Köln – Das Navigationsgerät findet das Nirwana zwischen Mais- und Weizenfeld nicht, an dem Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Kampagne für ihre Wiederwahl startet, ein seitenverkehrt aufgestelltes rosa Fähnchen mit den weißen Lettern „Gut für Köln“ hilft. Wo im Juni 1288 die Schlacht um Worringen tobte, wirbelt im Juli 2020 ein Traktor Staub auf. In fünf Jahren, nach ihrer zweiten Amtszeit, „wird man sehen, dass hier eine vernünftige Infrastruktur für den Stadtteil Kreuzfeld aus dem Boden wächst“, wird Reker später sagen.
Birgitta Nesseler-Komp, Vorsitzende des CDU-Ortsverbands Worringen/Roggendorf/Thenhoven, sieht das noch nicht: „Ich glaube, in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird hier gar nichts passieren“, sagt sie. „Und wenn etwas passiert, ist das Wichtigste, dass nicht die gleichen Fehler gemacht werden wie in Widdersdorf und nur ein weiterer Schlafort entsteht.“ Die Stimmung rund um das geplante neue Viertel „kippt momentan“, sagt Nesseler-Komp.
Reker kommt im Elektroauto
Vorerst befestigt ein Wahlkampfhelfer einen Hinweis auf die Maskenpflicht und positioniert vier Staffeleien, auf denen die Wahlkampfslogans zu lesen sind: „Tempo beim Schulbau“, „Keinen Millimeter nach Rechts“, „Gemeinsam sicher durch die Krise“, „Klimaneutrales Köln“. Das Schulbauplakat fällt als erstes, als ein leichter Wind aufkommt, die anderen folgen, nachdem Henriette Reker aus ihrem Elektroauto gestiegen ist und die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag begrüßt. Katrin Göring-Eckardt hat Reker schon im ersten OB-Wahlkampf unterstützt, sie lobt, dass die Amtsinhaberin „mit beiden Beinen im Leben steht, ihr Köln unglaublich am Herzen liegt und sie die Veränderungen, die sie begonnen hat, zu Ende führen will“.
Mit gut zehnminütiger Verspätung parken zwei schwarze Limousinen mit Berliner Kennzeichen auf dem Feldweg. Den Autos entsteigen einige Bodyguards und sodann, mit blauem Anzug und blauer EU-Maske, Jens Spahn. „Wie schön ländlich Köln sein kann“, sagt der Gesundheitsminister. „Hier wird ein schöner neuer Stadtteil entstehen“, hat Reker kaum entgegnet, da ruft ein Wahlkampfhelfer über ein Megafon: „Wir haben einen großen Fotomarathon vor uns, danach sind natürlich auch O-Töne möglich.“
Panzertape sorgt für Abstand
Zunächst werden Spahn und Göring-Eckardt zum Foto mit der Kandidatin gebeten, mit militärgrünem Panzertape ist der Abstand für die Protagonisten des Fototermins markiert, für die Journalisten sind keine Markierungen vorgesehen. „Wenn wir auf Abstand stehen, können wir auch mal ein Foto ohne machen, sagt der Gesundheitsminister“ – sagt Jens Spahn und erinnert an Lothar Matthäus, der auch gern in der dritten Person von sich sprach.
Als die Ratsmitglieder von CDU und Grünen in verschiedenen Konstellationen mit Reker, Spahn und Göring-Eckardt fotografiert werden, liegen die Staffeleien mit den Wahlkampfslogans sicher in den Brennnesseln. Es folgt die Enthüllung des Wahlkampfplakats, auf dem zu sehen ist, wie ein Mädchen aus einer Kölner Kita Henriette Reker einen Gute-Laune-Stein auf die Stirn klebt und ein anderes Mädchen zuschaut. Die Oberbürgermeisterin sieht auf dem Foto nicht unbedingt gut gelaunt aus.
Die Kandidatin sieht auf dem Plakatfoto nicht so gut gelaunt aus
Auf Nachfrage eines Journalisten erklärt sie, dass das Bild vor der Corona-Krise entstanden sei: „Das Kind hat den Stein mit ein bisschen Spucke festgemacht.“ Ob das die Leute verstünden? „Das weiß ich nicht“, sagt Reker, „ich finde es aber besser als ein gestelltes Foto. Und bei der letzten Wahl sah ich ja aus wie meine jüngere Schwester, das wollte ich auch nicht.“ Seinerzeit waren auf den ersten Plakaten die Lachfältchen Rekers wegretuschiert worden.
Derweil Henriette Reker vor den Journalisten die Erfolge ihrer ersten Amtszeit auflistet und neben dem Bau von Schulen die Gründung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft nennt, die sich auch in der Corona-Krise bewährt habe, gibt Spahn Interviews zu Covid-19-Tests an Flughäfen und einem 79-jährigen Pfleger aus Köln („Das zeigt, wie sehr der Pflegeberuf Erfüllung ist“), während Göring-Eckardt über fehlende Radwege in Köln spricht und beide Spitzenpolitiker ein schwarz-grünes Bündnis im Bund selbstverständlich nicht ausschließen.
Spahn, der seine Zeigefinger und Daumen oft zusammenpresst, sagt, dass „zu einer wachsenden Stadt auch Nachhaltigkeit gehört, das verkörpert Schwarz-Grün, dafür steht Henriette Reker“. Göring-Eckardt, die zu einem roten Kleid eine grüne Maske und ein Armband mit den Buchstaben O-M-A trägt, sagt: „Wenn es notwendig ist, werden wir es im Bund auch machen.“
Henriette Reker erzählt noch ein bisschen davon, wie schade es sei, wegen Corona im Wahlkampf „nicht nah am Bürger zu sein“. Und verspricht, den Gute-Laune-Stein des Mädchens vom Wahlplakat künftig immer bei sich zu tragen.