Möbel Pesch am Kaiser-Wilhelm-Ring stand einst am Abgrund, nun gibt es sogar bald eine Dependance in Hamburg.
Kunst, Pleite, Promis, LuxusWie das Kölner Unternehmen Möbel Pesch sich in 120 Jahren gewandelt hat
Hartmut Roehrig ist zurzeit viel unterwegs. Der Mitinhaber des Kölner Traditionsunternehmens Möbel Pesch pendelt zwischen Köln und Hamburg – denn dort eröffnet im November eine Dependance in feinster Lage. „Zum 120. Geburtstag ist das soch genau der richtige Zeitpunkt“, sagt Roehrig.
Die Hamburger freuten sich sehr. „Ach, Pesch kommt zu uns, das ist ja wunderbar“, bekomme er da zum Beispiel zu hören. Pesch sei schließlich der bekannteste Einrichter für hochwertige italienische Luxusmarken in Deutschland. „Bis nach Australien kennt man unseren Namen.“ Dabei sah es für Pesch vor einigen Jahren dramatisch aus. Die Firma stand – nach einer langen Erfolgsgeschichte – am Abgrund.
Erste Werkstatt in Ehrenfeld: Produkte gehen nach Holland, England und Amerika
Mit der Fertigung von Jugendstil-Rahmen hatte Gustav Pesch das Unternehmen 1904 gegründet, die erste Werkstatt war in Ehrenfeld. Seine Produkte kamen so gut an, dass Auslieferungslager in Holland, England und sogar in Amerika eingerichtet wurden. Offenbar hatte schon der Gründervater das richtige internationale Gespür.
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Doch bald setzte man auch auf Möbel. In den 1930er Jahren wurde Pesch Lieferant für namhafte Innenarchitekten wie Bruno Paul und Dominikus Böhm. 1959 gründet Josef Pesch das Forum „Intermöbel“, Designer wie Le Corbusier und Charles Eames bekamen eine Bühne. Und Pesch, so heißt es in der Firmenchronik, sei das erste deutsche Einrichtungshaus gewesen, das die „Skandinavien-Möbel“ in Holz- und Lederoptik entdeckte. In der noch ziemlich bleiernen Nachkriegszeit mit dem starken Hang zu Gelsenkirchener Barock war das geradezu eine Revolution.
Dieter Pesch holte Andy Warhol in sein Geschäft
Mit Dieter Pesch als Chef in der dritten Generation kam dann Glamour in die Firmenräume am Kaiser-Wilhelm-Ring. 1980 war Andy Warhol zu Gast – Dieter Pesch hatte die Ausstellung des graphischen Gesamtwerks des Künstlers in seinen Räumen organisiert. Warhol fuhr mit einem Rolls-Royce vor, nippte am Kölsch, schaute sich bei Pesch um. „Das war schon ein ziemlicher Zirkus“, erinnert sich ein Augenzeuge. Es folgten Ausstellungen von Joan Miró und Pablo Picasso. „Dieter Pesch hatte ein Talent dafür, Menschen zu begeistern“, erinnert sich Hartmut Roehrig.
Der umtriebige Dieter Pesch mit seinem rötlichen Vollbart gründete einst die Interessegemeinschaft Ring, wurde auch international zu einer bekannten Figur und festigte den Ruf von Köln als Möbelstadt – und auch als Kunststadt. „Wenn er auf der Möbelmesse war, kannte er jeden und jeder kannte ihn. Er war eine Persönlichkeit“, erinnert sich Hartmut Roehrig, der damals selbst als Repräsentant von Marken wie Bulthaup und Ligne Roset auf der Messe unterwegs war. „Er war für unsere Branche ein Vorbild.“ Dass der Kaiser-Wilhelm-Ring und der Hohenstaufenring noch heute als Möbelmeile gelten, das war auch das Verdienst von Dieter Pesch.
Doch irgendwann kippte der Erfolg. Dieter Pesch, der von Teppichlegen, Polstern und Schreinern alles selbst gelernt hatte, betrieb das Möbelhaus mit eigenen Gewerken, einer großen Leuchtenabteilung, Deko-Geschäft und einer Riesenauswahl an Marken auf insgesamt fünf Etagen. Das trug sich nicht mehr – es gab zu viel preisgünstigere Konkurrenz, viele klassische Möbelhäuser gaben auf. Pesch musste 2008 Insolvenz anmelden.
Ein „Wunder“ ließ Möbel Pesch überleben
Dann geschah ein kleines Wunder. „Damals haben sich Investoren zusammengefunden. Sie kannten die Bedeutung und den Wert von Pesch und wollten nicht, dass das verschwindet. Alle investierten privates Geld.“ Dabei war unter anderem der Kölner Geschäftsmann Holger Rost, ein Autoleasing-Manager. Roehrig erinnert sich: „Damals sagten alle anderen: Das wird nichts.“
Aber der Plan ging auf. 2010 wurde Alf Busse, ein erfahrener Möbeleinzelhändler, Geschäftsführer. Er konnte Pesch erfolgreich sanieren. Die Verkaufsfläche wurde stark verkleinert, man konzentrierte sich nun auf hochwertige italienische Designmöbel auf immerhin noch 3000 Quadratmeter. Vor vier Jahren kam Hartmut Roehrig in die Firma, inzwischen sind er und Alf Busse die Inhaber von Pesch. Die Firma hat 38 Mitarbeiter.
Pesch hat seinen Platz im Luxussegment gefunden. Hartmut Roehrig sagt, es gebe keine „Mittelschicht“ mehr in der Möbelbranche: „Entweder hochpreisiges Design oder Ikea.“ Ein Sofa der Marke Minotti etwa kostet 7000 Euro, die Lederausführung 15.000 Euro. Ein Sideboard von Rimadesio gibt es für 5000 Euro. Laufkundschaft, die einfach mal Bummeln möchte, gibt es hier nicht. Die Käufer kommen gezielt und zahlreich.
Darunter sind auch Prominente: FC-Spieler, Politiker, Schauspieler. „Manche kommen persönlich, andere schicken Mitarbeiter.“ Manche erkenne er auch gar nicht, dann klärten ihn Kollegen auf. Die meisten prominenten Käufer seien aber sehr unauffällig. Es sei jedenfalls noch nie vorgekommen, dass das Geschäft wegen eines VIP-Kunden gesperrt werden musste.
Jedoch seien es auch die vielen Stammkunden, die Pesch zum Erfolg verhelfen würden. „Kölner lieben schöne Dinge.“ Dass die Möbelmesse 2025 wegen der allgemein schwächelnden Branche abgesagt werden musste, sei schade für Köln, würde aber Möbel Pesch nicht direkt betreffen. „Unsere Hersteller sagen uns immer wieder, Köln sei auch dank uns die wichtigste Möbelstadt in Deutschland“, sagt Hartmut Roehrig. In Hamburg, München oder Berlin gebe es ein solch konzentriertes Angebot wie auf der Kölner Möbelmeile nicht.
Dieter Pesch starb 2013 im Alter von 75 Jahren. Doch Möbel Pesch wird wohl wieder ein Familienunternehmen. Die Kinder von Alf Busse werden die Firma später einmal übernehmen. Und dann gleich zwei Standorte betreuen.