Andreas May-Johann und Elke Fuchs betreiben seit fast 30 Jahren den Club und die Konzert-Location „Die Kantine“, erst in Nippes, dann in Niehl.
Im Interview sprechen sie über ihre Eindrücke zum Konzert-Neustart im Sommer, fehlende Genehmigungen für andere Kölner Open-Airs und wie sich das Nachtleben in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
Köln – Frau Fuchs, Herr May-Johann: Die Kantine ist nach langer Zwangspause nun in die Open-Air-Saison gestartet. Wie fühlt sich das an?
May-Johann: Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Noch im April dachten wir, es geht gar nichts, dann ging es sukzessive nach den Inzidenzen. Veranstaltungstechnisch ist es sehr schwierig damit umzugehen – wir wollen hier ja auch einen möglichst geschützten Raum schaffen.
Fuchs: Die Leute rufen uns teilweise an und fragen, wie die Abstände vor Ort aussehen. Die halten wir gerade bewusst noch größer, als sie sein müssten. Grundsätzlich sind aber alle sehr happy, dass es wieder losgeht. Die Resonanz war toll. Endlich wieder Live-Musik.
May-Johann: Am ersten Abend habe ich fast ein bisschen feuchte Augen bekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich als alter Hase noch so sentimental werde. Aber die Dankbarkeit der Künstler und des Publikums haben mich wirklich berührt.
Zur Person und zum Club
Andreas May-Johann, Jahrgang 1957, kam aus der Theaterbranche und eröffnete 1992 die ursprüngliche Kantine auf dem Gelände der alten Bundesbahnkantine in Nippes. Die Idee war, Kultur und Partys ohne öffentliche Gelder zu schaffen. Als Künstlerinnen und Künstler und der Club den Ort verlassen mussten, weil ein Wohnareal entstand, zog man 2003 auf das alte Glanzstoff-Gelände nach Niehl.
Elke Fuchs, Jahrgang 1955, ist gelernte Reisekauffrau und bei der Kantine als Geschäftsführerin für die kaufmännischen Angelegenheiten zuständig. Sie ist von Anfang an mit dabei.
Im Sommer treten unter anderem noch Frida Gold, Montreal, Miljö, Kasalla und Sarah Bosetti auf. Eine Programmübersicht und Tickets für die Konzerte im Biergarten gibt es unter www.kantine.com
Welche Vorbereitungen mussten für den Sommer getroffen werden?
May-Johann: Im letzten Dreivierteljahr haben wir gefühlt nur Anträge geschrieben. Wir haben einen Gesundheitsberater mit ins Boot geholt und achten streng auf die „Drei Gs“. Es gibt ein Testzelt hier vor Ort, das wir auch erstmal beibehalten wollen. Sich testen zu lassen und auf dem Weg zur Toilette eine Maske zu tragen finde ich wirklich nicht zu viel verlangt.
Fuchs: Wir haben bis zum September fast 60 Konzerte, Kabarett-Shows und Lesungen hier geplant. Es kommen nur deutsche Bands, die Einreise und das Booking von internationalen Bands ist noch schwierig. Und im Moment dürfen wir unter Corona-Bedingungen nur 400 Menschen reinlassen.
Einige andere Kölner Locations, wie die Summer Stage am Jugendpark, haben in diesem Jahr keine Genehmigung für ihr Open-Air-Programm bekommen. Was halten Sie davon?
Fuchs: Das ist einfach unglaublich. Köln sollte eigentlich eine Modellstadt werden, und nun verbietet man Konzepte, die im letzten Jahr schon funktioniert haben.
May-Johann: Es gibt viele Lippenbekenntnisse der Stadt und der Notfallfond der eingerichtet wurde, war auch wirklich gut. Aber das ist einfach nicht genug. Der Umgang mit der Situation kann nicht sein, Dinge zu verbieten – sondern Angebote zu schaffen, die sicher sind. Wir waren in Kontakt mit der Summer Stage. Die tun mir wirklich leid. Man muss doch die Leute, die wirklich bemüht sind, unterstützen. Stattdessen ist man oft auf sich allein gestellt.
Wie optimistisch sind Sie, dass es ab dem Herbst auch wieder größere Veranstaltungen drinnen geben kann?
Fuchs: Wir hoffen es natürlich. Wenn es voll ist, ist das einfach ein besonderer Spirit, ein Gemeinschaftsgefühl. Streaming-Konzepte sind nur bedingt die Zukunft. Menschen wollen andere Leute treffen, zusammen vor der Bühne stehen.
May-Johann: Das ist ganz schwierig vorherzusagen. Aber das Virus wird länger bleiben und wir müssen einen Umgang damit finden, der anders aussieht als ein ständiger Lockdown. Mit den Tests und Impfungen haben wir Mittel, die wir nutzen müssen. Denn ich bin ehrlich: Nur stehende Konzerte sind richtige Konzerte.
Sie begleiten das Kölner Nachtleben schon seit Jahrzehnten. Hat die Ausgehkultur sich verändert?
May-Johann: Absolut. Die 90er, als wir mit der alten Kantine gestartet sind, waren starke Partyjahre. In den letzten sieben, acht Jahren ist das, bis auf vielleicht den Elektrobereich, stark zurückgegangen. Stattdessen haben Events und Konzerte zugenommen, das hat das etwas aufgefangen.
Fuchs: Die Leute gehen eher in kleinere Clubs, wie in Ehrenfeld. Auch das „Vortrinken“ gab es früher nicht. Neben dem Ticketverkauf leben wir natürlich vom Getränkeumsatz und da ist das Geschäft um einiges schwieriger geworden. Die Clubs in der Stadt fürchten die Konkurrenz der Kioske. Aber auch bei uns ist die Zeit der großen Runden vorbei! (lacht)