- Früher stank es vor allem an einer Seite des Kölner Doms infernalisch. Grund dafür waren viele Wildpinkler.
- Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner erinnert sich sogar an gelegentliche Messungen auf bis zu acht Liter Urin pro Tag.
- Mit der Wiederaufstellung des Petrusbrunnens war dieses unschöne Kapitel beendet – und auch sonst gibt es über den Brunnen viel Interessantes zu erzählen.
Köln – Waren das noch Zeiten, als man Brunnen dort baute, wo es eine Quelle oder wenigstens eine Wasserader gab! Bei der Aufstellung des Petrusbrunnens am Kölner Dom 1870 waren solche Details nicht gar so wichtig. Als ich Ihnen Anfang April in den „Dom-Geschichten“ einen Corona-kompatiblen Spaziergang um den Dom vorschlug, hatte ich schon kurz erwähnt, dass der Brunnen seit 2010 am Nordwestrand des Roncalli-Platzes auf der sogenannten „Papstterrasse“ am Dom steht – und dort auch sehr schön sprudelt.
Vor 150 Jahren war das anders. Da war der Petrusbrunnen auf der Ostseite des Doms in Richtung Rhein Teil einer von Dombaumeister Richard Voigtel (1829 bis 1902) bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entworfenen Terrassen- und Treppenanlage. Die Stadt Köln hatte zunächst kein Geld dafür. Doch dann kam ihr die preußische Königin und spätere Kaiserin Augusta (1811 bis 1890) mit einer Stiftung zu Hilfe, was das Modell gleich deutlich pompöser ausfallen ließ. Anfangs handelte es sich bei dem von Dombildhauer Peter Fuchs (1829 bis 1898) ausgeführten Brunnen nur um eine schöne Skulptur – ohne Wasser. Später wurde er damit über eine Zisterne versorgt, aber so spärlich und selten, dass der Brunnen bei den Kölnern schnell den Spitznamen „Drüjjer Pitter“ weg hatte.
Formensprache der Renaissance als Inspiration
Voigtels Entwurf ist von der Formensprache der Renaissance inspiriert. Bekrönt wird die Anlage, bei der sich zwei Schalen über dem eigentlichen Brunnenbecken erheben, von einer Figur des namengebenden Apostels Petrus auf einer Säule. Aus zahlreichen Wasserstrahlen der oberen Brunnenschale wird die darunter liegende Schale gespeist, die als Dreipass gestaltet ist. Von ihr geht ein weiterer Kranz von Wasserstrahlen ins Brunnenbecken auf dem Boden aus. Diese Art der Wasserführung ist ebenfalls typisch für die Renaissance. Einen starken Wasserstrahl speien überdies drei steinerne Löwen, die die beiden Brunnenschalen stützen.
Ende der 1960er Jahre musste die Treppenanlage dem Bau der Domplatte weichen. Der Petrusbrunnen wurde zunächst im Nordosten des Doms auf der Bahnhofseite neben der Sakristei platziert, wirkte aber dort sehr verloren, wie bestellt und nicht abgeholt. Und auch hier funktionierte die Einspeisung des Brunnenwassers nicht richtig. Um die Jahrtausendwende herum war endgültig klar: Der Brunnen braucht eine Generalsanierung. Die Leitungsrohre waren kaputt, der Stein bröselte. Also bauten wir ihn 1999 ab und lagerten ihn fürs Erste ein. Ich nahm mir allerdings gleich vor, nach einem günstigeren Standort Ausschau zu halten.
Eigentumsverhältnisse des Brunnens in Vergessenheit geraten
Irgendwann vor dem Bau der Domplatte müssen wohl auch die Eigentumsverhältnisse des Brunnens in Vergessenheit geraten sein. Schon für die Versetzung hatte nämlich die Dombauhütte gesorgt. Arglos, wie ich vermute. Gleichwohl erhielten wir nach dem Abbau eines Tages ein offizielles Schreiben aus der Stadtverwaltung: Es sei eine Unverschämtheit, dass der Dom sich des Brunnens bemächtigen wolle. Den habe Ihre Majestät, die Kaiserin Augusta, der Stadt Köln geschenkt. Der Brunnen gehöre also der Stadt und sonst niemandem. Doppeltes Rufzeichen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Für den damaligen OB Norbert Burger (1932 bis 2012) war das offenkundig ein klassischer Fall von Übereifer: Welcher seiner Beamten – ich meine mich sogar an das Wort „Idiot“ zu erinnern – das denn herausgefunden habe, entfuhr es ihm. Denn natürlich war ab sofort die Stadt für Instandsetzung und Unterhalt zuständig. Sonst hätte die Dombauhütte das bezahlt.
Restaurierung, Neuaufstellung und Inbetriebnahme
Für die notorisch klamme Stadt sprang die „Bürgergesellschaft Köln von 1863“ mit ihrem rührigen damaligen Vorsitzenden Heinz-Otto Schmitz-Pranghe ein. Sie sammelte zwei Drittel der 150.000 Euro, die für die Restaurierung, Neuaufstellung und Inbetriebnahme benötigten wurden. Eine Bronzeplakette im Boden am heutigen Standort erinnert an diese sehr löbliche, großzügige Spende.
Für den besten Platz zur Wiederaufstellung gingen wir mit einem Größenmodell des Brunnens aus ein paar Holzlatten auf die Suche – und befanden schließlich die freie Fläche auf der Südseite des Doms. Damit ist der Brunnen übrigens ganz ordnungsgemäß wieder auf städtischem Grund gelandet. Denn der Besitz des Doms endet mit dem Fundament.
Beliebteste Pinkelplätze in ganz Köln
Ich finde, der Petrusbrunnen hat sehr zur Aufwertung des Areals beigetragen, das vorher ziemlich verwahrlost war und mit zwei halb verfallenen Bänken, drei Bäumen und einer abgeschatteten Ecke dahinter zu den beliebtesten Pinkelplätzen in ganz Köln gehört haben dürfte.
Das Buch zur Serie
Barbara Schock-Werners Kolumnen über Kurioses und Vergessenes am und im Kölner Dom erscheinen am 29. April im DuMont-Buchverlag. Der Band enthält eine Sammlung der bisher unter dem Titel „Dom-Geheimnisse“ erschienenen Beiträge im „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit zahlreichen Fotografien von Csaba Peter Rakoczy sowie eine Reihe noch nicht veröffentlichter Texte. 176 Seiten, Klappenbroschur, 18 Euro. (jf)
Ich mag es gar nicht sagen, aber wir waren bei gelegentlichen Messungen auf bis zu acht Liter Urin pro Tag gekommen. Kurz: Es stank infernalisch. Einmal ranzte ich im Vorbeigehen einen Mann an, dass er sich ja unterstehen solle, gegen den Dom zu pinkeln. „Bist du hier etwa der Chef?“, gab er zurück. Das beantwortete ich mit einem entschlossenen „Ja“. Was ihn tatsächlich dazu veranlasste, seine Hose zuzuknöpfen und sich zu trollen.
Der Petrusbrunnen ist heute ein beliebtes Fotomotiv für Touristen. Wie vom Trevi-Brunnen in Rom bekannt, werfen die Menschen Kleingeld als Glücksbringer auch ins Becken des Petrusbrunnens. Frühmorgens kommt regelmäßig ein privater Münzensammler und holt die Geldstücke wieder heraus. Ich hoffe, sie wirken trotzdem.
Aufgezeichnet von Joachim Frank