Der 1. FC Köln ist am Sonntag wieder in die Bundesliga gestartet. Beim 2:2 gegen Mainz war sportlich gesehen mehr drin.
Doch wie lief das Spiel für die Fans, die wegen des Coronavirus nicht ins Stadion durften?
Ein Blick in die schönsten, urigsten und treusten Fan-Kneipen Kölns.
Köln – Gut, jetzt also Geisterspiele in der Stammkneipe, 1,50 Meter Abstand, ohne Tresennutzung. Desinfektionspflicht am Eingang, Stehplatzverbot, Toilettenkontrollen, Namenslisten, um Infektionen nachverfolgen zu können. Eine Kurzumfrage unter moderaten Anhängern hatte ergeben: Dreimal gucke nicht, zweimal gucke auf keinen Fall, zweimal gucke vielleicht, einmal gucke, auch wenn es öde ist, zweimal gucke zu Hause.
Im Thiebolds Eck sieht die Sache naturgemäß ein bisschen anders aus, hier ist eher der Hardcorefan zu Hause – und Härte braucht es schon, um ein emotionales Spiel, dem zahlreiche Emotionen durch Coronaregeln entzogen werden (neben den Zuschauern auch das Abklatschen, Umarmen, Rudelbilden), mit derart vielen Restriktionen in einer halbleeren Kneipe zu verfolgen.
Doch selbst hier gibt es nicht nur Leute wie den früheren Szenegastwirt Olli Schlegel, der tief balkongebräunt mit seiner Frau Ute und Mischling Cindy draußen sitzt und sagt: „Super, dass es wieder losgeht. Die Spieler sollten die Hälfte ihrer Kohle aftrekke, aber die Bundesliga muss wigger jonn.“ Sondern auch Skeptiker wie Klaus Jülich, der meint: „Es ist kein gutes Vorbild für die Jugend, dass die Bundesliga wieder losgeht. Ich hätte alles abgeblasen.“ „Jut, die Kitas hätten sie natürlich auch wieder aufmachen sollen“, sagt Schlegel, derweil am anderen Tisch Stammgast Rainer zu bedenken gibt: „Der Söder, dat is ne Arschloch. Erst macht er alles dicht, und dann sagt er, die Bundesliga, die kann laufen.“
Einig sind sich alle im Thiebolds Eck, dass es gut tut, nach sieben, acht langen Wochen mal wieder ein frisch gezapftes Kölsch in der Hand zu halten. Oder zwei, oder drei oder vier. „Wir mussten vielen Fans absagen“, sagt Wirtin Katarina Kaiser, „aber grundsätzlich sind wir sehr dankbar, dass es wieder losgeht: Alle Gäste ziehen super mit, halten Abstand, tragen sich in die Listen ein, sie kommen abends sogar zeitversetzt.“ Kaiser sitzt mit rotem Mundschutz vor ihrer Kneipe, drinnen warten handverlesene 19 Stammgäste auf den Anpfiff. „Normalerweise wären jetzt rund 200 Fans hier“, sagt die 68-jährige Wirtin, „aber es ist, wie es ist. Wir beschweren uns nicht.“
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Bello, Steffen, Lejel und Ludger aus dem Westerwald harren seit 12 Uhr an einem Tisch vor dem Tresen, normalerweise säßen sie jetzt im Oberrang W 12, Reihe 1. „Wir hatten uns mit der Zeit vertan, normalerweise gehen wir vor den Heimspielen zum Vorglühen hierhin, jetzt müssen wir aufpassen, dass wir das Spiel noch mitkriegen“, sagt Bello. Auf den mit Strichen voll besetzten Deckel passen fünf kleine Geißböcke auf, die Lejel aus Zinn gegossen hat, so wie die Ketten mit Geißbockköpfchen, die die vier um den Hals tragen. In der Mitte haben sie ein bisschen Eisbergsalat für die Ziegen drapiert. Tierlieb muss man schon sein als FC-Fan. Am Nebentisch werden Bratwürste verzehrt, wenn man Olli Schlegel glauben darf, mehr als am Samstag im Brauhaus Früh: „Die haben da nur drei Essen verkauft den ganzen Tag.“
Als die Mannschaften einlaufen, ist es im Rheinenergie-Stadion ruhiger als in der Kultkneipe in der Lungengasse. Fans und Wirtin singen andächtig die FC-Hymne. Als Uth in der fünften Minuten per Elfmeter zum 1:0 gegen Mainz trifft, ist es fast wie immer: Jubel, die Fans stehen auf. Nur klatschen sie sich nicht ab, umarmen sich nicht. Sind auch nur 19. Und müssten beim Aufstehen eigentlich Maske tragen. Was natürlich Quatsch ist.
Die Kommentare bleiben ähnlich
In der Folge plätschert das Spiel vor sich hin. Mainz ist besser, der FC spielt wurstig, Bello begutachtet seinen Zinngeißbock, Kellnerin Katja Weber nimmt einen Schluck Wasser hinterm Plexiglasvisier und maßregelt einen Gast, der vergessen hat, beim Gang zur Toilette den Mundschutz aufzusetzen. „Wie im Trainingslager“, ruft ein Gast, und, nach 25 Minuten: „Aufhören!“ Arthur, der Original-FC-Maske mit der Aufschrift „Zesamme stark blieve“ trägt, konstatiert: „Viel zu passiv, der FC lässt sich die Butter mal wieder vom Brot nehmen. Gefällt mir gar nicht. Warte mal ab.“
Kurz nach der Halbzeit ist Ludger, einer der Musketiere aus dem Westerwald, eingenickt. Er wacht auf, als Kainz in der 52. Minute das 2:0 gelingt. „Endlich mal Fußball“, sagt Arthur, und seine Frau Stefanie bringt ein: „Normalerweise wäre die Saison vergangene Woche in Bremen zu Ende gegangen.“
Es sieht so aus, als schaukele der FC das Spiel jetzt irgendwie nach Hause, die Gäste gucken noch mit einem Auge auf den Bildschirm, bestellen Kölsch, unterhalten sich über Radtouren, autofreie Innenstadt, Verschwörungserzählungen und Angela Merkel, da branden plötzlich Kraftausdrücke auf, Mainz hat in der 60. Minute verkürzt. „Typisch FC, warte mal ab“, sagt Arthur. Und behält recht: wenige Minuten später, Ludger kämpft wieder mit dem Sekundenschlaf, spaziert ein Mainzer unbehelligt wie ein Roter Funke im Rosenmontagszug durch die Spalier stehende Kölner Abwehrreihe: 2:2. „Mehr haben sie nicht verdient“, sagt Arthur. Katarina Kaiser sagt, sie verdiene höchstens die Hälfte momentan. Zum Glück gibt es Stammkunden. Die vier Musketiere aus dem Westerwald haben nach Schlusspfiff 177 Euro auf dem Deckel.