Die „Stiftung Neuer Raum“ veranstaltet in der Adventszeit die Reihe „Köln liest im Advent“ vor öffentlichen Bücherschränken.
„Köln liest im Advent“Wie offene Bücherschränke gegen Einsamkeit helfen können
„Köln liest im Advent“ heißt eine Veranstaltungsreihe der „Stiftung Neuer Raum“, die der Kölner Bücherschrankbauer Hans-Jürgen Greve vor fünf Jahren gründete. Sein Ziel ist es, Orte in der Stadt durch Kultur zu neuen lebendigen Räumen zu entwickeln. In der Adventszeit werden an sieben Tagen Musiker, Schauspieler und Märchenerzähler in verschiedenen Kölner Stadtteilen jeweils vor einem öffentlichen Bücherschrank auftreten.
Das Kulturprogramm ist kostenlos und startet am 1. Advent (Sonntag, 1. Dezember) in Bocklemünd. Zu sehen ist eine Theaterszene aus „Scrooge“, der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, gespielt von Christian Zell. Wer nicht nach Bocklemünd möchte, der kann auch zum Rathenauplatz, nach Heimersdorf, Rodenkirchen oder nach Porz-Urbach kommen, auch dort werden an verschiedenen Tagen vor den offenen Bücherschränken Theateraufführungen oder Lesungen stattfinden.
Die Devise lautet: hingehen und mitmachen
„Ich möchte mit diesem Kulturangebot in den Veedeln neue Gemeinschaften fördern. Gerade in dieser Zeit, in der die Menschen verunsichert sind, viele allein zu Hause sitzen und wenig soziale Kontakte haben, ist der Bücherschrank das Projekt gegen Einsamkeit. Unser Angebot ist sehr niederschwellig, man muss kein Ticket kaufen, unsere Devise lautet: hingehen und mitmachen. Gibt es keine Aufführung, dann kann man am Schrank verweilen, sich mit anderen austauschen und Freundschaften schließen“, sagt Greve, der inzwischen bundesweit über 1200 Bücherschränke aufgestellt hat, davon 65 in seiner Heimatstadt Köln. In Widdersdorf am Platz des Kriegerdenkmals und am Rathenauplatz ist seine Idee bereits gelungen.
Wer an den 65 Kölner Bücherschränken bislang niemand kennengelernt hat und unter Einsamkeit leidet, der kann nach Düsseldorf oder Bonn ausweichen. Hier gibt es seit einigen Monaten Zuhörbänke gegen Einsamkeit. Diese Bänke stehen auf öffentlichen Plätzen und sollen dafür sorgen, dass Menschen unterschiedlichster Schichten und Generationen im Stadtviertel miteinander ins Gespräch kommen. Außerdem gibt es zu bestimmten Zeiten, die über einen QR-Code auf der Bank zu erfahren sind, die Möglichkeit, sich mit einem ehrenamtlichen Zuhörer oder einer Zuhörerin zu verabreden und dann sein Herz auszuschütten.
Mit Bücherschränken die sozialen Kontakte fördern
„Zuhörbänke gegen die Vereinsamung in den Städten sind ein guter Ansatz. Die Bekämpfung der Einsamkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deshalb gibt es in Großbritannien sogar ein Ministerium gegen Einsamkeit. Ich bin ein Philanthrop und möchte mit meinen Bücherschränken und den Projekten rund um diese Schränke die Menschen dazu bewegen, sich mit ihrem Veedel zu identifizieren und die sozialen Kontakte zu fördern“, beschreibt Greve seine Idee.
Der Architekt und Städteplaner ist davon überzeugt, dass man Plätze nicht beleben kann, indem man einfach nur einen Brunnen installiert und dann hofft, dass alle kommen. Man müsse die Menschen, die um diese Plätze herum wohnen, motivieren, ihr Veedel mitzugestalten. „Der Neumarkt und der Ebertplatz sind die besten Beispiele, dass der bisherige Ansatz nicht funktioniert. Nur eine intrinsische Motivation, eine, die von den Bürgerinnen und Bürgern kommt, kann einen Platz beleben. Ein Bücherschrank, den sich der Bürgerverein im Veedel wünscht, ist der erste Schritt. Dann kommen die Blumenrabatte, die Sitzbänke und schließlich die Menschen aus dem Veedel hinzu.“
Bevor ein Bücherschrank, der in der Sürther Wachsfabrik in Handarbeit gebaut wird und allen TÜV-Vorgaben entspricht, in Köln aufgestellt werden darf, muss der Antrag zwölf Behörden passieren. Ein mühsames Verfahren, um das sich die Bürgerstiftung Köln kümmert. Die Bücherschränke, die an 365 Tagen rund um die Uhr geöffnet sind, werden von den Buchhandlungen vor Ort nicht als Konkurrenz, sondern eher als kulturelle Bereicherung gesehen. So ist in Sürth beispielsweise die Buchhändlerin Nadine Sander Patin des Bücherschranks, der keine 100 Meter von ihren Laden entfernt steht.