sie bequatscht, dass Pete hier spielt. Beim ersten Mal hat es nicht geklappt, die Band war hier, hat gesoffen, aber er kam nicht. Beim zweiten oder dritten Anlauf, als sie in der Live Music Hall gespielt haben, hat er das Konzert dort abgebrochen, weil es ihm nicht gut ging, und dann sagte die Band: Er sitzt im Taxi hierher. Hier hat er mit meiner eigenen Gitarre akustisch auf der Bühne gespielt. Das war ein absolut großartiger Moment. Das muss zehn Jahre her sein.

Gab es noch andere Rockgrößen, die sich die Ehre gaben?

Ein anderes Mal habe ich Slash von Gun N‘ Roses hier im Stereo gesehen, der war auf Promotour unterwegs. Durch meinen Job habe ich auch häufig Zugang zu Backstage-Bereichen. Die Leute von Motörhead waren mal hier, auch wenn Lemmy (Gründer und Sänger von Motörhead, gestorben 2015) nicht dabei war. Art Brut (britische Band) habe ich einmal aus dem Luxor abgeholt, wir haben zusammen gefeiert. Seitdem kamen sie jedes Mal nach einer Show in Köln her und haben sogar freiwillig bezahlt. Portugal. The Man zum Beispiel, die sonst vor 2000 Menschen spielen, wollten hier spielen, das Konzert war in fünf Minuten ausverkauft. Also solche Bands lieben das Stereo und wir lieben diese Bands.

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Und die kleinen, noch nicht so bekannten Bands?

Hier haben sehr viele Bands gespielt und auch wenn der Laden nur halb voll war, konnte es trotzdem ein geiler Abend sein. Einige Jahre später spielten Bands dann im ausverkauften Gebäude 9. Auch das ist wichtig: Dass Gruppen, die noch keine große Folgschaft haben, irgendwo anfangen können. Auch dafür stand das Stereo.

Mit dem Luxor, Blue Shell und dem Veedel Club, ehemals Rose Club, ist die Nachbarschaft sehr musik- und clubgeprägt.

Wir kennen uns alle gut hier in der Ecke. Wir hatten nie so ein Konkurrenzding, sind alle befreundet, gehen auch so gerne mal auf Konzerte. Wir haben auch öfter Veranstaltungen gemacht, wo man mit nur einem Ticket überall rein konnte.

Und wie verhält sich das Stereo Wonderland zum Kwartier Latäng?

Wir sind nicht so eine billige Studibude, wo es drum geht, die Leute mit günstigen Getränken zu locken. Die Leute kommen gezielt her, wegen des musikalischen Inhalts und dem Image.

Wie haben sich die Gäste im Laufe der Zeit verändert?

Früher in unserer wilden Zeit haben hier alle die Nacht zum Tag gemacht. Das waren Leute aus der Musikbranche oder Gastro. Die wenigsten hatten familiäre Verpflichtungen oder einen 9/5-Job. Dieser innere Kreis des Stereos ist irgendwann rausgewachsen. Ich hatte schon Momente, wo ich hier stand und keinen von den Gästen kannte. Es wachsen neue Leute nach. Es gibt auch solche, die kommen jedes Wochenende, auch an beiden Tagen. Man kann hier wohnen (lacht).