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„Ne Jrümmel in d’r Trööt“So ist das neue Stück im Kölner Scala-Theater

Lesezeit 4 Minuten
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Die Village People sind zurück: Das Scala-Ensemble reist mit dem Publikum in die 1970er Jahre

  1. Im Scala-Theater hat „Ne Jrümmel in d’r Trööt“ Premiere gefeiert.
  2. Das Stück läuft bis 27. Juni 2020, gespielt wird donnerstags bis sonntags.
  3. Die Premiere war eine grandiose Revue mit mitreißenden Musikbeiträgen und Tanzeinlagen sowie einem Ensemble in bemerkenswerter Frühform.

Köln – Konrad Dillendopp besitzt zwei wertvolle Dinge: Seine Sammlung alter Vinyl-Schallplatten und seine Erinnerungen. Einst war der betagte Herr Teil eines Trios, das große Erfolge im Kölner Karneval feierte. Das ist lange her. Nun schlurft er mit seinem zur rollenden Disco umfunktionierten Rollator durch die Gänge des Seniorenheimes und präsentiert stolz seine klingenden Schätzchen. Darunter sogar die Erstausgabe der Single „Mer losse d’r Dom en Kölle“ von den Bläck Fööss aus dem Jahr 1973 und das Fragment einer Schellack-Aufnahme von Willi Ostermann. Die Begeisterung der jungen Pflegerinnen hält sich in Grenzen. Schallplatte? Schellack? Vinyl? Ostermann? Nie gehört.

Ganz anders das Publikum im Scala Theater. Die Premiere des neuen Stücks „Ne Jrümmel in d’r Trööt“ war eine grandiose Revue mit mitreißenden Musikbeiträgen und Tanzeinlagen sowie einem Ensemble in bemerkenswerter Frühform. Die Spielfreude der Akteure schwappte schon nach wenigen Szenen in den Saal und wurde von den Gästen begeistert aufgenommen. Es entstand eine herrlich lockere und fröhliche Interaktion zwischen Schauspielern und Publikum. Gemeinsam ging es zurück in die 1970er Jahre. Autor und Regisseur Ralf Borgartz präsentiert die Geschichte „Ne Jrümmel in d’r Trööt“ als Rückblende. Erzählt aus der Sicht von Konrad Dillendopp, dessen Rolle er selber spielt.

„Fiere, suffe, ob alle Viere kruffe“

Zur Handlung: Konrads Mutter Gertrude Dillendopp besitzt in der Elsaßstraße 11 das Plattenstudio „Discolonia“. Dessen Glanzzeiten sind längst vorbei. Genaugenommen zehrt die selbst ernannte „Coco Chanel vom Chlodwigplatz“ vom verblichenen Ruhm des früheren Zugpferdes Zimderälla Husten. Die Interpretin der knapp am Musikecho vorbeigeschrappten Hits wie „Kölle minge Stään“ und „Leck ens am Aasch is och ene Danz“ entschwand einst über Nacht mit unbekanntem Ziel. Man munkelte in der Südstadt etwas von einer Weltkarriere in Übersee. Als Zimderälla ihre plötzliche Rückkehr nach Köln ankündigt, ist die Freude bei Gertrud groß. Flugs fädelt sie alles für ein Comeback ein. Ein musikalischer Husten-Kracher würde sie als Produzentin vor dem finanziellen Ruin bewahren. So weit, so falsch. Das vermeintliche Stimmwunder kann keinen geraden Ton singen, die Gesangskarriere spielte sich in der vergitterten Musik-Hall zu Ossendorf ab. Doch was der Diva an Stimmumfang fehlt, macht sie an Oberweite wett. Dieser Aura erliegt der junge Komponist Jakob Ofenkrach (ein witziger Fingerzeig auf Jacques Offenbach). Als Zeichen seiner Liebe komponiert er für die Angebetete den Hit mit den epochalen Zeilen: „Fiere, suffe, ob alle Viere kruffe.“

„Ne Jrümmel in d’r Trööt“ ist ein munteres Spiel mit viel Verwicklungen, frech-frivolem Blödsinn, witzigen Wortspielen und einer überraschenden Auflösung. Natürlich sind ganz viel Liebe, Laster und Leidenschaft dabei. Borgartz führt in bester Scala-Tradition bis ganz nah an die Kante, gleitet aber nicht unter Kellerbar-Niveau. Alles, was die Fantasie an körperlichen Fusionsmodellen hergibt, wird bedient. Aus dem prächtig aufgelegten Ensemble verdienten sich Barbara Nöske vor allem für ihre ausdrucksstarke Darstellung der Gertrude Dillendopp; Kirstin Hesse für ihre herausragende Interpretation des Trude-Herr-Hits „Ich sage wat ich meine“ und Maximilian Wieler für seine enorme Bühnenpräsenz Bestnoten. Und was wäre das Scala Theater ohne Sophie Russel? Eben. Der nach überstandenem Schlaganfall wiedergenesene Travestiestar zeigte sich zwar um etliche Kilogramm leichter, präsentierte die Zimderälla aber in gewohnter Stärke und Wucht.

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Doch dieser Abend im Scala Theater offenbarte noch mehr. Es lohnt sich auf die Zwischentöne zu achten. Beispielsweise wenn die Akteure zur Melodie von „YMCA“ von den Village People das Lied „Scheiß KVB“ singen, erinnert das an die großen Studentenproteste in Köln 1966 gegen die von den Verkehrsbetrieben angekündigten Fahrpreiserhöhungen. Wenn das Lied „Mer trecke op d’r Mond“ erklingt, ist das eine Verbeugung vor den Textern und Komponisten Hans Süper (Senior) und Philipp Herrig aus dem legendären Straßenmusiker-Quartett „Vier Botze“. Auch schön die Transformation von Karl Berbuers „Heidewitzka, Herr Kapitän“ in „Heidewitzka, Mister Präsident“ in Marilyn-Monroe-Anmutung. Einen Gruß aus den 70ern in die Jetztzeit gibt es, wenn sich Komponist Ofenkrach ans Klavier setzt und den d-Moll-Dreiklang d-f-a erläutert. „Aufwärts gespielt schwingt Melancholie, aber auch ein Hoffnungsschimmer mit. Wenn man es abwärts spielt, also a-f-d kommt der Satan ins Spiel. Und das möchten wir nicht“. Für diese unausgesprochene politische Botschaft gab es viel zustimmenden Applaus des Publikums.

„Ne Jrümmel in d’r Trööt“ läuft bis zum 27. Juni 2020, gespielt wird von donnerstags bis sonntags.

www.scala.koeln