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„Brauchen einen Kulturwandel“Kölner Sorgenkind KVB steht vor unruhigen Wochen

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Auf dem Absprung: Stefanie Haaks, Vorstandsvorsitzende der KVB

Auf dem Absprung: Stefanie Haaks, Vorstandsvorsitzende der KVB

Zu wenig Geld, ein reduzierter Fahrplan und eine Führungsriege vor dem Abschied. Kölns Verkehrsunternehmen steht vor einem Berg voller Probleme.

Nach dem angekündigten Abschied der Vorstandsvorsitzenden der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), Stefanie Haaks, zum März 2026 fordert Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin einen „Kulturwandel“ bei der KVB. Und FDP-Fraktionschef Volker Görzel will einen „Neuanfang“ und spricht sich für drei statt vier KVB-Vorstandsmitglieder aus. Die Fragen und Antworten.

Wie ist die Situation im Vorstand?

Wie am Freitag berichtet, steht das Gremium vor einem fast kompletten Neustart – und das in einer Situation, in der das Unternehmen angesichts seiner „unzumutbaren Betriebsqualität (O-Ton Haaks) wegen eines reduzierten Fahrplans dauerhaft in der Kritik steht. Haaks hat aus persönlichen Gründen ihren Rückzug zum 31. März 2026 angekündigt, sie war seit 2019 im Amt und hat noch einen Vertrag bis 2029. Jörn Schwarze geht im Herbst nach 15 Jahren im KVB-Vorstand in Ruhestand. Und Finanzvorstand Thomas Schaffer ist im Vorjahr nach vier Jahren im Unfrieden Bochum gewechselt. Den Posten hat die KVB bisher nicht neu vergeben. Der frühere Betriebsratsvorsitzende und Personalvorstand Thomas Densborn ist seit 2013 KVB-Vorstand und hat noch einen Vertrag bis 31. Mai 2028. Und: Der Vorstand musste in der Vergangenheit wegen Differenzen schon ein Mediationsverfahren absolvieren.

Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kölner Stadtrat.

Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kölner Stadtrat.

Wie geht es jetzt weiter?

Die nächsten zwei bis drei Wochen werden entscheidend, weil mehrere Fragen offen sind und geklärt werden sollen, bis Anfang Februar der Aufsichtsrat tagt. Zum einen braucht es einen Aufhebungsvertrag für Haaks, dem der Aufsichtsrat zustimmen kann. Zum anderen soll geklärt werden, ob der KVB-Vorstand weiter aus vier Mitgliedern besteht – wie es in der Satzung steht – oder auf drei schrumpfen soll. Mit dieser Frage hatte sich auch ein Gutachten beschäftigt. Es ist eine brisante Frage, auch weil in Densborn ein Arbeitnehmervertreter im Vorstand sitzt. Görzel sagte: „Ich plädiere ganz klar für drei Vorstandsmitglieder, auch, um ein Patt auszuschließen.“

Bleibt es bei vier Mitgliedern, muss das Unternehmen drei der vier wichtigsten Posten neu besetzen. Sind es zukünftig nur drei, sind es auch zwei neue Führungskräfte, die gesucht und gefunden werden müssen. Von der Anzahl der Mitglieder hängt ab, wer welche Aufgaben übernimmt. Das wiederum ist für die Personalsuche wichtig, mögliche Interessenten dürfte interessieren, welche Ressorts sie übernehmen.

Wer sitzt im 20-köpfigen Aufsichtsrat?

Unter anderem Politikerinnen und Politiker des Stadtrates, aber auch zehn KVB-Mitarbeiter und Gewerkschaftsvertreter. Bei 20 Mitgliedern könnte sich eine zehn-gegen-zehn-Situation ergeben in der Frage, ob es drei oder vier Vorstandsmitglieder braucht. Allerdings sagt SPD-Fraktionschef Christian Joisten: „Mögliche Vorhaben gegen die Arbeitnehmervertreter werden wir als Sozialdemokraten nicht unterstützen.“ Der aktuelle Betriebsratsvorsitzende und Vize-Aufsichtsratschef Marco Steinborn ließ eine Anfrage am Montag unbeantwortet.

Volker Görzel, Fraktionschef der Kölner FDP.

Volker Görzel, Fraktionschef der Kölner FDP.

Wird es eine politische Besetzung geben, ist also ein Kandidat oder eine Kandidatin mit bestimmtem Parteibuch gesucht?

Martin sagt: „Die Frage stellt sich nicht – eine politische Besetzung kommt natürlich nicht infrage. Es braucht einen Kulturwandel bei der KVB und dafür benötigen wir eine ergebnisoffene Suche nach dem besten Personal für den Vorstand.“

Wie steht es um die Finanzen?

Schlecht – und es soll noch viel schlechter werden. Im Jahr 2023 machte die KVB ein Minus von 131,4 Millionen Euro. Doch die Qualität soll ja besser werden, es braucht neue Betriebshöfe und in der ÖPNV-Roadmap 2032 ist der Ausbau von Stadtbahnlinien notiert. Doch ob diese Verbesserungen bezahlbar sind, ist offen.

Warum?

Weil die KVB wie andere städtische Betriebe wie die Rhein-Energie oder die Köln-Bäder zu den Stadtwerken Köln (SWK) gehören. Und diese hundertprozentige Tochter der Stadt schüttet jährlich rund 50 Millionen Euro an den städtischen Haushalt aus. Die SWK verrechnen vereinfacht gesagt Verluste und Gewinne ihrer Unternehmen. Die 50 Millionen Euro sind Geld, über das sich Kämmerin Dörte Diemert freut, zumal in den nächsten Jahren, weil die Stadt von 1,73 Milliarden Euro Verlusten bis 2029 in ihrem Haushalt ausgeht. Aber: Sollen die Stadtwerke weiter jährlich 50 Millionen Euro zahlen, dürfen die KVB laut SWK-Geschäftsführung höchstens 160 Millionen Euro pro Jahr Verluste machen.

Das ist doch viel Geld. Wo ist das Problem?

Dass der Ausbau des Netzes viel Geld kostet und das Minus dann deutlich wächst. Der KVB-Aufsichtsrat hat wie berichtet drei Ausbau-Szenarien analysiert und was sie kosten – und selbst die sogenannte Basisvariante würde im Jahr 2035 ein Minus von 227 Millionen Euro bedeutet. Damit läge der Verlust 67 Millionen Euro über dem Kostendeckel liegen, den die SWK-Geschäftsführung für nötig hält. Wie berichtet, haben die SWK für ihre Unternehmen auch ein Ergebnissicherungskonzept zum Sparen erarbeitet.

Was heißt das?

Vereinfach gesagt: Wenn es bei dem Kostendeckel von 160 Millionen Euro bleibt, ist die Verkehrswende erledigt. Anders sind auch die Worte des KVB-Vorstandes in dem SWK-Sparkonzept nicht zu verstehen. Haaks und ihre Kollegen raten darin von einer Reduzierung der sogenannten Basisvariante ab, „da dies erhebliche Auswirkungen auf den ÖPNV in Köln haben würde und sowohl zu einem Investitionsstau als auch perspektivisch zu einem Verkehrskollaps führen würde“. Zum Basisszenario zählen die Inbetriebnahme der Nord-Süd-Bahn nach 2032, der Ausbau der Ost-West-Achse zwischen Heumarkt und Aachener Weiher sowie die Linien 4, 13 und 18.

Und all diese Probleme sind erledigt, wenn ein neuer Vorstand kommt?

Nein. Das ist Konsens, auch bei langjährigen Kritikern des KVB-Vorstandes. Die KVB braucht zusätzlich zum Sparen demnach mehr Geld. Deshalb hatte unter anderem Christiane Martin im Interview im September den Kostendeckel infrage gestellt: „Der Konzern soll natürlich nicht ausbluten und muss stabil bleiben. Deshalb sollten die Verluste der KVB auch nicht ins Unermessliche steigen. Aber der Kostendeckel ist eine Festlegung der Stadtwerke, ich sehe aktuell keinen Anlass, darauf zu reagieren.“ Ähnlich äußert sich Christian Joisten.