Im Stadion haben die Höhenretter geübt, verletzte Personen vom Dach in den Innenraum abzuseilen.
Selbstversuch im StadionSo probt die Feuerwehr Köln den Ernstfall für die Fußball-EM
Kurz bevor es zu Fuß hoch geht auf das Stadiondach, wo die Höhenretter der Feuerwehr Köln den Reporter gleich zu Übungszwecken in den Innenraum abseilen werden, sagt Feuerwehrsprecher Ulrich Laschet noch: „Die Kollegen machen das in Ruhe, ohne Hektik. Wir bewegen uns hier ja in einem Bereich, wo man sagen muss: Wenn da ein Fehler passiert, dann war es das. Leider.“ Verstanden. Aber für einen Rückzieher ist es jetzt irgendwie auch zu spät.
Direkt unter dem Dach des Rhein-Energie-Stadions befindet sich ein Umlauf, ein schmaler Steg, den zum Beispiel Techniker benutzen, um Wartungs- oder Reparaturarbeiten auszuführen. Über eine Treppe aus dünnen Stahlstreben im Oberrang Ost gelangt man zunächst auf das Stadiondach und von dort klettert man eine Etage tiefer in den Umlauf. Auf dem Dach angekommen grüßt ein Feuerwehrmann: „Morgen! Du bist das Opfer?“
Fünf Spiele der Fußball-EM 2024 werden in Köln ausgetragen
Das Wetter ist großartig, die Aussicht überragend: das Stadionbad, der Dom, der Colonius, das Bergische, das Siebengebirge – alles da. Der Steg führt einmal rund um den Rasen, etwa 25 Meter über den Sitzplätzen. Die Höhenretter üben heute, wie sie eine verletzte Person von dort oben retten und sicher nach unten bringen, wo sie dem Rettungsdienst übergeben werden kann. Passiert ist das in echt noch nie, aber für die Höhenretter sind die Bedingungen hier ideal zum Üben – und mit Blick auf die Fußball-EM 2024, bei der fünf Spiele in Köln stattfinden werden, will man zudem auf alles vorbereitet sein.
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Mit Seilen und Gurten wird der Patient auf einer Vakuummatratze festgeschnallt, die auf einer so genannten Schleifkorbtrage liegt, ursprünglich ein Rettungsgerät aus dem Bergbau. Jeder Handgriff der Feuerwehrmänner sitzt, jeder hat seine Aufgabe, und alles wird nach dem Vier-Augen-Prinzip noch einmal kontrolliert.
Köln: Höhenretter sind auch als Notfallsanitäter ausgebildet
„Bereit?“, fragt Höhenretter Carlo Baptist, der sich gleich neben mir abseilen wird. „Wir lassen keinen Patienten allein“, erklärt Frank Kelzenberg, Leiter der Spezialeinheit, die auf der Feuerwache in Ehrenfeld stationiert ist. Wird der Verletzte beispielsweise unterwegs bewusstlos, kann der ihn begleitende Retter sogar im Zweifel in großer Höhe Medikamente verabreichen. Alle Höhenretter sind als Notfallsanitäter oder Rettungsassistent ausgebildet.
In Köln und im Umland werden sie zu etwa hundert Einsätzen pro Jahr alarmiert. Von der steckengebliebenen Fensterputzergondel bis zum Transport von schwerst übergewichtigen Patienten aus Hochhäusern – sie sind zuständig, wenn die Drehleiter nicht mehr reicht. Die Seile der Höhenretter sind 100 Meter lang und können bei Bedarf noch um weitere 100 Meter verlängert werden. In der Schleifkorbtrage können Menschen mit bis zu 150 Kilo Körpergewicht transportiert werden.
Dann geht es abwärts. Baptists vier Kollegen heben die Trage an und schieben sie über das Geländer. Ein Ruckeln, ein kurzer Schreckmoment – dann rastet der Korb im Seilsystem ein und schwebt jetzt frei in der Luft. „Das Kritischste für uns“, sagt Carlo Baptist, „wäre, dass ein Seil reißt.“ Damit das nicht passiert, haben die Höhenretter hervorstehende, scharfe Kanten von Stahlstreben des Stadiondachs vor dem Abseilen mit Schutzmatten abgedeckt, damit sie das Seil nicht beschädigen. Außerdem ist jedes einzelne Seil nummeriert und wird nach einer gewissen Zahl von Einsatz- oder Übungsstunden aussortiert.
Langsam geht es abwärts. Festgezurrt wie ein Kleinkind im Maxi Cosi fühle ich mich sehr sicher auf der Trage. Sacht schaukelt sie hin und her, aber im Prinzip gar nicht so übel. Die Sicht auf das Spielfeld ist grandios. Mit einer Stadionwurst und einem Kölsch ließe es sich bei einem Fußballspiel vielleicht auch 90 Minuten hier oben aushalten. Aber keine zwei Minuten später setzt der Korb schon auf dem Oberrang neben den Stuhlreihen auf. Übung beendet. Alles ist genau so gelaufen, wie es sollte, bilanziert Frank Kelzenbreg.
Im Anschluss proben die Retter noch ein zweites Szenario: Eine Zuschauerin im Oberrang hat einen Herzinfarkt erlitten, sie wurde reanimiert, mit Medikamenten erstversorgt und muss nun nach unten gebracht werden. Das ist im Rhein-Energie-Stadion tatsächlich schon vorgekommen, berichtet Frank Kelzenberg.
Weil die Treppenstufen sehr steil, die Aufgänge eng sind und die Retter beim Transport der Patientin stolpern könnten, setzen sie erneut die Schleifkorbtrage ein. Die Patientin wird darin festgeschnallt und die Trage an Seilen die Stufen hinabgelassen. Und auch das funktioniert reibungslos. Die EM kann kommen.