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Staatsanwalt ist sich sicherMordversuch an Kölner See wegen „verletzter Familienehre“

Lesezeit 3 Minuten
Zwei der Angklagten mit den Verteidigern Karin Bölter und Sebastian Schölzel beim Prozessauftakt im Landgericht Köln

Zwei der Angklagten mit den Verteidigern Karin Bölter und Sebastian Schölzel beim Prozessauftakt im Landgericht Köln

Insgesamt drei Angeklagten droht vor dem Kölner Landgericht eine langjährige Gefängnisstrafe.

Einen versuchten Mord wirft die Kölner Staatsanwaltschaft drei Männern vor, die sich seit Montag vor dem Kölner Landgericht verantworten müssen. Die Angeklagten sollen einen Mann zu einem abgelegenen See in Neubrück verbracht und dort mit einem Messer traktiert haben. Hintergrund sei laut Staatsanwaltschaft eine Liebesbeziehung des Geschädigten zu einer Frau – deren Vater und Bruder seien darüber erzürnt gewesen, hätten den Mann laut Anklage „bestrafen“ wollen.

Köln: Mann laut Anklage mit Messer traktiert und in See gestoßen

Der heute 30-jährige Bruder und der 57-jährige Vater hätten die Familienehre verletzt gesehen, so formulierte es der Staatsanwalt. Das Geschehen spielte sich im Juni des Jahres 2016 ab, also bereits vor fast neun Jahren. Der 30-Jährige und ein Bekannter sollen den Geschädigten unter einem Vorwand aus einem Flüchtlingsheim im hessischen Darmstadt abgeholt und zu dem späteren Tatort gebracht haben. Dort habe der 57-Jährige gewartet und sich weiße Gummihandschuhe angezogen.

Der älteste Angeklagte habe dem neuen Freund seiner Tochter dann zunächst ins Gesicht geschlagen. „Dann hielt er ihm ein Messer an den Hals und zwang ihn, zum Ufer des Sees zu gehen“, so heißt es in der Anklageschrift. Dort angekommen habe der Beschuldigte zweimal gezielt in den Halsbereich des Opfers gestochen. Dann habe der heute 57-Jährige den Mann in den See gestoßen. Das Opfer trieb laut Anklage zunächst reglos im See, die Angeklagten hätten daraufhin den Tatort verlassen.

Laut Staatsanwalt seien die drei Beschuldigten davon ausgegangen, alles nötige für eine Tötung des Mannes getan zu haben. Die Anklage spricht daher von einem versuchten Mord aus niederen Beweggründen. Das Opfer überlebte jedoch. Der Geschädigte konnte eigenständig an das Ufer des Sees zurückschwimmen. Die beiden Einstiche am Hals stellten sich im Nachhinein als nicht direkt lebensgefährlich heraus. Eine Nacht verbrachte der Mann aber trotzdem auf der Intensivstation.

Köln: Tatverdächtige blieben auf freiem Fuß

Zum Prozessauftakt in Saal 112 des Kölner Justizgebäudes erklärte der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg, dass bei positivem Tatnachweis auch das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht komme. Das wäre dann der Fall, wenn das Opfer tatsächlich arglos in eine Falle gelockt worden wäre. Ein zweites verwirklichtes Mordmerkmal könnte sich erheblich strafschärfend auswirken. Allen drei Angeklagten drohen wegen des laut Anklage gemeinschaftlichen Handelns mehrere Jahre Gefängnis.

Zwar waren die Tatverdächtigen nach dem Vorfall im Juni 2016 durch die Aussage des Geschädigten schnell ermittelt. Im weiteren Verlauf soll der Mann aber von den Vorwürfen abgerückt sein, sodass das Verfahren zwischenzeitlich sogar eingestellt war. Durch neue Zeugenaussagen erhärtete sich der Tatverdacht aber wieder. Die Staatsanwaltschaft erhob im Dezember 2018 die Anklage. Da die drei Verdächtigen aber auf freiem Fuß blieben, bearbeitete das Gericht zunächst vorrangige Haftsachen.

Köln: Verteidiger sieht Recht auf faires Verfahren verletzt

Die Verteidiger Ulrich Sommer, Karin Bölter und Sebastian Schölzel erklärten am Montag, dass sich die Mandanten zunächst schweigend verteidigen würden. Sommer stellte zudem den Antrag, das Verfahren einzustellen. Sein Mandant sei zwar unschuldig, auf einen Freispruch käme es aber nicht mehr an. Denn die Justiz habe das Verfahren über so viele Jahre verschleppt und den Angeklagten dadurch unnötige psychische Belastungen durch die lange Zeit der Ungewissheit zugemutet.

Ein faires Verfahren sei nicht mehr gewährleistet, sagte Verteidiger Sommer. Daher müsse der laufende Prozess durch eine Einstellung beendet werden. Dem folgte Richter Hengstenberg nicht. Zwar stimme es, dass seine Vorgängerin im Verfahren den Fall nicht wirklich gefördert habe. Die Verzögerung sei nicht so gravierend – sie könne bei einem möglichen Schuldspruch aber strafmildernd berücksichtigt werden. Ein Urteil in der Sache soll in rund einem Monat fallen.