Die Betreiber der Bar ZwoEinz sprechen im Nachtleben-Interview über den veränderten Betrieb durch Corona und den Partyhotspot Zülpicher Platz.
Dieser Text ist aus unserem Archiv und zum ersten mal im August 2021 erschienen.
Köln – Die Pandemie ist trotz vorhandener Impfungen noch nicht überstanden. Auch wenn die Gastronomie mittlerweile seit Monaten wieder geöffnet ist, läuft es noch nicht so rund bei vielen. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, die Bar aufzugeben?Lukas Winkelmann: Eigentlich nie, aber seit Corona haben wir schon darüber gesprochen. Wir machen uns viele Gedanken, sind jeden Tag hier und bekommen mit, wie sich die Regeln ständig ändern und es daher auch weniger Spaß macht. Klar hatten wir ein besseres Gefühl, als wir ein volles Wochenende hatten und mehr Geld verdient haben, als wenn mit knapp 20 Gästen am Abend der Laden bereits voll ist und man sich ständig fragt, wie lange sich das noch lohnt.
Und dann kommen noch Faktoren wie die große Diskussion um die Zülpicher Straße hinzu. Wenn man nach Feierabend nur ein paar Meter weiter Richtung Zülpicher Platz geht, hat man nicht mehr Lust am Nachtleben teilzunehmen.
Und wie ist für das für Sie, Frau Kluge, fühlen Sie sich an diesem Standort nicht mehr wohl?
Kluge: Das war bisher nie so, auch als Frau habe ich mich nie nachts bedroht gefühlt, als ich den Laden abgeschlossen habe und allein nach Hause gegangen bin. Gerade bekomme ich die Situation nur über Dritte mit, da ich in Elternzeit bin. Es gab nie Probleme, wir kennen die Kneipen drumherum wie das Nox gegenüber, die teilweise länger geöffnet haben als wir.
Wirte der ZwoEinz Bar über Zukunft des Kwartier Latäng
Sind Sie über die Zukunft des Kwartier Latäng sehr besorgt?
Winkelmann: Momentan habe ich das Gefühl, dass das alles sehr hochkocht und man das wieder zurückbringen kann, indem flächendeckend Clubs wieder öffnen und die Leute mehr Möglichkeiten haben.
Die Eskalationen am Wochenende sind Ihrer Meinung also vor allem pandemiebedingt?
Winkelmann: Ich kann mir gut vorstellen, dass das nicht spurlos an den Leuten vorbeigeht und dass sie nicht wissen, wohin mit ihrer Energie. Ich möchte keine 18 Jahre alt sein und noch nie die Möglichkeit gehabt haben, in der Großstadt Menschen kennenzulernen oder wegzugehen.
Kluge: Das mit den Clubs macht sicher viel aus, wo sollen die Leute alle hin?
Inwieweit bekommen Sie etwas davon mit? Das Zwo.Einz in der Hochstadenstraße liegt nicht mitten im Party-Hotspot.
Winkelmann: Wir sind auf jeden Fall nicht die Zülpicher. Das war für uns immer etwas Positives. Wir hatten nie Stress, die Gäste sind sehr nett, wir haben ein ganz entspanntes Publikum. Subjektiv wird es aber mehr. Mehrere Nachbarn haben mir Videos gezeigt von Leuten, die nachts hier ihre Geschäfte verrichten oder die nachts draußen auf unseren Tischen rumturnen.
Sind Ihnen die Stammgäste treu geblieben?
Winkelmann: Auf jeden Fall. Wir haben eine Erweiterung des Außenbereichs bekommen oder besser: hätten eine schöne Außenterrasse zu bieten, wenn der Sommer schöner wäre.
Was ist der größte Unterschied zu den Umständen vor der Pandemie?
Winkelmann: Dass wir die Leute mittlerweile platzieren müssen. Dass die Leichtigkeit fehlt. Man muss die Leute maßregeln, man muss ihnen so viel sagen. Früher hat man einfach die Tür aufgemacht, es gab einen DJ, sie haben sich an der Theke etwas zu trinken geholt, es wurde getanzt. Die Stimmung war gut, im Endeffekt hat der Markt entschieden, wie voll es ist und je mehr Leute kamen, desto besserer wurde die Stimmung. Mittlerweile ist es müßig. Man muss die Gäste am Tisch bedienen, wegen der Masken auf die Finger gucken, wegen des Eincheckens, der Nachweise. Alles hat eine gewisse Schwere.
Diese Bar hat davon gelebt, dass man sich knubbelt…
Kluge: Ja, und vor allem davon, dass man steht. Diese Tische haben wir noch nicht so lange, da standen eigentlich Sofas. Das war eher darauf ausgelegt, dass die Leute tanzen und nicht sitzen und an ihren Cocktails schlürfen.
Wie blicken Sie auf den Winter?
Winkelmann: Eigentlich waren wir immer der Winterladen: Wir sind eine dunkle, schummrige Kellerbar. Im Moment wünsche ich mir aber eher, dass der Spätsommer nochmal besser wird, damit wir die Außenplätze besser nutzen können.
Die Clubs dürfen mittlerweile öffnen, für die Gastronomie gelten aber trotzdem noch Abstandsregelungen.
Winkelmann: Diese 3G-Geschichte heißt nicht, wenn ich es richtig verstanden habe, dass man keine Maske auf dem Weg zum Platz tragen soll und dass man nicht mehr platzieren muss. Als Club, der Tanzveranstaltungen durchführt, hat man ein Hygienekonzept eingereicht, dann ist das in Ordnung mit 2G plus PCR-Test, aber für Läden wie uns gilt das noch nicht.
Gab es denn bei allem Stillstand der letzten 1,5 Jahre auch etwas Positives?
Kluge: Ich bin zur Zeit in Elternzeit. Die einzige Möglichkeit, etwas Positives zu machen, war ein Kind zu bekommen. Für uns war das eigentlich ganz praktisch, dass wir ab November zu hatten, Ende des Monats ist meine Tochter geboren, da hatten wir erst einmal unsere Ruhe, sodass ich kein schlechtes Gewissen haben musste, dass ich mich nicht kümmern konnte. Und Lukas hatte auch Einiges mit seinem Restaurant zu tun. Das war das Einzige, wo man sagen, die Zeit haben wir gut genutzt.
Das ZwoEinz ist eine Musikkneipe. Vor der Pandemie haben auch wechselnde DJs aufgelegt. Welchen Schwerpunkt haben Sie?
Winkelmann: Ja, DJs sind ein wenig Diven und freuen sich, wenn Leute tanzen, und mittlerweile musste man die Leute ja eher vom Tanzen abhalten. Wir haben einen groben musikalischen Schwerpunkt, alles, wo eine Gitarre mit drin ist. Das konnte auch mal ein bisschen punkiger, härter oder indie-lastiger sein.
Erinnerung an den Kölner Rose Club
Mit welchem Kölner Lokal fühlen Sie sich „verwandt“?
Kluge: Wir waren früher in einer Riege mit dem Rose Club. Viele sind ja erst ins Zwo.Einz gegangen und dann in den Rose-Club, das ist leider total weggebrochen. Das war auch für uns schade. Wir sind eine der wenigen, die die „Indie-Rock“-Fahne noch hochhalten.
Zu den Personen und der Bar
Marie-Katrin Kluge ist 35 Jahre alt und kommt gebürtig aus Güstrow. Sie kam vor über 15 Jahren nach Köln und hat Alte Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie studiert.
Lukas Winkelmann ist 34 Jahre alt, kommt aus Ostwestfalen und kam nach seiner Ausbildung vor fast 15 Jahren ebenfalls nach Köln. Neben der Bar „Zwo.Einz“ gehört er auch zum Team des Restaurant „Pottkind“ in der Südstadt, das dieses Jahr mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde.
Die Bar Zwo.Einz haben die beiden 2013 übernommen. Die Bar mit Wohnzimmer-Charakter hieß auch vorher „Zwo.Einz“ und hatte bereits ein ähnliches Konzept. Kluge und Winkelmann waren Stammgäste und jobbten in der Bar. Aus der Not heraus habe sie das Lokal übernommen.
Das ZwoEinz ist etwas zwischen Bar und Club. Man kann hier tanzen, kann aber flexibel raus oder rein, ohne Eintritt zahlen zu müssen… Man ist nicht so gebunden.
Kluge: Das hat die Gäste gezogen. Die Leute unterhalten sich nicht nur mit denen, mit denen sie gekommen sind, sondern auch mit anderen, die sie nicht kannten – viele sind auch alleine gekommen und habe sich an die Theke gesetzt.
Winkelmann: Die Getränke-Vertrieblerin hat uns als Partybar bezeichnet, ich glaube das trifft es ganz gut. Wir hatten nie den klassischen Barservice, wo der Kellner eine Schürze anhat und das Getränk an den Tisch bringt, und trotzdem legen wir Wert auf ordentliche Drinks, auf gute Musik, auf kleine Live-Konzerte, wenn wir davon überzeugt waren. Alles nicht so steif.
Gibt es in Köln das passende Publikum dafür?
Winkelmann: Auf jeden Fall. Wenn man sich die Ecke hier anschaut mit dem Blue Shell und dem Stereo Wonderland, die noch nicht wieder aufhaben: Die vermissen wir sehr. Hier in der Ecke muss man sich auf ein paar härtere Töne einstellen. Alles ein bisschen anders gerade.
Man merkt Ihnen an, dass die die Stimmung insgesamt doch eher gedrückt ist…
Kluge: Es ist einfach schade, wir haben uns etwas aufgebaut, hatten gerade unser Siebenjähriges groß geplant, und eine Woche vor dem Siebenjährigen wurde zugemacht. Wir dachten, wir schließen einen Monat und jetzt zieht es sich einfach schon so lange.
Winkelmann: Die Nachtgastronomie ist dafür da, dass die Leute nach Feierabend Spaß haben und kurz nicht darüber nachdenken, wie es morgen weitergeht. Das hat sich alles so umgekehrt. Die Leute machen sich Sorgen um ihren Laden und um ihre Lieblingsbarkeeper und ob die noch einen Job haben. Ich habe manchmal Angst, dass die Leute diese Leichtigkeit irgendwann vermissen. Weil man nur noch Listen ausfüllt und maßgeregelt wirst, sobald du etwas falsch machst.
Dieser Text ist aus unserem Archiv und zum ersten mal im August 2021 erschienen.